Bei Union Berlin läuft’s. Sportlich liegt der Bundesligist aktuell über dem Soll, und auch beim Stadion-Umbau geht es nun in die Vollen. Das Geld für die ambitionierten Projekte soll auch von den Fans kommen.
Demut bleibt weiterhin eines der obersten Prämissen der Clubführung des 1. FC Union Berlin. Nach der vergangenen katastrophalen Saison mit dem Beinahe-Abstieg sowieso. Doch sich kleiner zu machen als man wirklich ist, das kommt für Präsident Dirk Zingler auch nicht infrage. „Wir haben gelernt, dass wir Spaß daran haben, internationale Spiele zu bestreiten“, sagte Zingler vor der aktuellen Spielzeit angesprochen auf die sportlichen Ziele: „Wir sind ambitioniert und ehrgeizig. Das treibt uns an.“ Nicht nur auf dem Rasen. Im gesamten Verein soll der professionelle Leistungsgedanke, das Streben nach Höherem, noch mehr Einzug halten. „Wir wollen einfach in allen Bereichen des Clubs gut sein“, sagte der Vereinsboss: „Und wenn wir das sind, dann werden die Ergebnisse automatisch stimmen.“
„Wir sind ambitioniert und ehrgeizig“
Sportlich ist Union wieder auf einem richtig guten Weg. Das jüngste 2:0 bei Aufsteiger Holstein Kiel war bereits der vierte Sieg im siebten Ligaspiel. Fast unbemerkt haben sich die Eisernen einen Spitzenplatz in der Bundesliga erarbeitet, der Tabellenfünfte hat genauso viele Punkte auf dem Konto wie Meister Bayer Leverkusen (14). Prunkstück ist die Abwehr mit nur vier Gegentoren, nur RB Leipzig (2) verteidigt noch besser. Dazu passen auch die Automatismen in der Offensive immer mehr. Der Aufschwung ist für Club-Ikone Torsten Mattuschka eng mit einem Namen verbunden: „Mit Bo Svensson ist nun ein Trainer da, der sehr empathisch ist, die Jungs abholt und wieder den Union-Fußball spielt.“
Im Heimspiel am Sonntag (27. Oktober) gegen Eintracht Frankfurt soll die Erfolgsserie fortgesetzt werden. Die Hessen sind ebenfalls gut in die Saison gestartet, kassierten im letzten Auswärtsspiel in Leverkusen aber eine unglückliche 1:2-Niederlage. Vor allem auf Torjäger Omar Marmoush müssen die Eisernen aufpassen, der Stürmer traf in sechs aufeinanderfolgenden Spielen. Das war bei der Eintracht zuvor nur Anthony Yeboah (1993) und Bernd Hölzenbein (1977) gelungen. Drei Tage nach dem Frankfurt-Spiel steht für Union die Zweitrunden-Aufgabe im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld an. Im Duell mit dem Drittligisten sind die Eisernen klarer Favorit, doch die Stimmung im Flutlichtspiel auf der Alm dürfte brisant und der Außenseiter heiß auf eine große Überraschung sein. Eine solche peilt Union selbst im darauffolgenden Ligaspiel an, wenn das Team zum großen FC Bayern München reist.
Doch auch abseits des Rasens schreitet die Weiterentwicklung des Clubs aus Berlin-Köpenick voran. Bei der jüngsten Mitgliederversammlung brachten Zingler und seine Präsidiumskollegen die Mitglieder in Sachen Ausbau des Stadions und der Infrastruktur auf den neuesten Stand. Viele der Anwesenden staunten nicht schlecht ob der ambitionierten Ziele und der Ausmaße der Projekte. Vor allem beim zehnminütigen Video mit dem virtuellen Stadion-Rundgang machten die Mitglieder große Augen. Die Planungen für das neue Stadion An der Alten Försterei, die alleine mehrere Millionen Euro verschlungen haben, sind beendet. Nun geht es an die Umsetzung. Nach der kompletten Fertigstellung soll Unions Heimstätte nun nicht mehr wie ursprünglich geplant Platz für 37.000 Zuschauer bieten, sondern für 40.500. Davon sollen 32.500 Stehplätze und nur 8.000 Sitzplätze sein. In anderen Arenen ist das Verhältnis umgekehrt, weil Sitzplätze in der Regel teurer sind und entsprechend höhere Einnahmen garantieren. Doch Union setzt hier ganz bewusst einen Gegensatz.
