Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist genau ein Jahr alt. Die Bilanz: Zwei Regierungsbeteiligungen und die Tolerierung einer Minderheitsregierung. Trotzdem wird es bei der Bundestagswahl eng.
Sachsens alter und neuer Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte extrem gute Laune zu Beginn der letzten Bundesratssitzung im Dezember. Er selber hatte so seine Zweifel, ob er tatsächlich als dann zum dritten Mal wiedergewählter Ministerpräsident in die Vertretung der Länder kommen würde. Bedanken muss sich Kretschmer beim Bündnis Sahra Wagenknecht.
Kretschmer ist aber nicht der Einzige. Dietmar Woidke (SPD) bleibt als ebenfalls zum dritten Mal wiedergewählter Ministerpräsident (von Brandenburg) Mitglied des Bundesrates. Bei ihm ging es mit dem BSW als Koalitionspartner viel schneller als gedacht. Die ausgezeichnete Laune der beiden „alten Hasen“ wird nur noch vom Neuzugang in der Runde der Ministerpräsidenten übertroffen: Mario Voigt (CDU) aus Thüringen. Dass der 47-Jährige gewählt wurde, verdankt auch er dem BSW.
Drei Ost-Länderchefs dank Unterstützung des BSW, das seinerseits nach den Wahlerfolgen, den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen, alles aus dem Stand heraus, nun gar nicht mehr so überzeugend dasteht. Der Umfragestern des BSW ist am Sinken. Von phasenweise einst prognostizierten zehn bis 15 Prozent für die Bundestagswahl sind Ende Dezember, je nach Umfrageinstitut, zwischen vier und sechs Prozent übrig geblieben, der Einzug in den Bundestag bei der Wahl am 23. Februar ist wacklig. Es scheint, als würde eine Befürchtung der Namensgeberin der Partei eintreffen: dass der gute Lauf der Partei durch Regierungsbeteiligungen und damit reale Entscheidungen gestört werden könnte.
Wobei Sahra Wagenknecht selbst nicht ganz unbeteiligt daran ist, dass die Regierungsgespräche in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zum möglichen Kipppunkt des BSW wurden. Die selbsternannte Kanzlerkandidatin war es, die sich persönlich massiv in die Koalitions-Gespräche in drei Ost-Ländern einmischte. Das ging so weit, dass Woidke, Kretschmer und Voigt nacheinander zur Audienz bei „Königin Sahra“ vorgeladen wurden. Alle drei mussten in Berlin sondieren, mit wem sie jetzt eigentlich die Koalitionsgespräche führen: mit den BSW-Vertretern in den Ländern vor Ort oder doch gleich mit der Bundesvorsitzenden in der Hauptstadt?
Das führte zu reichlich Kopfschütteln der politischen Beobachter im Berliner Regierungsviertel und ebenso reichlich Ärger in den betroffenen BSW-Landesverbänden. Erst brach der direkte Kontakt zu Sabine Zimmermann nach Dresden ab, dann sprach die thüringische BSW-Chefin Katja Wolf nicht mehr mit ihrer Bundesvorsitzenden. Brandenburgs BSW-Chef Robert Crumbach begann die Verhandlungen mit der SPD erst vier Wochen später und hatte aus den Vorgängen in Sachsen und Thüringen gelernt. Er verbat sich schnell jegliche Empfehlungen der Bundeschefin. Doch der Eindruck in der Öffentlichkeit war da schon einigermaßen verheerend.
Wenig Mitglieder gleich wenig Wahlkämpfer
Dass die BSW-Bundesvorsitzende in Berlin sagt, wo es langgeht, ist der bisherigen Konstruktion der Partei sowie dem Umstand geschuldet, dass es weder ein Parteiprogramm noch ein Wahlprogramm gibt. Letzteres soll nun zur Bundestagswahl vorgelegt werden.
Ein Problem für das BSW ist, dass die Partei nur bedingt mobilisierungsfähig für einen Bundestagswahlkampf ist. Derzeit hat die Partei um die 1.000 Mitglieder (Stand Ende Dezember). Für einen bundesweiten Wahlkampf eine sehr dürftige Personaldecke, um Flyer oder BSW-Mützen auf Straßen und Plätzen zu verteilen. Nun soll noch im Januar die bislang streng reglementierte Aufnahme von Mitgliedern geöffnet werden.
Immerhin verfügt die Partei aber über finanzielle Mittel, nämlich etwa sechs Millionen Euro an Wahlkampfspenden. Fünf davon kommen allein von einem Ehepaar aus Boltenhagen an der mecklenburgischen Ostsee. In sozialen Netzwerken wird darüber diskutiert, welchen Einfluss das Ehepaar auf die künftige Politik der Partei nehmen könnte. Doch das viele Geld hilft nur wenig, wenn kein Personal vorhanden ist, dass es gezielt für den Wahlkampf einsetzen kann. Nicht nur die Regierungsbeteiligungen auf Landesebene haben das Bündnis kalt erwischt, sondern obendrein auch die vorgezogene Bundestagswahl.