Nach zehn Jahren im Amt tritt Theophil Gallo (SPD) nicht mehr als Landrat im Saarpfalz-Kreis an. Doch wer folgt? FORUM sprach mit Klaus-Ludwig Fess (CDU) und Frank John (SPD).
Kann man nach 39 Jahren schon von einem „Gewohnheitsrecht“ sprechen? Wenn man Frank John (SPD) fragt, auf jeden Fall! „Als SPD haben wir viele Dinge auf den Weg gebracht. In die Zeit der SPD-Landräte fiel zum Beispiel die Zeit der Übernahme aller weiterführenden Schulen – von der Förderschule bis zum Berufsbildungszentrum. Wenn man sieht, wie diese Schulen bei der Übernahme ausgesehen haben und wie sie jetzt aussehen, sieht man durchaus, dass sich da einiges getan hat.“ Seit 1985 hat der Saarpfalz-Kreis einen Sozialdemokraten als Landrat. Auf Clemens Lindemann folgte ab 2015 Theophil Gallo. Gallo selbst wird zwar noch bis Ende Mai 2025 im Amt sein, ein potenzieller Nachfolger soll aber schon bei den Kommunalwahlen am 9. Juni bestimmt werden. Denn Gallo selbst wird nicht wieder zur Verfügung stehen. Dafür aber John: „Ich würde die Arbeit der vergangenen Jahre gerne weiterführen“, so der 51-Jährige. Kommunalpolitische Erfahrung dafür hat er jedenfalls schon mal im Gepäck: Seit 15 Jahren ist er Bürgermeister der Gemeinde Kirkel. „Erfahrung – auch wenn es in einer kleinen Verwaltung ist – hat seinen Vorteil. Ich kenne die Vorgänge und Abläufe, ich kenne die Menschen und Institutionen, das ist von Vorteil“, so John.
Doch nicht jeder sieht die SPD-Zeiten so golden wie er. „Meiner Ansicht nach ist es nach fast 40 Jahren an der Zeit für einen Wechsel“, so Klaus-Ludwig Fess. Der Oberstabsfeldwebel der Reserve tritt für die CDU bei den Kommunalwahlen an. „Ich habe in sehr vielen Gesprächen mit Bürgern gemerkt, dass die Menschen hier bereit für einen Neuanfang sind.“ Fess selbst hat bislang noch nie in einem politischen Amt gearbeitet. Trotzdem setzt die saarpfälzische CDU auf den 56-jährigen Bexbacher – oder eher: gerade deshalb. „Das hat sehr viele positive Aspekte. Ich habe eine andere Sichtweise auf die Dinge. Ich denke, das tut der Politik der heutigen Zeit sehr gut.“ Die Idee käme auch bei den Bürgerinnen und Bürgern an, mit denen er bisher zu tun hatte: „Ich bin ein Mensch aus der Basis, ich bin in keiner Politikblase gefangen. Das sehen die Menschen hier sehr positiv“, erzählt er.
Aber auch Fess ist kein Unbekannter im Landkreis und darüber hinaus. Denn der Christdemokrat ist seit einigen Jahren Präsident des Bundes Deutscher Karneval, der immerhin deutschlandweit rund 5.300 Karnevalsvereine unter einem Dach zusammenführt, im Saarpfalz-Kreis 24 Vereine mit mehr als 8.000 Mitgliedern. Kein Wunder also, dass für ihn das Thema Ehrenamt eine sehr zentrale Rolle einnimmt – auch in einer möglichen Amtszeit als Landrat: „Das Ehrenamt ist eine tragende Säule unserer Gemeinschaft“, so Fess. Gerade im Saarpfalz-Kreis habe es einen besonderen Stellenwert. „Daher rege ich auch einen Ehrenamtslotsen an, den ich im Falle einer Wahl direkt einsetzen will.“ Dieser soll die Ehrenamtlichen und Vereine durch Förderprogramme begleiten und Vereinshilfeangebote koordinieren. „Viele Vereine wissen gar nicht, wo sie Fördermittel beantragen können. Viele sind mit der Flut an Verwaltungsanträgen überfordert. Wir müssen also auf Vereine und Verbände vor Ort zugehen und aufzeigen, was es hier gibt, und ihnen durch diesen Antrags- und Genehmigungsdschungel helfen, damit sie sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können“, so Fess. Dies heiße aber nicht, dass der Kreis ihnen alles abnehme, „aber wir müssen ihnen die Hilfestellungen geben und im Vorfeld so gut aufklären, dass sie wissen, welche Möglichkeiten sie eventuell haben“.
