Tausende Seen, hübsche Städte und eine atemberaubende Natur – der Lake District ist ein faszinierender Nationalpark. Vor allem Wanderfreunde finden hier unendliche Möglichkeiten.

Der Lake District im Nordwesten Englands ist das Ergebnis mehrerer Eiszeiten. Die letzte endete vor 15.000 Jahren. Das Eis schuf Täler und hinterließ Seen, die dem Nationalpark seinen Namen gaben. 500 Millionen Jahre geologischer Prozesse haben eine Landschaft von einzigartiger Schönheit geschaffen. Der Park liegt in der Grafschaft Cumbria und wurde 1951 offiziell zum Nationalpark ernannt. Es gibt etwa tausend Seen unterschiedlicher Größe, deren Tiefe bis zu 64 Meter reicht. 2017 bekam der Park den Titel „Weltkulturerbe“.
Wir entscheiden uns für Keswick als Übernachtungsort. Der erste Tagesausflug beginnt mit einer Busfahrt via Windermere nach Ulverston. Auf dem Weg dahin liegt der Fell Foot Park, eine grüne Oase mit See und wilden Tieren. Ulverston ist eine geschäftige Marktgemeinde und hat 11.800 Einwohner.
Weiter geht es per Bahn, zuerst ins Landesinnere und später an die Atlantikküste. Berge, Wiesen, Marschland und hohe Wellen begleiten uns.
Da die Bahntrasse nah am Ufer verläuft, fühlt es sich an, als erreichten die Wellen den Zug. Besonders zwischen Seascale und St. Bees ist die zweistündige Bahnfahrt ein Erlebnis. Der Bus bringt uns am nächsten Tag nach Penrith, eine Kleinstadt mit einem schönen Marktplatz und einer ausgedehnten Fußgängerzone. Weiter geht es über Pooley Bridge (hier lohnt ein Stopp zum Essen), entlang dem Ullswater See zum Kirkstone Pass. Er ist 6,4 Kilometer lang, kurvenreich und 454 Meter hoch.

Eine weitere interessante Route ist die „Rundfahrt“ von und nach Keswick via Buttermere. Die Nebenstraße führt über den Newland Pass, vorbei an den Seen Buttermere und Crummock Water. Vier Berge umgeben den kleinen Ort, alle über 800 Meter hoch.
Die drei größten Orte – Keswick, Windermere und Bowness – sind die touristischen Zentren der Region. Keswick hat eine schöne Fußgängerzone, mit einem vielfältigen Markt, der immer donnerstags stattfindet. Hier werden neben Esswaren auch Kuriositäten und Handwerkskunst angeboten. Eine Besonderheit ist das Derwent Pencil Museum. Es zeigt die Geschichte des Grafits, seine Entdeckung und Nutzung nicht nur für Bleistifte.
Windermere hat wohl die verkehrsreichste Hauptstraße der Region. Das hält die Tagestouristen nicht davon ab, mühsam einen geeigneten Parkplatz zu suchen. In dem hübschen Ortskern, verschönert durch viele an den Häusern hängende Blumengebinde, findet man Boutiquen, Kneipen, Restaurants und einige geschichtsträchtige Häuser. Bekannt wurde der Ort auch in Deutschland durch den im Jahr 2020 gedrehten Fernsehfilm „Die Kinder von Windermere“. Er schildert das Schicksal von 300 jüdischen Kindern, die den Holocaust in Polen überlebten und in England eine neue Heimat fanden.
Bowness, ein Teil von Windermere, liegt direkt am See und bietet Galerien, Kunstmuseen, quirliges Leben und einen gut genutzten Pier mit Yachten und Booten aller Art. Kreischende Möwen vermitteln eine maritime Atmosphäre. In beiden Kleinstädten ist das Restaurantangebot überdurchschnittlich. Hier findet der Gast auch die feinere britische und internationale Küche.
Die Menschen sind herzlich
Zusätzlich erwähnenswert sind Ambleside und Grasmere. Ambleside war im 1. Jahrhundert nach Christus, zur Zeit von Kaiser Hadrian, ein römisches Fort. Das gilt auch für Grasmere, inmitten eines Panoramas von grünen Hügeln und Bergen gelegen. Hier hat die Köchin Sarah Nelson 1854 das „Grasmere Gingerbread“ (Lebkuchen) kreiert. Und das Produkt erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit, wie die Masse der Käufer täglich beweist.

