Die BR Volleys rauschen bislang ungeschlagen durch die Saison. Ein Garant dafür ist ein Neuzugang aus den USA, der viel Körperlichkeit mitbringt.
Die Umstellung von rauschenden Champions-League-Abenden auf den Bundesliga-Alltag ist eine Herausforderung – auch für die BR Volleys. Nicht so sehr sportlich, denn der Kader des deutschen Rekordmeisters ist denen der Konkurrenten auch in dieser Saison qualitativ weit überlegen. Aber mental ist der Schritt nicht immer einfach, zumal der haushohe Titelfavorit in eigentlich allen Liga-Duellen nur verlieren kann. So auch in der Partie gegen den TSV Haching München vier Tage nach dem 3:1-Auftaktsieg in der Königsklasse gegen den slowenischen Spitzenclub ACH Volley Ljubljana. Der Vorbericht auf der vereinseigenen Internetseite trug daher auch den Titel: „Das täglich Bundesliga-Brot“. Die Leistung beim klaren 3:0 gegen die Bayern war jedoch alles andere als Graubrot, sondern eine Demonstration der physischen und psychischen Stärke sowie des schier unbändigen Siegeshungers.
„Das tägliche Bundesliga-Brot“
Die Berliner dominierten so sehr, dass Trainer Joel Banks sogar alle 14 Spieler zum Einsatz kommen ließ, ohne dass ein Leistungsabfall spürbar gewesen ist. „Heute konnten sich alle gemeinsam belohnen. Trotz aller Wechsel haben wir als Team das Level und den Fokus hochgehalten“, sagte der Coach: „Dafür einen Applaus an die gesamte Mannschaft.“ Als geschlossene Einheit traten die Berliner auch danach auf – und zogen ins Pokal-Halbfinale ein. Das 3:1 zu Hause gegen die SVG Lüneburg, immerhin Tabellenzweiter der Bundesliga, war ein intensiver Schlagabtausch, bei dem sich am Ende die Klasse des Favoriten durchsetzte. Im Auswärtsspiel am Freitag (29. November, 19 Uhr) in der Act-Now-Halle beim FT Freiburg wollen die weiter ungeschlagenen Berliner ihre Erfolgsserie auch in der Bundesliga fortsetzen.
Gelungen ist der Saisonstart für die BR Volleys auch in der Champions League. Auf ein 3:1 zum Auftakt gegen den slowenischen Top-Club aus Ljubljana folgte ein zweiter Sieg in Belgien: Mit 3:0 behielt der deutsche Vorzeigeverein gegen Greenyard Maaseik die Oberhand und übernahm vorübergehend die Tabellenführung in ihrer Vorrundengruppe. Beim Wiedersehen mit Cody Kessel, der jahrelang für Berlin auf Punktejagd gegangen war und seit Sommer bei Greenyard unter Vertrag steht, überzeugte der Deutsche Meister mit starken Quoten bei der Annahme und im Angriff.
Für Berlins Coach Joel Banks war es „ein sehr spezielles Spiel“, wie er selbst sagte. Schließlich war der Niederländer früher fünf Jahre für den Gegner tätig gewesen. „Ich hatte schöne Jahre in Maaseik und verbinde viele denkwürdige Momente mit dem Verein“, sagte Banks: „Als ich meine Trainerkarriere begann, war es mein Ziel, diesen Club zu trainieren. Deshalb hat Maaseik immer einen besonderen Platz in meinem Herzen. Jetzt bin ich aber sehr glücklich in Berlin zu sein.“ Vor allem jetzt, wo es nahezu problemlos läuft. Deshalb war auch ein privater Abstecher in seine Heimat fest eingeplant. „Bei einer halben Stunde Fahrzeit bis zu meinem Haus habe ich keine Ausrede“, sagte Banks. Seine Frau und Kinder waren zwar auch beim Spiel, „doch ich werde es schaffen, sie in dem kleinen Zeitfenster zu besuchen“.
