Bekleidung weist nach wie vor eine schwache Recyclingquote auf. Das liegt nicht zuletzt an der häufigen Verwendung von Mischgewebe, dem Kunststoffe beigemischt sind. Eine Entwicklung aus dem Labor soll jetzt diese schwierigen Stoffe fressen.
Der Hauptbestandteil von Fast Fashion ist Polyester. Es macht fast 60 Prozent aus. Deshalb tummeln sich auf den Mülldeponien überall auf der Welt so viele Kleider, Hosen und Shirts, die zum großen Teil aus Kunststofffasern gefertigt wurden. Das meiste davon wird verbrannt. Lediglich ein Prozent schafft es schätzungsweise weltweit ins Recycling. Die Statistik vom Europäischen Parlament ist niederschmetternd: Der Pro-Kopf-Verbrauch an Kleidung ist seit dem Jahr 1996 um satte 40 Prozent angestiegen. Gleichzeitig sind die Preise gesunken. Das führt dazu, dass die Lebensdauer der vermeintlichen Lieblingsstücke im Kleiderschrank abnimmt. Immer mehr wird aussortiert und durch wieder neue Fast-Fashion-Artikel ersetzt. Europaweit kommt so ein Verbrauch von 26 Kilogramm pro Jahr und Kopf zusammen, elf Kilo davon landen direkt auf den Deponien. Theoretisch ließe sich ein großer Teil der Altkleider exportieren, das passiert aber kaum. Recycelt wird ebenso selten, allerdings nicht aus bösem Willen heraus. Es fehlen schlichtweg effiziente Technologien, um aus ölbasierten Textilien zum Beispiel Teppiche oder ähnliche Produkte zu machen. Noch kostet der Vorgang viel Energie zu viel, um als klimafreundlich zu gelten. Trotzdem gehen Experten nicht davon aus, dass künftig weniger Polyester Verwendung finden. Doch was genau ist das eigentlich? Dabei handelt es sich um einen sogenannten Konsumkunststoff. Dieser besteht aus Polyethylenterephthalat (kurz PET). Das lässt sich nur schlecht recyceln und gilt deshalb als Hauptverursacher für Umweltschäden. Das wissen zwar auch die Modeproduzenten, dennoch bleibt die Nachfrage nach Polyester hoch, denn die Fasern haben viele Vorteile. Sie sind leicht und günstig herzustellen, sehr widerstandsfähig und dehnbar. Außerdem können Polyesterfasern mit anderen Stoffen einfach gemischt werden. Entwickelt wurden sie in den 30er-Jahren in England und zwar aus der Polymerisation von Styrol, einem Kohlenwasserstoff. Zunächst unter dem Namen Terylen 1941 auf den Markt gebracht, gibt Polyester heute den Ton an bei der Entwicklung immer neuer Technologien zur Herstellung moderner Kleidungsstücke. Die Polyester-Mikrofaser scheint nahezu überall zu sein.
26 Kilogramm Kleidung pro Kopf
Eine Forschergruppe an der englischen Universität Portsmouth will gezielt etwas gegen die Kunstfaser tun und nimmt sich dabei ein bestimmtes Enzym zu Hilfe. Wie es funktioniert, erklärt der Direktor des Zentrums für Enzyme Innovation Global Plastic Policy Centre, kurz GPPC, Andy Pickford: „Unsere Forschung wird die Machbarkeit des Einsatzes von Enzymen zur Zerlegung von PET in Alttextilien in eine ‚Suppe‘ aus einfachen Bausteinen für die Rückverwandlung in neue Polyester ermitteln und so die Notwendigkeit der Herstellung von neuem PET aus Chemikalien auf der Basis fossiler Brennstoffe verringern. Dies wird eine Kreislaufwirtschaft für Polyestertextilien ermöglichen und letztlich unsere Abhängigkeit von der Entnahme von Öl und Gas aus dem Boden verringern.“ Das Ziel ist es, endgültig den Kreislauf des Recyclings zu schließen. Dazu brauche es allerdings nicht nur die passende Technologie, sondern auch den nötigen Willen, gibt der Professor zu bedenken. Einen Grund für die Entwicklung des Enzyms bildeten die Ergebnisse der fünften Umweltversammlung im Jahr 2022 in Nairobi. Hier wurde eine Resolution auf den Weg gebracht, deren Ziel es ist, die Verschmutzung unseres Planeten durch Plastik endgültig zu beenden. Verhandelt haben darüber 200 UN-Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Da die Details des Umweltvertrags allerdings sehr umfangreich sind, stehen weitere Gespräche an, die voraussichtlich bis Ende nächsten Jahres andauern werden. Als Direkter des Global Plastics Policy Centers der Universität Portsmouth betrachtete es Prof. Steve Fletcher schon früh als seine Pflicht, gezielte Handwerkszeuge zur Bekämpfung des Plastikmülls zur Verfügung zu stellen: „Wir erkannten, dass es einen echten Bedarf an einer zentralen Ressource gab, um den Menschen zu helfen, über den Kunststoffvertragsprozess auf dem Laufenden zu bleiben.
„Echte Veränderung herbeiführen“
Als führende Institution im Bereich der kunststoffpolitischen Forschung fühlten wir, dass es in unserer Verantwortung lag, eine unabhängige Plattform zu schaffen, die dazu beitragen würde, ein größeres Verständnis und Engagement in dieser kritischen Frage zu fördern. Dem pflichtet auch die Forschungsleiterin Antaya March bei und bezeichnet den Umweltvertrag als „eine einmalige Gelegenheit, echte Veränderungen herbeizuführen.“ Der Lohn dieser wertvollen Arbeit gebührt aber nicht der englischen Universität allein. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit unterschiedlicher Labore, unter anderen in Japan und der University of Texas in Austin. In einem japanischen Recyclingzentrum entdeckten Forscher zuerst ein natürliches Bakterium, welches sich dort mithilfe eines Enzyms durch das Plastik fraß. Dieses heißt „PETase“. Es wurde in einem Labor in Portsmouth extrahiert und durch einen Synchrotronstrahlungsring in Oxford untersucht. Dadurch hofften die Wissenschaftler herauszufinden, wie es arbeitet. Der Ring sendet Röntgenstrahlung, die zehn Milliarden mal so hell ist wie die Sonne. Dadurch werden die einzelnen Atome des neuen Enzyms sichtbar. Und noch etwas passierte eher zufällig: Ein neues „mutiertes“ Enzym entstand im Zuge der weiteren Forschung, das deutlich schneller in der Lage war, Kunststoff zu zersetzen als „PETase“. Es hört auf den Namen „Fast-PETase“ und kann binnen weniger Stunden bis Tage Plastik zerfressen. Ein Prozess, der sonst Jahre bis Jahrzehnte dauern würde. Den Zersetzungsprozess nennen Wissenschaftler Depolymerisation. Anschließend folgt eine chemische Zusammensetzung, die sogenannte Repolymerisation. Aus den so entstandenen Monomeren, zerlegten Bestandteilen, lässt sich dann neuer Kunststoff herstellen. Davon könnten in Zukunft viele Industrien profitieren. Doch die nachhaltige Recyclinglösung ist bislang nicht in großem Umfang möglich. Bis selbst Fast Fashion grün werden kann, dauert es noch ein bisschen.