Vereine und Ehrenamt als Stützen der Gesellschaft
Auch für Frank John spielt Ehrenamt eine große Rolle: „Ich bin selbst in 27 Vereinen Mitglied und weiß daher um die Sorgen und fehlenden Strukturen, die Vereine oft benachteiligen“, sagt er. Dabei denkt er auch an die Unterhaltung vereinseigener Immobilien: „Das haben die Vereine immer durch Feste gewährleistet, doch das wird durch die vielen Richtlinien, die man mittlerweile beachten muss, immer schwieriger. Ich denke, diesen Dschungel muss man lichten.“
Ebenfalls ein Stück weit lichten will John die Straßen, für die der Landkreis Verantwortung trägt. „Dort ist einiges zu tun“, sagt er. „Vor Jahren ist schon ein Verkehrskonzept entwickelt worden, das nun weiterentwickelt und mit den Kommunen abgestimmt werden muss.“ Das zentrale Thema dabei: Verkehrslenkung. „Ich muss schauen: Wo habe ich im Kreis Ziel- und Quellverkehre? Wo habe ich die großen Industrie- und Gewerbegebiete, zu denen gerade auch viele Lkws fahren?“, so John. Denn das sei nicht immer die Autobahn, viele Zulieferer müssten bei ihrem Weg zur Firma auch die Hauptstraßen der Gemeinden durchqueren. „Hier muss man schauen, wo man Maßnahmen der Verkehrslenkung wie beispielsweise Lkw-Durchfahrtverbote oder Tempo-30-Zonen durchführen kann“, sagt John, merkt aber auch zugleich an: „Das wird nicht überall funktionieren. Aber dort, wo es möglich ist, muss man es angehen.“
In diesem Zuge müsse aber auch der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) neu gedacht werden. Der Kreis hat diesen erst kürzlich neu ausgeschrieben – aber John denkt weiter: „Wir müssen für das Saarland beim ÖPNV den großen Wurf haben. Das ist mit so vielen Akteuren immer schwierig.“ Überlegungen, ob man sich einem großen Verkehrsverbund anschließen solle, statt auf die Vielzahl kleiner Verkehrsunternehmen in den Kommunen zu setzen, seien hierbei genauso unerlässlich wie der ÖPNV-Ausbau in ländlichen Gebieten. „Und auch das zu Preisen, die attraktiv sind“, betont er. Denn gerade im ländlichen Raum sind viele – insbesondere ältere Menschen – auf eine funktionierende Busverbindung angewiesen. Dazu ist der Saarpfalz-Kreis auch noch der Kreis mit dem höchsten Altersdurchschnitt im Saarland.
Aber auch sonst müsse die Versorgung auf dem Land gewährleistet bleiben: „Wir sehen das nicht mehr nur in den ländlichen Gebieten, sondern auch in größeren Orten geht es los: Viele Dinge sind nicht mehr vor Ort vorhanden – das fängt bei den Einkaufsmöglichkeiten an und geht bei Ärzten und Banken weiter“, mahnt John. „Da müssen wir wieder mehr Leben in die Orte bringen.“ Konkret denkt der Diplom-Volkswirt dabei auch an sogenannte Dienstleistungszentren, die die nötigsten Einrichtungen gebündelt an einem Ort bereithalten. „Wohnen muss in den Orten wieder attraktiv werden. Das muss mit den Kommunen gemeinsam angegangen werden“, so John. „In den vergangenen Jahren wurde das eher stiefmütterlich behandelt. Jetzt ist es fünf vor zwölf.“ Dazu zähle für ihn auch die Schaffung und Erhaltung von Treffpunkten und kreiseigenen Kulturstätten, aber auch die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in adäquater Nähe.
