Zumindest auf einer Position bei Union Berlin herrscht Klarheit: Frederik Rönnow ist die klare Nummer eins im Tor. So klar, dass die Club-Bosse keinen ernsthaften Herausforderer verpflichten wollen.
Frederik Rönnow ist glücklich beim 1. FC Union Berlin, auch wenn er mit den Eisernen noch keinen Titel gewonnen hat. Obwohl, so ganz richtig ist das nicht. Der dänische Torwart wurde 2023 und 2024 zum „Union-Fußballer des Jahres“ ausgezeichnet. Und der 32-Jährige darf sich berechtigte Hoffnungen auf den Hattrick machen: Auch bei der diesjährigen Wahl durch die Fans ist Rönnow einer der großen Favoriten. Bis zum 31. Juli läuft die Abstimmung auf der Club-Internetseite. Eigentlich dürfte ihm nur Benedict Hollerbach gefährlich werden, doch der Topscorer ist nach der Saison zum FSV Mainz 05 gewechselt. Ob die Fans ihm das vielleicht nachtragen und lieber einen Spieler auf dem Stimmzettel ankreuzen, der auch in der kommenden Spielzeit das Union-Trikot trägt? Rönnow ist geblieben, und er war mit seinen Paraden mindestens ein ebenso großer Garant für den frühzeitig geschafften Klassenerhalt wie Hollerbach mit dessen Toren und Assists.
Rönnow hielt in acht seiner 28 Einsätze seinen Kasten sauber – ein absoluter Topwert in der Bundesliga. Besonders herausragend agierte der Keeper beim Nerven-Duell gegen die Elfmeterschützen: Vier von fünf Strafstößen gegen Union konnte Rönnow halten. Der Union-Schlussmann sei „einer der Top-6- oder sogar Top-5-Torhüter der Liga“, urteilt Torwart-Experte Sascha Felter. Der 26-Jährige ist der Betreiber der „Keeperanalyse“. Dieser Blog und Podcast setzt sich mit allen Details des Torhüterspiels auseinander. Felter betont, dass man bei Rönnow nicht nur auf die nackten Zahlen achten dürfe. Auch die Ausstrahlung und Kommunikation mit seinen Vorderleuten mache ihn zu einem Top-Torwart. „Er hat eine sehr, sehr gute Strafraumbeherrschung, ist wahnsinnig präsent bei Flanken“, sagte Felter im RBB-Interview. Auch das Stellungsspiel sei beeindruckend. „Er hat selten einen unglücklichen Winkel oder eine unglückliche Distanz zum Schützen. So hat er meistens genug Zeit, um richtig abzuspringen oder den Ellenbogen komplett durchzudrücken, um sich richtig lang zu machen.“
Dass Rönnow mit 1,88 Metern eher zu den kleineren Vertretern seiner Zunft gehört, sei kein wirkliches Hindernis. „Sein Tempo und sein Timing im Absprung“ würden Rönnow „seit Jahren“ eine „sehr gute Quote bei abgefangenen Flanken“ ermöglichen. Hinzu komme die richtige Einstellung beim Herauslaufen, „weil er es immer wieder konsequent durchzieht“, meint der Torwart-Experte. Rönnow ist zwar kein Muskelpaket wie zum Beispiel einst der Ex-Bremer Tim Wiese, doch auf seine Kraft in den Beinen kann der Däne setzen. Er mache „ganz oft noch einen Zwischenschritt, der ihm dann den entscheidenden Tick mehr Reichweite einbringt“, erklärt Felter: „Man sieht einfach, dass er wirklich weiß, was er tut und wo er steht.“

vorläufig beendet - Foto: IMAGO / Contrast
Nachwuchshoffnung als Verstärkung
Angesichts derartiger Lobeshymnen stellt sich die Frage, warum Frederik Rönnow nicht auch medial längst in die Liga eines Manuel Neuer, Gregor Kobel oder Alexander Nübel aufgestiegen ist. Die Antwort ist simpel, meint Felter: „Er wird komplett unterschätzt.“ Das liege zum einen am Verein, denn Union Berlin haftet immer noch das Außenseiter-Image an. Zum anderen ist Rönnow auf dem Platz aber nicht gerade der große Entertainer. Er leitet die Abwehrspieler im eher moderaten Ton an, auf emotionale Gesten verzichtet er fast komplett. Egal, ob ihm gerade eine Mega-Parade gelungen oder ein Fehler zum Gegentor passiert ist. Der dänische Eisblock bleibt in der Regel cool. Außerdem gilt Rönnows Torwartspiel nicht gerade als spektakulär. Oft erahnt er durch sein gutes Stellungsspiel eine brenzlige Situation schon im Voraus und vereitelt die Chance, ohne dass er seine Reflexe bemühen muss.
