Gut ausgestattet und nicht viel teurer als 30.000 Euro: Mit dem „Dolphin“ baut der chinesische Hersteller BYD ein Elektroauto für die Massen. Muss die deutsche Konkurrenz vor diesem Wagen zittern?
Und, wie isser, der Bütt?“ Der Mann auf dem Parkplatz schaut mich erwartungsvoll an. Leider verstehe ich nicht. Der Bütt? „Na, der Chinese? Wie fährt er sich denn?“ Endlich fällt der Groschen. Der Herr meint mein aktuelles Testfahrzeug, den BYD Dolphin. Eigentlich spricht sich der Name wie die englische Buchstabenfolge aus, also „Bi Wei Di“. Doch in Deutschland hat sich offenbar eine andere Variante eingebürgert.
Das Besondere ist die Batterie ohne Kobalt
„Bis jetzt gibt es nicht viele E-Autos in dieser Größe“, antworte ich. „Die deutschen Hersteller müssen sich warm anziehen, wenn sie den Anschluss nicht verpassen wollen.“ Langsam nimmt der Markt für elektrische Kompaktwagen an Fahrt auf. Waren es lange vor allem SUVs, die mit Stecker ausgeliefert wurden, kommen mittlerweile immer mehr kleinere Modelle zu den Händlern. Da wären zum Beispiel der Renault Megane oder der VW ID.3, die aktuell mit deutlichen Preisnachlässen werben. Oder der Opel Astra, der allerdings erst jenseits der 40.000 Euro startet. Und – neben dem MG4 – jetzt auch das neueste chinesische Modell: der BYD Dolphin.
Der elektrische Delfin kostet je nach Ausstattung zwischen 32.990 Euro und 34.990 Euro – EU-Schutzzölle gegen chinesische Hersteller sind in dieser Summe noch nicht berücksichtigt. Nach der EU-Entscheidung, chinesische Hersteller mit Strafzöllen zu belegen, wird für BYD generell ein Zusatzzoll von 17 Prozent fällig. Wie sehr die Preise für Elektroautos aus China tatsächlich steigen und in welchem Umfang die höheren Kosten an die Kunden weitergegeben werden, ist derzeit aber noch nicht absehbar, da je nach Marke viele Händler noch Modelle vorrätig haben. Der Zusatzzoll fällt nur für neu eingeschiffte Fahrzeuge an.
Dass das günstigste VW-Modell derzeit für knapp unter 30.000 Euro zu haben ist, kommt wohl nicht von ungefähr. Preislich nehmen sich die beiden Kompakt-Stromer also nicht viel, weshalb die Qualität umso wichtiger wird. Oder anders gesagt: Wie isser denn nun, der Bütt?
Das Besondere an ihm verbirgt sich im Unterboden: ein Lithium-Eisenphosphat-Akku, der ohne den Konfliktrohstoff Kobalt auskommt und über eine hohe Energiedichte verfügt. Verwunderlich ist das nicht, denn BYD wurde 1995 als Batteriefabrik gegründet und stellt noch heute Akkus im großen Stil her. Erst seit 2003 mischt BYD auch im Autogeschäft mit. In Deutschland vertreibt das Unternehmen bereits eine Handvoll Elektromodelle. Und den Dolphin.
Von außen ist er wahrlich kein Design-Knaller, sondern eher ein Begleiter für den Alltag. Auch das hat er mit VW & Co. gemeinsam. Der Innenraum besteht – wie in dieser Preisklasse üblich– hauptsächlich aus Kunststoff, der sich aber weich und keinesfalls so glitschig anfühlt wie bei der Wolfsburger Konkurrenz. In der Mitte befindet sich ein großer Touchscreen, der auf Knopfdruck vom Querformat ins Hochformat dreht. Wozu das gut sein soll, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht, um etwaigen Mitfahrern zu imponieren? Dann aber bitte vorher das Handy aus der darunterliegenden Smartphone-Ablage nehmen. Sonst läuft es Gefahr, vom Drehbildschirm zermalmt zu werden.
Um den Dolphin auf der Langstrecke zu erleben, fahre ich mit ihm bis England. Zunächst geht es durch Belgien und Frankreich, wobei sowohl das Fahrwerk als auch die Sitze einen guten Eindruck hinterlassen. Minuspunkte gibt es für die Geräuschkulisse: Zwar verfügt der Dolphin über eine integrierte Spotify-Anbindung, wodurch man Tausende Hörbücher und Musiktitel abrufen kann. Leider ist er aber so schlecht gedämmt, dass man die Lautsprecher extrem aufdrehen muss, um gegen Wind- und Lkw-Geräusche anzukommen. Bei Stadtfahrten fällt dies kaum ins Gewicht, auf der Autobahn raubt es mir die Nerven.
