Die CDU zieht eine ernüchternde Bilanz der ersten Hälfte der Legislaturperiode der SPD-Alleinregierung. Stephan Toscani, CDU-Landeschef und Oppositionsführer, fordert einen grundlegenden Richtungswechsel – von der Wirtschafts- bis zur Bildungspolitik.
Herr Toscani, Sie haben kürzlich im Landtag der Landesregierung vorgeworfen, keinen Plan zu haben. Woran machen Sie Ihre Kritik fest?
Zentraler Kritikpunkt ist, dass die SPD-Alleinregierung bei den großen, entscheidenden Fragen für das Land keine Antworten hat. Man gewinnt immer mehr den Eindruck: Die wollen gar nicht entscheiden, sondern schieben wichtige Entscheidungen hinter die nächste Landtagswahl. Doch eine Regierung ist dafür da, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, auch unter schwierigen Bedingungen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass eine Regierung gerade bei den schwierigen, strukturellen Weichenstellungen für unser Land Antworten liefert. In den letzten zweieinhalb Jahren ist bei vielen Saarländerinnen und Saarländern ein Grundgefühl entstanden: Das Saarland fällt zurück und entwickelt sich in die falsche Richtung. Beispiel Wirtschaft: Seit Regierungsübernahme durch die SPD jagt eine schlechte Nachricht die nächste. Das Debakel um die Ford-Nachfolge in Saarlouis, die vielen offenen Fragen bei der Umstellung auf grünen Stahl oder die Ungewissheit, ob angekündigte Ansiedlungen auch tatsächlich kommen. Wirtschaftsminister Barke macht immer neue Ankündigungen und nennt Fristen, die er dann immer wieder reißt. Zugleich ist die SPD einseitig auf die Großindustrie fixiert. Darüber vernachlässigt sie die kleinen und mittleren Unternehmen. Meine große Sorge ist, dass der Strukturwandel scheitert.
Beispiel grüner Stahl: Die Landesregierung versucht durch einzelne kleinere Nachrichten den Eindruck zu erwecken, dass sie das Thema Wasserstoff im Griff hat. Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest: Es gibt keinen ausreichenden Plan, in welchem Umfang Wasserstoff hierherkommt und ob er rechtzeitig kommt. Und es gibt keine Perspektive, wo auf Sicht günstiger Strom herkommt. Beides sind aber Grundbedingungen, damit das wichtige Projekt grüner Stahl gelingt.
Was würde eine CDU-Regierung bei diesen beschriebenen Baustellen machen?
Wir als CDU stehen für eine grundlegend anders ausgerichtete Wirtschafts- und Energiepolitik. Die Bereiche Klima, Energie und Wirtschaft müssen viel stärker zusammen betrachtet werden. Weg vom Mikromanagement mit Verboten und Verordnungen bis ins kleinste Detail. Stattdessen muss der Rahmen richtig gesetzt werden, damit Bürger und Unternehmen Planungssicherheit haben. Ein Beispiel ist die CO2-Bepreisung mit sozialem Ausgleich, um die Klimaziele zu erreichen. Wir als Union haben da einen grundlegend anderen Ansatz als Sozialdemokraten und Grüne. Konkret heißt das auch, eine Politik zu machen, die stärker den Mittelstand und kleine Unternehmen unterstützt, denn die Rahmenbedingungen für diese Unternehmen sind am Ende entscheidend für die Mehrzahl der Arbeitsplätze. Wie die SPD zu glauben, man könnte über einzelne große Ansiedlungen alle Probleme lösen, wird nicht funktionieren. Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viele Gespräche mit Unternehmern geführt. Alle haben geschildert, wie sehr sie zu kämpfen haben – mit den Energiepreisen, der Bürokratie oder dem Arbeitskräftemangel. Überall dasselbe Bild, beim Handwerker, im Mittelstand und auch in den industriellen Betrieben. Was den Arbeitskräftemangel angeht, nutzen wir die Potenziale in unserem Land nicht ausreichend aus. Das hat auch was mit dem Bildungsangebot zu tun. Im Bildungsbereich laufen die Dinge in die grundfalsche Richtung.
Was sollte Ihrer Meinung nach in der Bildungspolitik anders laufen?