Mit Abstand bester Scorer mit 27 Punkten war im Königsklassen-Auftritt gegen Greenyard Maaseik einmal mehr Jake Hanes. Der US-Amerikaner ist ohne Zweifel ein wichtiger Grund für die bislang herausragende Saison der Berliner. Der 2,12 Meter große Diagonalspieler sei auf dem Parkett eine „Urgewalt“, schwärmte Geschäftsführer Kaweeh Niroomand und erklärte, Hanes strotze nur so „vor Kraft, Ehrgeiz und Siegeswillen“. Doch der US-Amerikaner agiere nicht nur mit Kraft, sondern sei darüber hinaus auch noch „unglaublich beweglich“. Der Neuzugang, der im vergangenen Sommer vom polnischen PlusLiga-Club Cuprum Lubin gekommen war, setze neue Maßstäbe, meinte Niroomand: „Selten war bei uns ein Diagonalspieler auch in der Abwehr so stark.“
Hanes investiert große Mühen, um sein Fitnesslevel hochzuhalten. „Ich versuche immer, meine Explosivität und Geschwindigkeit zu steigern. Meine Größe hilft mir in vielen Bereichen, stellt mich jedoch auch vor Aufgaben. Deshalb investiere ich viel Zeit im Kraftraum, um schneller zu werden.“ Seine Größe sei in gewissen Situationen sicher ein Vorteil, „stellt mich jedoch auch vor Aufgaben“, sagte der 26-Jährige. „Ich versuche immer, meine Explosivität und Geschwindigkeit zu steigern.“ Mit einer derart beeindruckenden physischen Präsenz war früher nicht wirklich zu rechnen. „Ein gegnerisches Team hat mich mal ‚Nudel‘ genannt, so dürr war ich“, verriet Hanes: „Erst als ich zum College gekommen bin, habe ich mehr Fokus darauf gelegt, kräftiger zu werden.“ Das zahlt sich nun aus.
„Keine einfache Aufgabe“
Der Mann mit der sagenhaften Armspannweite von 2,23 Metern hat bereits enormes Potenzial bewiesen. „Jake hat ordentlich Kraft im Arm. Das sieht man im Aufschlag und Angriff“, sagte Coach Banks: „Dazu ist er ein echter Wettkämpfer, der trotz seiner Größe auch in der Abwehr keinen Ball verloren gibt.“ Hanes’ erste Monate im Volleys-Dress machen den schmerzhaften Abgang des tschechischen Top-Stars Marek Sotola, der inzwischen in der Türkei auf Punktejagd geht, fast vergessen. Das sei „keine einfache Aufgabe“ gewesen, sagte Niroomand, „aber inzwischen kann jeder sehen, welches Potenzial Jake hat“. Er selbst war sich schon bei der Verpflichtung sicher gewesen, dass Hanes in Sotolas große Fußstapfen treten kann. „Wir haben nun mit Jake einen Spieler gefunden, der sich momentan in einem ähnlichen Entwicklungsstadium befindet wie Marek, als er zu uns nach Berlin kam“, sagte Niroomand nach der Verpflichtung im Sommer: „Jake steht noch immer am Anfang einer hoffentlich großen Karriere. Wir sind glücklich, ihn bekommen zu haben.“ Jetzt, wo Hanes in der Offensive und Defensive so auftrumpft, umso mehr. Zum Glück für Berlin stattete Niroomand den Amerikaner mit einem Zweijahresvertrag aus, ansonsten würden wohl europäische Top-Clubs schon jetzt intensiv um Hanes buhlen.
Doch wirklich weg zieht es Hanes nicht, er fühlt sich in Berlin sportlich sehr gut aufgehoben. Hier kann der US-Nationalspieler den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gehen. „Wenn du das BR-Volleys-Trikot überstreifst, ist die Erwartung klar. Es ist einfach eine andere Mentalität hier als bei meinen Stationen davor“, sagte der Diagonalangreifer, der zuvor auch in Frankreich und Polen aktiv war. „Ich wollte nach Berlin wegen der Tradition des Gewinnens und wegen der starken Kultur, die der Club hat.“ Und genau deshalb passt Hanes so gut zum Verein, meinte Coach Bank: „Er investiert 100 Prozent für den Erfolg seines Teams.“
Beim Einleben hat sicherlich geholfen, dass Hanes in Matthew Knigge und Kyle Dagostino gleich zwei Landsmänner im Team hat. „Es gibt eine enge Verbindung zu Kyle und Jake“, sagte Knigge: „Es ist immer schön, Spieler aus dem eigenen Land im Verein zu treffen. Das gibt einem ein kleines Stück Heimat.“ Das US-Trio stellt mit den vier Olympia-Fahrern Hannes Tille, Tobias Krick, Ruben Schott und Moritz Reichert eine deutsch-amerikanische Achse, die sich auch im europäischen Top-Vergleich nicht verstecken muss.