Aber auch ein Verein wie Union ist nicht losgelöst vom Kommerz. Die Haupttribüne erhält eine weitere VIP-Tribüne, eine andere wird auf der Gegengeraden hochgezogen. Auch die Medienplätze bekommen eine signifikante Aufwertung. Bis Ende 2027 soll das Stadion fertig gebaut sein, also zehn Jahre nach dem offiziellen Planungsstart. Für die Saison 2026/27 brauchen die Unioner aufgrund der größeren Baumaßnahmen eine neue sportliche Heimat, angestrebt ist ein Umzug ins Olympiastadion. Dort hat der Verein mit Europacup-Auftritten gute Erfahrungen gemacht, auch wenn in der riesigen Betonschüssel eigentlich Stadtrivale Hertha BSC seine Heimspiele austrägt.
„Alte-Försterei-Aktie“ soll Umbau finanzieren
Finanziert wird das ehrgeizige Projekt einmal mehr auch von den Fans. Über eine neue „Alte-Försterei-Aktie“ können Anhänger, Förderer und Sponsoren den Umbau ab Dezember finanziell aktiv mitgestalten. Im Gegenzug für 500 Euro pro Anteil (maximal zehn Aktien pro Person sind erlaubt) erhält man einen Eintrag ins Aktienregister Anteilseigner der „An der Alten Försterei“ Stadionbetriebs AG und das gute Gefühl, mitgeholfen zu haben. Eine Dividende wird nicht ausgezahlt. „Mit dem Besitz dieser Aktie sind das Recht und die Verantwortung begründet, am Erhalt und an der Entwicklung des Stadions An der Alten Försterei nach Maßgabe von Gesetz und Satzung mitzuwirken“, steht auf Unions Webseite zu dem Thema.
Um auf diese Aktion aufmerksam zu machen, laufen sowohl die Profi-Männer als auch die -Frauen bis Jahresende mit der Werbeschrift „proAF Alte Försterei“ auf. Intern hofft man auf den Verkauf von 120.000 Aktien, in dem Fall würden 60 Millionen Euro zusammenkommen. Alternativ hätte man sich auch auf die Suche nach Großinvestoren machen können, doch das sei nicht Union-like, meinte Zingler: „Die Alte Försterei liegt uns sehr am Herzen und wir wollen das Stadion in den Besitz der Vereinsmitglieder legen. Es geht dabei um eine emotionale Verbindung.“ Neu ist diese Art der Finanzierung für den Club nicht, bereits 2011 wurden Stadion-Aktien an die eigenen Anhänger verkauft. Damals zu Zweitligazeiten hatten sich aber „nur“ 5.473 Menschen dazu entschlossen. Diesmal sollen und müssen es schon ein paar mehr sein.
Denn beim Stadion-Umbau bleibt es nicht. Union will auch in andere Infrastruktur-Projekte investieren, um mittel- und langfristig erfolgreich zu sein. Das neue Trainingszentrum liegt Zingler besonders am Herzen, hier sollen künftig die Profimannschaften der Männer und Frauen bestens betreut werden. Die Trainingsplätze, Fitness-, Essens- und Physiotherapieräume – alles wird generalüberholt oder komplett neu gebaut. Der erste von zwei neuen Rasenplätzen ist bereits fertig. Dazu kommt eine neue Parkgarage, die auf dem Dach sogar einen weiteren Trainingsplatz bieten soll. „Wir sind ehrgeizig und wollen weiter investieren“, sagte Präsident Zingler. Andernfalls gefährde man die Zukunft des Clubs: „Wir bauen für die nächste Generation.“
Aktuell steht Union wirtschaftlich auf gesunden Füßen. Im Vergleich zur Saison 2022/23 steigerte der Verein seinen Umsatz um etwa acht Millionen Euro auf 186,4 Millionen Euro. Es bedeutete einen Rekord für die Eisernen. Der Gewinn beziffert sich auf eine Million Euro. Aufgrund der ersten Champions-League-Saison in der Clubgeschichte hob man auch den Personaletat um 2,5 Millionen Euro an. Dieser sank in der laufenden Saison aber wieder um knapp zwölf Millionen Euro. Die Einnahmen aus der Königsklasse gab Union mit 45 Millionen Euro an. Dass es für Union nicht immer nur aufwärts gehen würde und Misserfolge wie in der Bundesliga-Vorsaison immer möglich sind, ist allen im Club bewusst. „Es war klar, dass es nach den Jahren des Erfolges auch irgendwann einen Schritt zurück geben wird“, sagte Zingler.