Ohne Australian-Open-Siegerin Kerber, aber mit Top-Zwei-Spieler Zverev und Doppel-Zuversicht: Die Deutschen laufen trotz vager Aussichten für den Happy Slam einfach schnell weiter und orientieren sich strikt nach vorne.
Für sie sei Australien immer „das Highlight des Jahres“, sagte kürzlich Australian-Open-Championesse Angelique Kerber. Dabei tritt Deutschlands erfolgreichste Tennisspielerin des Jahrtausends gar nicht mehr an. Die Frage ist: Wie geht es ohne Angie beim Happy Slam weiter?
Schauen wir uns die Motivation von Australiens bekanntestem Vogel, dem Emu ab. Es sieht gut aus für die deutschen Spielerinnen und Spieler.
Zuerst sehen wir Alexander Zverev. Der Weltranglisten-Zweite hat ein Geheimrezept: Schläger, deren Saiten er so bespannen lässt, dass sie die gelben Bälle ungewöhnlich stark abprallen lassen. Zum Ausgleich. Denn seit Corona würden die Bälle auf der Profitour schnell schlapp machen, erzählt Deutschlands Nummer eins bei den Herren im Tennischannel-Podcast.
Finale im Einzel und im Doppel
Obwohl „Sascha“, wie Zverev genannt wird, in der Saison 2024 selbst manchmal müde wirkte, gewann er Matches und Turniere wie ein Weltmeister, der er ja auch schon war. Vergangenes Jahr stand der 27-Jährige im Halbfinale in Melbourne. Das nächste Häkchen auf seiner Liste wäre ein Grand-Slam-Sieg.
Dann fällt der Blick auf Jan-Lennard Struff. Im winterlichen Frühling von München spielte er sich im Einzel und im Doppel ins Finale. Mit Lederhose und Elektro-BMW verließ der 33-Jährige das Turnier erstmals in seiner Karriere als Sieger. Bei den Davis Cup Finals in Malaga kämpfte der Warsteiner im November immer noch gegen zähe Gegner. Unermüdlich und im dritten Satz des Halbfinales doch zu erschöpft von der langen Saison und einer verletzten Hüfte. Sein Grand-Slam-Lauf weist Richtung Weiterkommen.
Maxi Marterer stand 2018 schon mal in der dritten Runde in Melbourne. Kurz vor seinem 30. Geburtstag will der Nürnberger nur noch nach vorne. Wie bei Daniel Altmaier stockt den Zuschauern bei seinen Matches oft mal der Atem. Bei den French Open 2018 kämpfte sich Maxi nimmermüde in vier Stunden 14 Minuten ins Achtelfinale.
In die Top 50 schob sich Dominik Koepfer in der vergangenen Saison. Warum sollte der Schwarzwälder nicht zu alter Unbeschwertheit in Grand Slams zurückfinden und als nun 30-Jähriger weitere Runden drehen?
Falls im Einzel, wie vergangenes Jahr, nur ein einziger deutscher Mann weiterkommen sollte, bieten immerhin die Doppel-Partien aussichtsreiche Perspektiven.
Unübersehbar ist Yannick Hanfmann. Der 33-Jährige beförderte die Deutschen 2024 Richtung Davis Cup Finals. Im Doppel mit Koepfer schrammte er bei den letztjährigen Australian Open nur knapp am Finale vorbei.
Noch weiter nach vorne recken sich die reinen Doppel-Spieler Kevin Krawietz und Tim Pütz: Sie könnten bei den Australian Open 2025 ihren ersten gemeinsamen Grand-Slam-Titel holen. Immerhin lehrte das Duo seine Gegner das Fürchten, als sie als erste Deutsche 2024 die ATP Finals gewannen.
Auch die deutschen Damen ziehen die Aufmerksamkeit beim Thema „Doppel“ auf sich: Laura Siegemund, die drei Grand-Slam-Titel im Doppel und Mixed ihr Eigen nennt, könnte in diesem Jahr um Platz eins der Doppelweltrangliste spielen. Und in Australien, wo es viele Punkte zu holen gibt, damit beginnen. Zusätzlich ist die 36-Jährige weiter eine Trumpfkarte im Einzel. Wie weit reicht die Kraft der Schwäbin?
Tatjana Maria mischt mit 37 Jahren weiter gut international mit und zieht ihre Tochter nach. Die „Zwanziger“-Frauen, Jule Niemeier und Eva Lys, zeigten schon öfter, dass sie auf Grand-Slam-Level auch gegen Top-50-Spielerinnen mithalten und diese taktisch überraschen können.
„Gut geförderte“ Spielerinnen
Die noch jüngeren deutschen Spielerinnen schauen über den Saisonstart beim Grand Slam in Australien hinaus. Zumal, wenn sie diesmal nicht die große Reise um die halbe Welt antreten. Siehe Carolina Kuhl, die 2022 das Viertelfinale im Juniorinneneinzel Down Under erreichte. Sie wertet die deutschen Spielerinnen als „gut gefördert“ im internationalen Vergleich. Die 19-Jährige kommentierte im Gespräch mit FORUM die deutsche Damen-Szene so: „Es sieht gut aus. Wir haben gute Spielerinnen im Moment“. Kuhl, die 2023 zwei Turniere gewann, benennt als ihr persönliches Ziel für die Zukunft: „Top 100“.
Valentina Steiner aus dem DTB-Nachwuchskader freut sich mit nunmehr 18 Jahren darauf, dass anders als bei den Juniorinnen, wo die baden-württembergische Vizemeisterin mehrere Turniere gewann, bei den Damen allmählich auch etwas Geld hereinkommt. Bei den Turnieren im Ausland seien die jungen Spielerinnen zwangsläufig allein unterwegs.
Immerhin zu den Junioren Australian Open begleitete DTB-Schnittstellentrainer Niklas Gerdes 2024 zehn rekordverdächtige deutsche Juniorinnen und Junioren, inklusive Steiner. Bundestrainerin Jasmin Wöhr gab den jungen deutschen Spielerinnen bei den Therme Erding Open Rückmeldung: Was sie bei den Matches im Turnier richtig machen und worauf sie künftig noch mehr achten müssen. Sehr wichtig sei die wachsende Zahl erreichbarer Heimatturniere für die angehenden Profis. Wöhr analysiert die nachkommenden Spielerinnen als sehr fokussiert und diszipliniert. Da sei ein großes Leistungsspektrum zu sehen und „viel zu erwarten“.
Auch Barbara Rittner, deren Position als Chef-Bundestrainerin beim Deutschen Tennisbund jüngst mit Torben Beltz, Kerbers Ex-Coach, nachbesetzt worden ist, schaut weiterhin genau hin, wie es um den Tennisnachwuchs bestellt ist. Unter Rittners Fittichen erlebten die deutschen Tennisdamen ab 2016 eine goldene Ära. Jetzt will die ehemalige Profi-Spielerin bei der Management-Agentur Acein Performance als sportliche Leiterin Spielerinnen helfen, erfolgreiche Profis zu werden. „Unsere ganzheitliche Vision, auch im Health Care-Bereich, wird durch die 35-jährige Erfahrung von Barbara Rittner als Spielerin und Bundestrainerin optimiert. Diese wertvolle Zusammenarbeit ermöglicht es uns, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die sowohl die sportliche als auch die gesundheitliche Entwicklung unserer Talente nachhaltig fördern“, sagt Sabine Kroker-Hohmann, Physiotherapeutin und eine der Gründerinnen der Agentur.