Das Buchmesse Saar Lese-Festival findet von 11. bis zum 15. Juni statt. Der Wissenschafts-Influencer Tim Vollert stellt sein Debüt „Mit Physik auf der Suche nach dem Sinn des Lebens“ vor. Er begibt sich dabei auf eine Reise vom Urknall bis zum Kältetod des Universums.
Herr Vollert, Sie nehmen Ihre Leser mit auf eine Reise durch die Physik. Wie kann Wissen über Urknall, Relativitätstheorie und Quantenmechanik helfen, den Sinn des Lebens zu ergründen?
Der Sinn des Lebens kann ausschließlich durch die Physik gefunden werden. Jeden Gedanken, den wir gerade erfassen können, gibt es nur, weil die glitschige kleine Masse in unseren Köpfen mit einer Leistung von 20 bis 30 Watt funktioniert. Weil sie aus Zellen besteht, welche aus organischen Molekülen, aus Elementen, somit aus Atomen besteht. Die Protonen und Neutronen im Kern dieser Atome bestehen jedoch aus Elementarteilchen, welche beim Urknall erzeugt wurden. Alles, was wir kennen, aber auch unsere Wahrnehmung selbst sind Produkte der Physik dieses Kosmos. Und dieser Kosmos, da müssen wir uns eben einordnen, hat gerade eben erst angefangen, und wird noch Äonen existieren. Bei solchen Skalen und Zuständen muss man alles Leben zwangsweise in das große Spiel der Dinge in unserem Kosmos einordnen, um eine ehrliche Antwort zu finden. Ob du ein glückliches Leben hattest, ist im Vakuum des Weltalls irrelevant.
Das Leben ist laut Ihrem Buch nur eine logische Abfolge von Naturgewalten. Kann es unter diesen Voraussetzungen dennoch einen Sinn haben?
Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass es dennoch einen gibt. Die Entwicklungen in unserem Kosmos müssen keinem großen Plan folgen, aber gänzlich zufällig passieren sie ja nicht. Dass wir entstanden sind, muss eine direkte Auswirkung von Naturgesetzen sein. Und auch, wenn wir die Existenz der Naturgesetze nicht wirklich direkt begründen können, treiben sie trotzdem unsere Realität geordnet voran. Die Frage ist, was Lebensformen hier in ihrer Umgebung machen können, was in einer Umgebung ohne sie nicht möglich wäre. Die Antworten variieren stark. Alle Organismen treiben die Entropie, also die Unordnung in ihrer Umgebung, durch Energieumwandlung voran – ein möglicher thermodynamischer Sinn des Lebens, den jeder Einzeller beherrscht. Das machen Sterne aber zum Beispiel wesentlich effektiver. Die intelligentesten Organismen könnten jedoch hypothetisch in Teilchenbeschleunigern neue Universen erschaffen – hier hätten wir ein Potential, das so komplex ist, dass Naturgesetze dies nicht können – der kurze Zeitraum, in dem Leben im Universum möglich ist, wäre hier die fruchtbare Phase des Kosmos – ein sehr spekulativer Sinn natürlich.
Kann es in einer von Naturgesetzen bestimmten Welt einen freien Willen geben?
Ich persönlich halte nichts vom Hoffen auf einen freien Willen. Ich liebäugele aber auch in meinem Buch sehr mit der B-Theorie der Zeit, also der Idee, dass die Gegenwart ausschließlich eine Illusion unseres Gehirns ist. Unter diesen Umständen könnte das Konzept Zeit nur als räumliche Dimension erklärt werden, da es nicht länger einen Unterschied zwischen Zukunft und Vergangenheit gäbe und beides gleichzeitig real sein müsste. Aber auch ohne solche Theorien gibt es kein Hoffen auf freien Willen. Alle unsere Entscheidungen lassen sich auf unsere Instinkte, unsere Kultur und unsere Erziehung runterbrechen. Letztere beide im Grunde auch auf Instinkte. Und diese dann wieder auf unser Erbgut, also einen Code aus Aminosäuren. Wenn ein Jugendlicher gegen seine Eltern rebelliert, macht er das nicht aus freiem Willen, sondern weil seine Umgebung ihn zu diesem Punkt beeinflusst hat. Selbst wenn deine Zukunft nicht feststeht, ist davon auszugehen, dass die meisten deiner Entscheidungen von einem Computer vorberechnet werden könnten – wenn wir ihm genug Informationen über deine Familie und deine Kultur geben.
Können wir trotzdem sinnvoll handeln?
Ein fehlender freier Wille könnte der Schlüssel sein. Eine gewisse Weitsicht und Verantwortung für zukünftige Generationen ist eine natürliche Eigenschaft des Menschen – unsere Empathie ist uns schließlich genetisch gegeben. Darin kann schwammig die Bereitschaft vergraben sein, nicht nur als Individuum, sondern als Spezies zu denken. Und das müssen wir auf diesen Skalen: 106 Milliarden Menschen kamen in den letzten 350.000 Jahren vor dir. Können wir das Fundament für Billionen nach uns legen?
Was bedeutet das für Sie persönlich?
Für mich persönlich ist dies ein Ansporn– der Mensch des 21. Jahrhunderts ist auf kosmischen Skalen irrelevant. Sein Nachfolger könnte in weit entfernter Zukunft anders sein. Doch wir leben heute auch dicht genug beieinander, um die Spezies spürbar zu beeinflussen. Wie ein Missionar möchte ich genug Menschen dazu bringen, ihren Alltag darin einzuordnen, dass sie auf einer winzigen blauen Murmel in einem unvorstellbaren Kosmos leben. Und dann sollen sie selbst diese Weltanschauung anwenden.
In Ihrem Buch widmen Sie sich auch ausführlich der Zukunft. Lässt sich das Ende des Lebens auf der Erde mit physikalischen Formeln berechnen? Und wenn ja: Liegt die Zukunft der Menschheit vielleicht auf einem anderen Planeten, oder sogar außerhalb unseres Sonnensystems?
Natürlich lässt sich unsere Zukunft nicht genau berechnen, aber es ist eine simple Feststellung, dass unser Aussterben, so unwahrscheinlich es auch heute ist, immer wahrscheinlicher ansteht, je länger wir uns nur auf diesem Planeten aufhalten. Umso weiter der Mensch sich ausbreitet, umso drastischer steigt sein Entwicklungs- und Überlebenspotenzial. Wir reden hier nicht von den nächsten paar hundert Jahren. Lasst uns mutig genug sein, hunderttausende weiter zu denken! Ähnlich wie einst der Homo erectus könnte ein Homo sapiens, den wir kaum wieder erkennen, auf einer Vielzahl von Welten durch seine besseren Kinder ersetzt werden – das Happy End einer Spezies, das wir anvisieren sollten.