Es ist ein Erlebnis, bei den vielen Fahrten durch den Lake District die atemberaubende Natur zu genießen. Das Wetter kann zwar schnell von Sonnenschein zu Regenschauern wechseln, aber was bleibt, ist eine klare Luft, die gut tut. Die Flora und Fauna der Region ist reichhaltig, einige Arten kommen nur hier vor. Wasserfälle, Bäche, Flüsse und das vielfältige Grün der Berge erinnern an Schottland. In den Tälern und auf den grünen Wiesen mit Tausenden von Schafen wirkt die Landschaft dann wie Irland. Die Herzlichkeit der Menschen ist gute, alte englische Tradition.
Die Briten lieben übrigens das Wandern. Ganze 1.615 ausgewiesene Wanderwege existieren im Park, mit Strecken von 2,5 bis 15,3 Kilometern Länge. Die englische Werbeaussage „You have got the boots – we’ve got the routes“ („Du hast die Wanderschuhe – wir haben die Wanderwege“) ist einladend. Unzählige Parkplätze stehen den sportlich Ambitionierten an den Ausgangspunkten der Wanderungen zur Verfügung. Wer ohne Pkw unterwegs ist, kann sich problemlos dem Linienbus anvertrauen. Der hält an allen Parkplätzen.
Für Radfahrer (konventionell oder mit dem E-Bike) gibt es Verleihfirmen in Windermere und Keswick. 16 Seen plus Küste laden Wassersportler zu zahlreichen Aktivitäten ein. Boote aller Art (mit und ohne Motor) können am Windermere-See angemietet werden. Ein Besuch im Seengebiet ohne Bootsfahrt ist möglich, aber nicht vorstellbar. Das umfangreichste Angebot besteht am Lake Windermere, der auch der größte der Seen ist. Die Schiffe verkehren zwischen Ambleside Pier über Bowness nach Lakeside. Teilstreckennutzung ist möglich.
Viele Möglichkeiten zur Übernachtung
Im Juni 1891 begann hier die Schifffahrt. Heute hat die Reederei drei verschiedene Schiffstypen. Am Ältesten ist die „MY Tern“, die seit 133 Jahren im Einsatz ist. Nach Ankunft in Lakeside geht es mit Volldampf auf Schienen weiter nach Haverthwaite. Die Bahn ist in Privatbesitz und wurde 1973 gegründet. Viel Holz, Plüsch und Nostalgie machen die 18-minütige Fahrt durch herrliche Mischwälder zum Erlebnis. Kinder unter fünf Jahren und „Hunde, die sich benehmen“ reisen kostenlos. Weitere Angebote bestehen auf dem Ullswater Lake und dem Deventwater Lake bei Keswick. Eine Besonderheit bietet die Reederei auf dem Ullswater Lake an: In den Sommermonaten Juli und August ist eine „Fish and Chip Supper Cruise“ im Angebot. Für diese Fahrt wird die „MY Lady“ genutzt, Baujahr 1877.
Die Übernachtungsmöglichkeiten im Park sind vielfältig. Kettenhotels gibt es nicht, größere Hotels sind vorhanden, aber nicht dominant. Die Entscheidung für ein „Bed and Breakfast“-Angebot oder ein kleineres Hotel fällt oft schwer. Viele der kleinen Hotels sind in historischen Häusern installiert, die allerdings oft in die Jahre gekommen sind. Die technischen Einrichtungen im Bad oder die fehlende Mischbatterie beim Wasser für das Handwaschbecken können zu Irritationen führen. Der Vorteil in einem Haus mit Lizenz zum Alkohol-Ausschank: Der abendliche Drink findet ohne einen langen Heimweg statt.

Die englischen Pubs waren jahrhundertelang der Inbegriff einer Kneipenkultur für alle Schichten der Bevölkerung. Die hat sich, dem Zeitgeist entsprechend, gewandelt. Wo es früher nur Trinkbares gab (mit kleinem Sandwich-Angebot), werden heute richtige Mahlzeiten angeboten. Die beliebten Dreierreihen an der Theke gibt es nicht mehr und somit auch keine Gespräche mit anderen Gästen. Man bestellt, zahlt, nimmt sein Getränk und sucht sich einen freien Tisch. Das bestellte Essen bringt ein freundlicher Mitarbeiter.
Dass die Inselbewohner schon immer eine hohe Affinität zu Hunden hatten, ist bekannt. Mittlerweile scheint es, dass die ganze Nation auf den Hund gekommen ist. Und das ist nicht politisch gemeint. So viele Hunde haben wir bisher auf keiner Reise gesehen. „Dogs welcome“ (Hunde willkommen) heißt es an fast allen Türen der Restaurants und Bars. Wir konnten uns davon überzeugen, dass Frauchen und/oder Herrchen genauso willkommen sind. Einer muss ja schließlich die Rechnung zahlen.