Viele Assistenzsysteme serienmäßig an Bord
Das Navi funktioniert super, und zwar auch im Ausland. Selbst die Namen von Geschäften kennt das System. Bei Zielen, die außerhalb der Reichweite liegen, plant es automatische Ladestopps ein. In den Einstellungen kann man auswählen, welche Ladenetzbetreiber man ansteuern möchte und welche nicht. Das ist vor allem dann nützlich, wenn man einen vergünstigten Ladetarif bei einem bestimmten Anbieter abgeschlossen hat. Apropos Reichweite: Der Dolphin kommt auf dem Papier genau 427 Kilometer weit. Bei meinem Roadtrip sind es eher 350 Kilometer, wobei die Autobahnfahrt aufgrund von Starkregen ohnehin recht gemütlich verläuft. Den VW.3 gibt es auf Wunsch mit deutlich größerem Akku, was natürlich auch mehr kostet. Die Gefahr, dass man einen Bleifuß entwickelt, besteht beim Dolphin aber ohnehin nicht. Zum einen, weil er maximal 160 km/h schnell fährt. Zum anderen, weil auf dem Tacho ein Warndreieck mit der Unterzeile „Rasen“ erscheint, sobald das Tempolimit auch nur geringfügig überschritten wird.
Die Gänge werden über einen kleinen Schalter unter dem Hauptbildschirm eingelegt. Daneben befinden sich ein paar weitere Knöpfe beziehungsweise Drehregler, mit denen sich Radio-Laustärke, Klima und Fahrmodi einstellen lassen. Während beim SUV-Bruder, dem BYD Atto 3, die Inneneinrichtung verspielt bis chaotisch daherkommt, wirkt sie beim Dolphin schlicht und durchdacht. Auch die Bedienung des Touchscreens ist schnell erlernt: Tipp, tipp, schon ist man im gewünschten Menü.
Die Assistenzsysteme halten sich – für chinesische Verhältnisse – noch zurück. Beim Dolphin gibt es zumindest keine Kamera, die mich permanent filmt und maßregelt, sobald ich auch nur eine Sekunde den Blick von der Frontscheibe abwende. Dafür ist er mit einem Überwachungssystem ausgestattet, das zurückgebliebene Personen oder Tiere erkennt. Mal eben aufs Klo huschen auf dem Parkplatz? Nehmen Sie Ihr Kind oder Ihren Hund lieber mit, sonst geht sofort die Alarmanlage los!
Wirklich positiv: Assistenzsysteme, die bei anderen Herstellern viel Geld kosten, sind beim BYD serienmäßig an Bord. So etwa ein adaptiver Tempomat, ein Spurhalte-Assistent, diverse Einparkhilfen und ein Lämpchen in den Seitenspiegeln, das leuchtet, falls sich ein Fahrzeug im toten Winkel befindet. Die Hauptsensoren in der Mitte der Frontscheibe sind leider so üppig, dass sie mir an der Kreuzung die Sicht verdecken.
In England angekommen, schlägt sich der Dolphin ebenfalls gut. Schnell finde ich im Menü die Funktion, um die Einheiten von Kilometer auf Meilen umzustellen. Anders als ich kommt das Navi sofort mit dem Linksverkehr klar. Auch eine Ladestation findet es prompt. Doch mit seinem flinken Meeres-Pendant hat der Dolphin in diesem Punkt leider nichts gemeinsam. Maximal 88 Kilowatt sind möglich, wodurch es knapp eine Dreiviertelstunde dauert, bis der Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt ist. Die VW-Konkurrenz liegt in diesem Punkt klar vorne.
Auf Augenhöhe mit dem ID.3 von Volkswagen
Und dann sind da noch ein paar Kinderkrankheiten, die sich im Laufe der dreiwöchigen Testphase zeigen. Die Verkehrszeichen-Erkennung liegt öfter mal daneben, der Rückspiegel blendet im Dunkeln nicht ab und das Musik-Streaming stellt irgendwann einfach den Dienst ein. Nein, es liegt nicht am Brexit, sondern passiert schon in Deutschland. Und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem das Hörbuch so richtig spannend wird! Irgendwann geht das Streaming dann wieder, nur um ein paar Tage später abermals zu stocken. Am Empfang liegt’s nicht; hier hapert die Software!
Schlägt der BYD Dolphin also den VW ID.3? Preislich unterscheiden sich die kompakten Stromer kaum; auch optisch rangieren beide in der Normalo-Kategorie. Ich würde sagen: Gleichstand. Am Ende läuft es somit auf den persönlichen Geschmack hinaus: Ist Ihnen eine gute Verarbeitung, eine schnelle Ladeleistung und ein großes Händlernetz wichtig? Dann hat der ID.3 die Nase vorn. Legen Sie hingegen Wert auf ein intuitives Navi, richtige Tasten und Spielereien wie einen drehbaren Bildschirm? Dann könnte der Dolphin eher etwas für Sie sein.
Dass beide Autos derart eng beieinander liegen, überrascht mich dann doch. Hier der „Bütt“, ein Newcomer, der bis vor Kurzem lediglich Batterien hergestellt hat. Da ein traditioneller Autokonzern, der den Anschluss nicht verlieren möchte. Der Ausgang ist ungewiss und könnte für den Industriestandort Deutschland noch ungemütlich werden. Für Kunden von E-Autos verheißt das Duell trotzdem etwas Gutes, denn Wettbewerb beflügelt bekanntlich das Geschäft – und die Preise.