Beim Entsendegesetz zwischen Deutschland und Frankreich hat sich bislang wenig getan. Noch immer ist die Bürokratie immens, wenn Deutsche im Nachbarland arbeiten. Und auch sonst bleiben noch genügend Hürden zu überwinden.
Das Saarland als Tor zu Frankreich für deutsche Unternehmen und umgekehrt. So sieht es die Landespolitik und steht auch so in der Frankreichstrategie des Saarlandes. Zwar hat sich der bilaterale Handel nach der Corona-Krise kräftig erholt und Frankreich ist für den „Brückenkopf“ Saarland wieder klar Handelspartner Nummer eins, aber es knirscht im Gebälk beider Nachbarn. Ob nun wegen des Entsendegesetzes von Arbeitnehmern in Frankreich – dem Loi Macron –, bei der grenzüberschreitenden Ausbildung oder wegen mangelnder Sprachkenntnisse.
Der Blick auf die nackten Zahlen: Mit einem Handelsvolumen von rund fünf Milliarden Euro im Im- und Export ist Frankreich 2022 für das Saarland wichtigster Handelspartner. Auf dem Automobilsektor finde der größte Austausch statt, betont Oliver Groll, der bei der IHK Saarland für den Außenhandel zuständig ist. „Man darf natürlich gespannt sein, wie sich der Markt in beide Richtungen in den nächsten Jahren entwickelt, wenn weniger Autoteile aufgrund der E-Mobilität benötigt werden.“ Aber neue Branchen wie die Wasserstoffwirtschaft stehen in den Startlöchern und auch im Recycling-Bereich gehört Frankreich zu den wichtigsten Zulieferern des Saarlandes, zum Beispiel bei Metallschrott.
Sorge bereitet den Kammern und Verbänden ein alter Bekannter: die Entsendung von Arbeitnehmern über die Grenzen hinweg. Auf Druck der drei an Frankreich grenzenden Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gelobte das französische Arbeitsministerium in Paris Besserung beim Abbau bürokratischer Hürden, wenn es beispielsweise um Wartungsaufgaben deutscher Dienstleister in Frankreich gehe. Passiert sei nichts, sagt Oliver Groll.
Handelspartner Nummer eins
Nach wie vor tobt der Formularkrieg beim grenzüberschreitenden Arbeiten, von Digitalisierung keine Spur. Unterschiedliche Normen und Anforderungen an die Gewährleistung erschweren außerdem das grenzüberschreitende Arbeiten. „Kleine Handwerksbetriebe tun sich so etwas erst gar nicht an, zumal die Auftragslage derzeit eh in vielen Branchen gut ist“, erklärt Sabrina Rüther, Außenwirtschaftsberaterin der Saar-Handwerkskammer. Im Elektrobereich herrscht aufgrund der strengen unterschiedlichen Normen sowieso Funkstille und im Baugewerbe sorgen Pflichtversicherungen in Frankreich wie der Bauausweis für zusätzlichen Verdruss. Kleine Betriebe haben gar nicht die personellen Möglichkeiten, diesem bürokratischen Aufwand Herr zu werden. Die saarländische Landesregierung sei hier aufgefordert, in Berlin und wenn möglich auch in Paris immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und „Dinge“ auszuprobieren, die in den beiden Hauptstädten anders als in der Grenzregion gesehen werden. Der Aachener Vertrag gebe das schließlich her. „Man muss denen in Berlin und Paris gehörig auf die Nerven gehen, damit sich was ändert“, fordert Oliver Groll.
Doch auch viele französische Unternehmen wissen nicht so recht, wie sie den lukrativen Markt in Deutschland angehen sollen, so Evelyne Pellé, die sich beim World Trade Center Metz-Saarbrücken um grenzüberschreitende Belange kümmert. „Neben den mangelnden Sprachkenntnissen scheitern die Ansätze schon aufgrund der fehlenden Kenntnisse des anderen Lands und der nicht vorhandenen Strategie.“ Rund 70.000 kleine und mittlere Unternehmen in Frankreich verfügen über das Potenzial, in Deutschland aktiv zu werden, aber sie wissen nicht wie. Dass das Saarland trotzdem Brückenkopf für französische Unternehmen in Deutschland ist, zeigen die Zahlen. Von den rund 3.000 französischen Direktinvestitionen in Deutschland entfallen 16 Prozent auf das Saarland. „Es gibt neben den staatlichen Stellen viele private Initiativen, die sich die deutsch-französische Zusammenarbeit auf ihre Fahnen geschrieben haben, aber deren Arbeit ist oftmals nicht so bekannt bei denen, die das wissen sollten“, so Pellé weiter. Ein Unternehmen, ob nun deutsch oder französisch, brauche den richtigen Ansprechpartner, der auch bei den kleinen Dingen wie Übersetzungen, Bankverbindung, Adresse im jeweiligen Land weiterhelfe. Wer sich ernsthaft darum bemüht, hat auch Erfolg, wie das Beispiel eines Internethändlers im Sanitärbereich zeigt. Das Unternehmen aus Metz beliefert die westlichen Bundesländer und plant eine Ausweitung Richtung Ostdeutschland.
Es bleibt das Sprachproblem
Luft nach oben sehen die drei Fachleute für grenzüberschreitendes Arbeiten vor allem auch in der bilateralen beruflichen Ausbildung. Trotz vieler Versuche in den vergangenen Jahren, die Vorteile einer bilateralen Berufsausbildung und die guten Arbeitsmarktchancen zu betonen, bleiben die Zahlen erschreckend schwach: 25 Auszubildende im Einzelhandel machen derzeit davon Gebrauch und im Handwerk sind es gerade mal vier. Verantwortlich dafür ist das Problem der gegenseitigen Anerkennung der Berufsabschlüsse, aber auch die Mobilität. „Wie soll ein Jugendlicher unter 18 Jahren von einem Vorort bei Saint-Avold beispielsweise zur Berufsausbildung nach Saarlouis kommen?“, fragt sich Evelyne Pellé. Die entsprechenden Verbindungen von Bus und Bahn ließen ihrer Meinung nach zu wünschen übrig.
Und schlussendlich bleibt das wohl größte Hindernis das Sprachproblem. Trotz aller Bemühungen hat Englisch für deutsche Schüler dem Französischen längst den Rang abgelaufen und in Frankreich tut man sich schwer mit der Sprache Goethes. Zu kompliziert, mühsam und unattraktiv. Die Beherrschung der Nachbarsprache und das Verständnis für den unterschiedlichen kulturellen Hintergrund sind jedoch der Schlüssel, um wirtschaftlich erfolgreich im jeweils anderen Land zu sein. Noch 20 Jahre Zeit bleiben, wenn das Saarland, so will es die Frankreichstrategie, zweisprachig sein soll.