Der 1. FC Saarbrücken schlägt die Bayern und zieht ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein. Vor ein paar Jahren ging es sogar bis ins Halbfinale. FORUM blickt zurück auf die legendäre Reise im Pokal.
Die Fans des 1. FC Saarbrücken sind in den letzten Jahren grundsätzlich verwöhnt worden, wenn es für den FCS in den DFB-Pokal ging. Der Sieg gegen Bayern überstrahlt derzeit alles, ein Blick in die jüngere Vergangenheit lohnt sich dennoch. Denn einen unfassbaren Weg hat der 1. FC Saarbrücken auch in der Saison 2019/20 zurückgelegt.
Der Start
In der ersten Pokalrunde gastierte der damalige Zweitligist Jahn Regensburg in Völklingen – der Ludwigspark war zu diesem Zeitpunkt noch weit von der Fertigstellung entfernt. Beim damaligen Regionalligisten 1. FC Saarbrücken unterlag der damalige Zweitligist am Ende nach einem Last-Minute-Gegentreffer mit 2:3. Nach einer ausgeglichenen ersten Hälfte ging es dann in der zweiten Halbzeit Schlag auf Schlag. Nach der Pause stand der Jahn viel zu offen und machte es Gillian Jurcher einfach, die Führung für Saarbrücken zu erzielen. Nach einem Pass aus dem Mittelfeld umkurvte er Jahn-Keeper Alexander Meyer und schob ins leere Tor ein. Regensburg brauchte in der Folge einen Elfmeter zum Ausgleich – und ging dann sogar in Führung. Dann ging das Spektakel los: In der 75. Minute sah Max Besuschkow die Gelb-Rote Karte, sodass die Saarbrücker Mannschaft wie entfesselt aufspielen konnte. Gleich mit der nächsten Aktion gelang dem FCS der Ausgleich durch Manuel Zeitz, der im Strafraum völlig frei zum Abschluss kam. Saarbrücken hatte jedoch nicht genug. Denn in der dritten Minute der Nachspielzeit jubelte das ganze Saarland: Jurcher erzielte das 3:2 und besiegelte damit das Weiterkommen und die erste Überraschung im damaligen DFB-Pokal. In diesem Spiel wurde schon klar: Das „halbe Stadion“ in Völklingen war keine Belastung, sondern ein Trumpf in diesem Wettbewerb. Das sollte in der nächsten Runde auch der 1. FC Köln erfahren.
Das Duell gegen Köln
Besondere Vorzeichen gab es durch die besondere Konstellation: Dirk Lottner, eine Legende beim 1. FC Köln, spielte als Trainer gegen seine große Liebe. Christopher Schorch, ebenfalls ehemaliger Kölner, stand beim FCS in der Startelf. Zum damaligen Zeitpunkt gastierte eine völlig verunsicherte Kölner Mannschaft im Völklinger Stadion und musste auch lernen, dass in dieser ungewohnten Atmosphäre nichts zu holen ist. Nach einer eher ruhigen ersten Halbzeit waren es Schorch und Gillian Jurcher, die für die 2:0-Führung sorgten. Nationalspieler Jonas Hector, dem gebürtigen Saarländer, gelang nach 70 Minuten der Anschlusstreffer. Danach erhöhte der FC den Druck und schaffte durch Simon Terodde in der 84. Minute doch noch den Ausgleich. Als alle mit einer Verlängerung rechneten, traf Tobias Jänicke in der Schlussminute zum vielumjubelten 3:2. Nach dem Schlusspfiff mussten die blamierten Kölner auch noch diese Demütigung ertragen: „Viva Colonia“ ertönte aus den Stadionlautsprechern und die Spieler des 1. FC Saarbrücken tanzten im Takt. Deren Trainer Dirk Lottner ging mit einem Lächeln vom Rasen. Mit dem Spitzenreiter der Regionalliga Südwest hatte er gerade seinen Herzensverein aus dem DFB-Pokal geworfen. „Das war Pokal-like. Wir genießen das und freuen uns auf den nächsten Gegner“, sagte Matchwinner Jänicke damals.
Die erste Batz-Show
Im Achtelfinale war damals der Karlsruher SC in Völklingen zu Gast. Aufseiten des FCS gab es zuvor einen Trainerwechsel: Lukas Kwasniok übernahm für den in der Liga glücklosen Dirk Lottner – und feierte im DFB-Pokal einen mehr als ordentlichen Einstand. Bei eisigen Temperaturen und einem fast gefrorenen Platz in Völklingen war es ein Spiel eher überschaubarer Qualität. Jeweils zu Beginn der beiden Hälften gab es Chancen, danach ebbte das Spiel deutlich ab – auch dem Rasen geschuldet, der in Völklingen ohne Rasenheizung auskommen musste. Es musste das Elfmeterschießen entscheiden. Nachdem sich alle Schützen sicher präsentierten, legte sich KSC-Kapitän Pisot den Ball als vierter Badener auf den Punkt. Der Innenverteidiger scheiterte mit einem Flachschuss in die rechte untere Ecke an Batz. Da sowohl Miotke als auch der Karlsruher Wanitzek trafen, lag es an Schorch, den entscheidenden Elfmeter zu verwandeln. Der Ex-Kölner blieb eiskalt und sorgte mit seinem Treffer für das Weiterkommen und die Gewissheit, im Viertelfinale unter sieben Bundesligisten als Regionalligist der Exot zu sein. Es sollte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was die Fans des 1. FC Saarbrücken in der nächsten Runde erwartete.