An seinen Stärken und Schwächen arbeitet er mit Torwart-Trainer Michael Gspurning hart, der Ex-Keeper ist voll des Lobes für seinen Schützling: „Er ist jetzt ein anderer Spieler als vor zwei, drei Jahren.“ Vor allem seit der Vertragsverlängerung im Vorjahr ist Rönnow „sehr gefestigt“, findet Gspurning: „Er hält auf internationalem Niveau.“ Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit, auch Rönnow schwärmt vom Österreicher und dessen Arbeit. „Wir haben bei ihm sehr viel am Physischen gearbeitet, vor allem in der Robustheit und in der Stabilität“, verriet Gspurning. Außerdem seien ihm die kognitiven Trainingsinhalte wichtig, damit seine Torhüter in den verschiedenen Spielsituationen auch verstärkt die richtigen Entscheidungen treffen können. Generell sei Rönnow sehr wissbegierig und fleißig, und das müsse er auch sein, meint Gspurning. Denn die Ansprüche an die heutige Torhüter-Generation seien im Vergleich zu den Zeiten eines Sepp Maier oder Oliver Kahn noch mal deutlich gestiegen. „Ein Torhüter ist heutzutage ein Risikomanager – du musst bewusst Risiken eingehen, bist im Offensivspiel eingebunden, musst hochstehen, mit der Abwehrkette verbunden sein.“ Bei Union sind sie froh, dass Rönnow diese Anforderungen erfüllt und es keinerlei Diskussionen über die Nummer eins gibt. Die Verantwortlichen verzichteten daher auch darauf, einen höchst ambitionierten Konkurrenten für den dänischen Platzhirsch zu verpflichten. Nach dem Abgang von Stellvertreter Alexander Schwolow (33), dessen Vertrag nicht verlängert wurde, holte Union das Torwart-Talent Yannic Stein vorzeitig zurück. Die Leihe des 20-Jährigen an den Regionalligisten SV Babelsberg 03 wurde ein Jahr vor Ablauf des ursprünglich angedachten Vertragsendes abgebrochen. „Wir haben Yannics Leistungen im vergangenen halben Jahr beobachtet und sind sehr zufrieden mit seiner Entwicklung. Daher haben wir uns entschlossen, ihn vorzeitig zurückzuholen, damit er erneut Teil unseres Torhüterteams wird“, begründete Unions Sport-Geschäftsführer Horst Heldt diese Personalentscheidung. Stein, der in 15 Spielen für Babelsberg einen guten bis sehr guten Eindruck hinterließ, dürfte sich mit Carl Klaus (31) um den Status der Nummer zwei duellieren. Beide stammen aus der eigenen Jugend, was vor allem die Fans mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Auf eine Verpflichtung einer externen Nummer zwei wollten die Club-Bosse verzichten, zumal sie den potenziellen Zugang nicht mit Einsatzchancen hätten locken können. Am Nummer-eins-Status von Rönnow gibt es derzeit nichts, aber auch gar nichts zu rütteln.
Der statistisch beste Profi zwischen den Pfosten ist Rönnow bei Union aber nicht. Cara Bösl vom Frauen-Team blieb in 25 Saisonspielen sogar 13-mal ohne Gegentreffer. In ihrem ersten Pflichtspiel für Union hielt sie gleich zwei Elfmeter im Erstrundenspiel des DFB-Pokals in Gütersloh. Die Torhüterin des Teams, das den Durchmarsch in die Bundesliga geschafft hat, steht zur Wahl zur „Union-Fußballerin des Jahres“. Sollten also diesmal zwei Torhüter die Auszeichnung erhalten, wäre es keine große Überraschung. Und für Rönnow wäre es fast schon Routine. Eine große Show würde er auch bei einem Titel-Hattrick nicht abziehen. Starallüren sind ihm fremd. „Er ist einfach ein stiller Arbeiter und ein sehr guter Torhüter“, sagt Torwart-Experte Felter.