Wir brauchen einen grundlegenden Richtungswechsel in der Bildungspolitik, damit die Kinder bei uns im Saarland richtig Deutsch lernen, und damit sie erfahren, dass Leistung und Einsatz sich lohnen. Letzten Monat sind wieder Hunderte Kinder eingeschult worden, die nicht richtig Deutsch können. Doch anstatt das erfolgreiche Sprachförderprogramm „Früh Deutsch lernen“ auszubauen, hat die SPD es eingestellt. Das war ein großer Fehler, der umgehend korrigiert werden muss, im Sinne unserer Kinder. Die Bildungsministerin verfolgt kein klares Konzept, um dem wachsenden Fachkräftemangel an Lehrkräften zu begegnen und setzt hauptsächlich auf Quereinsteiger. Dabei sind fachlich gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in unseren Schulen unverzichtbar und müssen der Regelfall bleiben. In der Kinderbetreuung ordnet die Alleinregierung der Beitragsfreiheit alles andere unter. Dadurch leiden Qualität und Verlässlichkeit in der Betreuung massiv. Viele Kitas müssen die Öffnungszeiten kürzen. Dabei brauchen wir beides: gute Qualität und Bezahlbarkeit. Für diese und weitere Themen haben wir als CDU konkrete Konzepte erarbeitet. Denn wir kritisieren nicht nur, sondern gehen selbstbewusst in den Wettbewerb um die besseren Ideen für das Saarland. Damit zeigen wir, dass wir schon heute regierungsfähig sind. Das werden wir in den kommenden zweieinhalb Jahren noch verstärken.
Eines der Dauerprobleme ist die Situation der saarländischen Kommunen. Der Saarlandpakt war eine große Hilfe, aber das reicht offensichtlich nicht?
Die saarländischen Kommunen sind die finanzschwächsten in ganz Deutschland. Da haben wir kein Erkenntnisproblem. Wir wissen, was Sache ist. Doch die Landesregierung beauftragt erst einmal ein weiteres Gutachten, wofür sie ganze zwei Jahre gebraucht hat. Das ist es, was ich eben beschrieben habe: Wegschieben von Problemen, anstatt die Analysen, die wir ja haben, zu nehmen, um die Dinge zu verbessern. Aus meiner Sicht gibt es viele Punkte, an denen man ansetzen könnte. Man muss über die Verbundmasse sprechen, also den Anteil, den das Land aus seinen Steuereinnahmen an die Kommunen weitergibt. Nächstes Thema ist eine Altschuldenlösung. Die steht zwar im Koalitionsvertrag im Bund, doch passiert ist bis heute nichts. Wir als CDU Saar haben dafür gesorgt, dass die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion inzwischen lautet: Vernünftige Lösungen werden an der Union nicht scheitern. Von Frau Rehlinger sehe ich demgegenüber keine Initiative, das Thema anzupacken. Dass das mit guten Argumenten und beherztem Einsatz funktionieren kann, hat das Saarland bei den Bund-Länder-Finanzverhandlungen im Jahr 2016 bewiesen. Annegret Kramp-Karrenbauer und ich haben dafür gekämpft, dass am Ende ein Vorschlag aus dem saarländischen Finanzministerium mehrheitsfähig wurde. Bei der aktuellen SPD-Alleinregierung und Frau Rehlinger befürchte ich jedoch, dass sie die Chance verpassen, in Berlin etwas für die saarländischen Kommunen zu erreichen. Und wenn sie dann noch den saarländischen Kommunen erlauben, wieder Kassenkredite in großem Stil aufzunehmen, ist das aus meiner Sicht eine Bankrotterklärung. Kassenkredite sind für die Kommunen das, was im Privaten eine Überziehung des Girokontos ist. Dafür müssen hohe Zinsen gezahlt werden. Damit verschiebt die SPD die Probleme nur in die Zukunft. In der CDU-geführten Großen Koalition haben wir gemeinsam den Saarlandpakt auf den Weg gebracht und damit die Kommunen von einer Milliarde Kassenkredite entlastet. Das ist bis heute die größte finanzielle Unterstützung der Kommunen in der Geschichte des Saarlandes. Doch jetzt ist die einzige Botschaft der Landesregierung an die Kommunen: Ihr könnt euch wieder stärker verschulden. Das ist das Eingeständnis: Wir haben keine Lösungen für euch. So dreht sich die SPD im Kreis, und unsere Kommunen kommen keinen Schritt weiter.