Batz – die Legende
Es war ein Tag für die Geschichtsbücher: Der 1. FC Saarbrücken schrieb DFB-Pokal-Geschichte und erreichte als erster Fußball-Viertligist das Halbfinale des 1935 gegründeten Wettbewerbs. Das gesamte Spiel folgte einem verrückten Drehbuch: Die Mannschaft von Trainer Lukas Kwasniok ließ sich auch vom verletzungsbedingten Ausfall von Innenverteidiger Boné Uaferro nach einer guten Viertelstunde nicht beirren. Im Gegenteil: Nach einer guten halben Stunde kannten die FCS-Fans auf den Rängen kaum ein Halten mehr, als Jänicke zum 1:0 traf. Ein Konter wie aus dem Lehrbuch. Auch nach der Pause änderte sich an den Spielanteilen wenig, Düsseldorf war deutlich mehr im Ballbesitz, scheiterte aber immer wieder mit seinen Chancen. Der vergebene Elfmeter schien sinnbildlich. Aber dann: Bei einer Ecke rückte Fortuna-Keeper Florian Kastenmeier mit in den Strafraum und legte per Kopfball Zanka auf. Es war der 30. Torversuch der Düsseldorfer. Im Stadion wurde es sofort ruhig. Zuschauer und Spieler erholten sich aber schnell, die ersten Chancen in der Verlängerung hatten die Saarbrücker. Die Entscheidung fiel aber erst im Elfmeterschießen. Jenes Elfmeterschießen war nichts für schwache Nerven. Insgesamt 20 Versuche brauchten die Mannschaften, ehe ein Sieger feststand. Torwart Batz wehrte die Schüsse von Kenan Karaman, Kevin Stöger, Matthias Zimmermann und Zanka ab. Auch Düsseldorfs Florian Kastenmeier parierte zwei Elfmeter, zudem verfehlte Saarbrückens Stephan Andrist das Tor. Es war also nicht die übliche Geschichte eines Torhüters, der einen oder zwei Strafstöße parierte – Batz parierte fünf und stieg damit endgültig in die Geschichtsbücher des FCS und sogar in die des deutschen Fußballs auf. „Das ist absolut surreal“, jubelte der Schlussmann damals: „Wenn mein Finger nicht so wehtun würde, würde ich sagen, ich lebe in einer Traumwelt. Da fehlen einem langsam die Superlative.“ Auf die Frage des Sky-Reporters, ob dies das größte Spiel seiner Karriere gewesen sei, antwortete Batz: „Ich glaube, das kann man so sagen. Ich habe einfach versucht, alles, was aufs Tor kommt, zu halten. Das ist mir anscheinend ganz gut gelungen. Wir haben 120 Minuten unser Herz auf dem Platz gelassen.“ Es war einer dieser Abende, an dem jeder im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion wusste, dass Geschichte geschrieben wurde. Und es sollte der letzte Abend vor dieser Kulisse gewesen sein. Im Halbfinale war dann klar, welchen Einfluss das Stadion und die Fans auf dieser Pokalreise hatten.
Das Ende
Bitterer hätte es nicht sein können: Corona, keine Zuschauer, ein tristes, leeres Völklinger Stadion und ein Spiel, das ungünstiger nicht hätte laufen können: Das Halbfinale im DFB-Pokal wurde nach wochenlanger Pandemie-Pause mit 0:3 hochverdient gegen Bayer Leverkusen verloren. Nach 20 Minuten stand es bereits 0:2, nach einer Stunde 0:3 – was gleichzeitig auch der Endstand der Partie war.
Und 2023?
Dass der 1. FC Saarbrücken den FC Bayern aus dem Pokal geworfen hat, ist in den heutigen Zeiten nichts anderes als eine Riesen-Sensation. Nun kommt Eintracht Frankfurt ins Saarland. Wer die Bayern schlägt, kann jeden schlagen – oder? Sicher ist, auch gegen die Frankfurter, die mit unfassbarer Fan-Unterstützung anreisen werden, wird ein großes Wunder benötigt. Aber gerade der 1. FC Saarbrücken hat gezeigt: Wunder gibt es immer wieder.