Ohne den industriellen Kern dabei zu vergessen: „Ich bin der Meinung, dass wir auch in Deutschland Produkte herstellen müssen. Nur Dienstleistung wird bei uns nicht funktionieren. Der Erhalt der industriellen Arbeitsplätze ist eminent wichtig“, so John. Und auch Fess betont: „Die Arbeitsplatz-Sicherung muss oberstes Ziel sein. Hier müssen der Kreis und die Kommunen wesentlich enger zusammenarbeiten.“ Aber auch die Wirtschaftsförderung müsse „verändert und gestärkt“ werden: „Wir müssen attraktive Angebote machen, sowohl an die Unternehmen, als auch an bestehende und mögliche Arbeitnehmer.“ Konkret heiße das, auch an andere Lebensbereiche zu denken. „Das beinhaltet ein größeres Angebot beim ÖPNV, das die Attraktivität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber steigert, aber auch die Schaffung von Kita- und Schulplätzen“, so Fess.
Insgesamt 18 weiterführende Schulen befinden sich in der Verantwortung des Landrats. „Wir müssen attraktive Lernorte haben“, sagt Fess. „Das heißt, wir müssen als Kreis in Ausstattung, aber auch in funktionsfähige digitale Infrastruktur investieren. Es bringt mir nichts, an die Schüler Tablets auszugeben, die am Ende im Ranzen bleiben, weil im Klassenzimmer keine W-Lan-Verbindung vorhanden ist.“ Das zu finanzieren sei auch in der Verantwortung von Bund und Land. Ebenso sei Integration ein immer größeres Thema in den Schulen: „Die Sprachförderung muss weiter ausgebaut werden. Es nutzt nichts, wenn wir Schüler in Klassen haben, die nicht verstehen, was gelernt wird, und sich nicht artikulieren können. Dort müssen wir rechtzeitig ansetzen, damit wir diese Kinder und Jugendlichen erreichen“, betont der Betriebswirt.
Qualitätsregion Wanderbares Deutschland
Für seinen Mitbewerber von der SPD nimmt auch ein anderes Thema noch zu wenig Platz an den saarpfälzischen Schulen ein: „Wir müssen den Gedanken der Biosphäre in die Kitas und Schulen bringen.“ Im Saarpfalz-Kreis liegt das Biosphärenreservat Bliesgau. Kernpunkte sind das aktive Zusammenspiel zwischen Stadt und Land sowie das Thema Nachhaltigkeit. „Wir sind die nachhaltigste Tourismusdestination Deutschlands. Da haben wir uns gegen das Allgäu durchgesetzt“, sagt John stolz. „Diese Auszeichnung gilt es weiter auszubauen.“ Über die touristische Bedeutung der Biosphäre sind sich beide Männer einig: „Wir haben eine Riesenchance durch die Biosphäre. Ich glaube, dass wir mit speziellen Angeboten nicht nur im Saarpfalz-Kreis, sondern auch außerhalb ein wahnsinniges Potenzial haben, dieses Reservat touristisch zu nutzen“, sagt auch Klaus-Ludwig Fess. Das beinhalte nicht nur, dass das in Blieskastel geplante Biosphärenhaus „dringend“ geschaffen wird, sondern auch den Ausbau von Rad- und Wanderwegen. Bei Letzterem habe der Kreis in der jüngsten Vergangenheit schon tatkräftig angepackt: „Der Saarpfalz-Kreis ist auf dem Weg, Qualitätsregion wanderbares Deutschland zu werden“, so John. „Da sind wir ganz kurz davor.“ 90 Wege seien bereits beschildert, die nun auch nach und nach zertifiziert werden sollen. „Das soll auch dazu anregen, Urlaub bei uns zu machen und auch die Gastronomie in den Orten zu stärken.“ Allgemein sei man in Sachen Tourismus schon „sehr gut aufgestellt“.
Vernetzung von THW, Feuerwehr und Co
Als „ganz gut aufgestellt“ betrachtet John den Katastrophenschutz, der auch in der Hand des Kreises liegt. „Aber wir müssen eine engere Verzahnung mit den Kommunen hinbekommen und die Feuerwehr und andere Hilfsorganisationen wie THW oder DLRG, DRK stärker einbinden“, betont er.