Auch für die CDU ist nun Halbzeit in der ungewohnten Oppositionsrolle. Vor wenigen Monaten haben die Kommunalwahlen aus Sicht der CDU an einigen Stellen erfreuliche Ergebnisse gebracht …
… nicht nur an einigen Stellen. Wir haben ein starkes Landesergebnis erzielt. Im Vergleich aller Kommunalwahlergebnisse der letzten Jahre in Deutschland hat die CDU Saar mit dem Kreistagswahlergebnis von 34,4 Prozent das bundesweit zweitbeste Ergebnis aller Parteien in den Ländern erreicht. Das ist ein sehr solides Ergebnis. Gerade auch, weil es seit Bestehen das Saarlandes immer die Regel war, dass die Partei, die bei den Landtagswahlen vorne war, auch die nächsten Kommunalwahlen gewonnen hat. Die Saar-SPD hat ihr Wahlziel klar verfehlt, Nummer eins bei den Kommunalwahlen zu werden. Auch bei den Direktwahlen haben wir gut abgeschnitten – mit dem Ergebnis, dass die CDU jetzt fünf von sieben Oberbürgermeistern im Saarland stellt, die SPD nur noch einen. Das hat es lange Zeit nicht gegeben. Das ermutigt und motiviert uns, aber verleitet uns nicht dazu, überheblich zu werden. Das war ein erster Härtetest, aber vor uns liegen noch weitere Etappen, über die Bundestagswahl bis dann zur Landtagswahl 2027.
Insgesamt haben wir in jüngster Zeit ein Erstarken an den politischen Rändern erlebt, die AfD hat auch im Saarland, wo sie bei der Kommunalwahl zugelassen war, zweistellige Ergebnisse erzielt, gleichzeitig bekommen hierzulande Grüne und FDP keinen Fuß auf den Boden. Was heißt das für die politische Grundstimmung?
Wir müssen die Sorgen und Nöte ernst nehmen, die die Menschen dazu bringen, AfD zu wählen. Und nicht nur ernst nehmen, sondern auch lösen. Das ist für mich der entscheidende Punkt. Das linke Spektrum setzt ausschließlich auf Ausgrenzung. Wer nicht links ist, wird ausgegrenzt. Ich glaube nicht, dass das auf Dauer funktioniert. Für mich ist klar: Es wird nur mit guter Politik und guten Argumenten gelingen, die Radikalen bei Wahlen zu schlagen. Der entscheidende Punkt ist doch: Politik muss die Probleme anpacken und lösen, die den Menschen Sorgen bereiten. Im Moment erleben wir das Gegenteil – die rote Ampel ist ein Konjunkturprogramm für die AfD.
Eine Folge der Wahlergebnisse, auch hier auf kommunaler Ebene, ist, dass es immer schwieriger wird, Koalitionen oder Bündnisse ohne die AfD zu bilden. Wie kann man damit umgehen?
Wir haben uns als CDU Saar klare Leitlinien für den Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene gegeben. Ausgangspunkt ist der Grundsatzbeschluss der CDU Deutschlands aus dem Jahr 2018: Keine Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit. Das gilt auch für die kommunale Ebene. Das heißt konkret, keine Absprachen mit der AfD, weder in personellen Fragen noch in Sachfragen. Was die Sachfragen angeht: Keine Zustimmung zu AfD-Anträgen. Wenn wir Dinge als wichtig erachten, erarbeiten wir eigene Anträge. Was personelle Entscheidungen angeht, gibt es im Vorfeld keine Absprachen mit der AfD. Umgekehrt sagen wir: Wir stehen zu dem, was wir in der Sache für richtig halten, und auch zu den Kandidatinnen und Kandidaten, die wir für geeignet halten. Wir dürfen der AfD kein Vetorecht über unsere sachlichen und personellen Initiativen einräumen, sonst machen wir uns auf Dauer politikunfähig. Das Richtige wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen für das Richtige sind.