Weitaus mehr zu bemängeln hat da Fess, der sich mit vielen Besuchen und Gesprächen erst mal ein Bild von der Situation verschafft habe: „Dabei habe ich festgestellt: Ja, wir haben einen Katastrophenschutz, aber dieser muss meines Erachtens deutlich gestärkt werden“, betont er. Der Landrat sei „federführend für die Gewährleistung der Sicherheit im Landkreis“ verantwortlich. Eine Aufgabe, der Fess sich nur zu gern stellen würde. Erfahrungen sammeln konnte er unter anderem als Innendienstleiter bei der Bundeswehr. Hier war er für die Koordination in seiner Einheit zuständig, den Einsatz der Soldaten, die während der Corona-Pandemie zur Unterstützung von Landkreisen, Kommunen, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern abgestellt wurden. „Die ganzen Blaulichtorganisationen machen kommunal einen super Job“, lobt er. „Damit im Falle eines Falles aber auch kreisübergreifend alle Schnittstellen funktionieren, müssen wir üben. Ich sehe das im Moment nicht.“ Starkregen, Brände und Blackouts seien realistische Bedrohungen – auch im Saarpfalz-Kreis. „Wir müssen das jetzt intensiv angehen. Es bringt nichts, für einen sicheren Saarpfalz-Kreis zu stehen, und wenn es dann zu einem Katastrophenfall käme, erst zusammenzusitzen und zu schauen, was jetzt passieren muss“, so Fess. Dazu gehört für ihn auch der Neubau des Katastrophenschutzzentrums in Homburg, der zwar im Haushalt 2024 verankert ist, aber: „Bis wir ein – zumindest räumlich – intaktes Katastrophenschutzzentrum haben, wird es sicherlich 2027, wenn nicht sogar 2028 werden. Dann haben wir noch keine moderne Ausrüstung – die ist teilweise veraltet – und in die Kommunikation muss ebenfalls investiert werden.“ Dazu gehören dann auch funktionierende Sirenen, die, so sieht es SPD-Kandidat John, „über den Kreis“ gedacht werden müssen: „Der Kreis kann sich mit den benachbarten Kreisen abstimmen, damit ein dichteres Netz entsteht, aber sich nicht auf 200 Metern zwei Sirenen gegenseitig übertönen.“
Viele Ideen in vielen Bereichen – doch das will am Ende auch finanziert werden. „Der Kreis hat etwa 99 Prozent Pflichtaufgaben. Der Haushalt liegt so circa bei 267 Millionen Euro. Gerade einmal ein Prozent davon kann der Kreis frei für Projekte und sonstige Geschichten verteilen“, erklärt Fess, und auch John kennt die Problematik nur zu gut: „Der Kreis hat quasi nur eine Finanzierungsstelle: die Kreisumlage.“ Diese ziehe den Kommunen aber immer mehr den Hals zu. „Als ich 2009 in Kirkel angefangen habe, lag die Kreisumlage bei etwa 4,5 Millionen – wir sind jetzt bei 7,8 Millionen. Das macht bei einem Gesamtvolumen des Haushaltes zwischen 16 und 18 Millionen schon einiges aus“, erzählt er. Dies sei fast die gesamte Grund- und Gewerbesteuer. „Ich bin der Meinung, dass wir hier die Finanzierung des Kreises auf andere Beine stellen müssen. Ich habe da selbst noch kein Patentrezept, aber ich mache mir immer wieder Gedanken“, sagt er. Eine Zusammenlegung von Kreisen sehe er aber nicht als Heilsbringer: „Die Aufgaben werden auch nicht weniger, wenn ich Kreise zusammenlege.“ Zudem sehe er das Risiko, den Menschen aus dem Blick zu verlieren: „Je weiter ich weg bin, desto schwerer wird es, an die Menschen heranzukommen.“ Unter Anbetracht dessen, dass der Kreis sensible Bereiche wie das Jugend- und Sozialamt unterhält, ein durchaus nicht zu unterschätzender Punkt.
Am Ende bleibt nur eins sicher: Theophil Gallo wird seinen Schreibtisch 2025 räumen und eine mehr als zehnjährige Ära wird im Saarpfalz-Kreis enden. Nun ist es an anderen anzuknüpfen.