Hannes Jaenicke ist nicht nur einer der größten Fernsehstars Deutschlands, er ist auch leidenschaftlicher Aktivist. Wir sprachen mit dem 64-jährigen Schauspieler, Umwelt- und Tierschützer.
Herr Jaenicke, in Ihrer neuen Doku „Im Einsatz für Erde“ wagen Sie den Selbstversuch und lassen testen, wie viele Giftstoffe sich in Ihrem Körper abgelagert haben. Kann jeder solch einen Test durchführen lassen?
Ja, aber ich würde es nicht empfehlen, weil es die Laune senkt. Man weiß danach, was man so alles in sich hineinfuttert. Bei mir war es noch relativ überschaubar, aber trotzdem erschreckend. Dafür, dass ich mich seit 40 Jahren vegetarisch und weitestgehend biologisch ernähre, waren wir alle ziemlich geschockt. Bei Leuten, die sich ungesund ernähren oder Junkfood essen, sieht es laut den Ärzten noch schlimmer aus.

Gab es Symptome, die auf eine Giftbelastung in Ihrem Körper hingewiesen haben?
Nein, ich habe nichts davon bemerkt. Man kennt ja keinen anderen Zustand als den vergifteten. Ich bin seit 1960 auf der Welt. Bis in meine frühen 20er habe ich mich viel ungesünder ernährt als heute. Als Kind in den USA fand ich Hot Dogs, Burger und Cookies das Größte. Die esse ich schon lange nicht mehr.
Was hat man bei Ihnen gefunden?
Entlaubungsmittel, Mikroplastik, Glyphosat und viele andere Pestizide. Man kann es dann machen wie Lemmy von Motörhead oder die Rolling Stones, die nach jahrzehntelangem Drogen- und Alkoholkonsum regelmäßig eine Blutwäsche durchführen lassen. Ich habe das noch nicht gemacht, ich versuche mich einfach gesund zu ernähren. Es ist aber schockierend, was in unseren Böden alles enthalten ist und wie viele Gifte wir dadurch aufnehmen.
Konnte man in Ihrem Fall nachvollziehen, welche Gifte woher kamen?
Ich habe einen Teil meiner Kindheit in den USA verbracht. Eine Theorie lautet, dass zum Beispiel das Entlaubungsmittel in meinem Körper, das auch im Vietnamkrieg eingesetzt wurde, von dort kommen könnte. Man konnte mir nicht erklären, wo es in Deutschland herkommen könnte. Alle anderen Chemiedünger und Pestizide stammen aber von hier. Es sind derzeit über 700 Pestizide zugelassen. Alle reden über Glyphosat, aber das ist nur eines von vielen. Wir müssen uns also nicht wundern. Wenn jemand Landwirt werden möchte, besucht er eine entsprechende Fachschule. Und dort hat die Chemie- und Pharmalobby leider sehr viel mitzureden. Den Schülern wird beigebracht, dass es ohne Glyphosat oder chemische Düngemittel gar nicht geht.
Haben Sie das überprüft?
Alles Quatsch, es geht sehr wohl ohne. Wir lassen in dem Film beide Seiten zu Wort kommen. Ein konventioneller Bauer, mit dem wir sprachen, ist ein wirklich engagierter, guter Typ. Er ist überzeugt, es gehe halt nicht ohne Chemie. Auf mein Argument hin, dass etwa 50 Prozent aller Lebensmittel vernichtet werden, meinte er, dagegen müsse man vorgehen. Dann könne er als Landwirt auch sauberer und hochwertiger produzieren, weil er weniger anbauen müsse. Es war extrem spannend, diesen Film zu machen. Ich laufe, stehe oder sitze seit 64 Jahren auf Böden herum und hatte vorher keinen blassen Schimmer, worauf ich mich da bewege. Jetzt bin ich ein bisschen schlauer, und das würde ich gerne mit den Fernsehzuschauern teilen.
Unzählige mikroskopisch kleine Plastikpartikel schwimmen in allen Tiefen des Meeres, in Flüssen und Seen nicht nur in Deutschland. Sind auch Böden mit Mikroplastik belastet?
Ja, sehr sogar. Vor allem Weinberge. Nirgendwo findet man eine höhere Mikroplastikbelastung. Die Reben werden meistens mit Plastikschnüren und -strippen befestigt. Und die Vogelschutznetze sind alle aus Plastik. Wenn die eine Weile auf dem Weinberg oder Acker waren, zerfallen sie. Das klassische sekundäre Mikroplastik entsteht durch den Zerfall. Jeder To-go-Becher, der irgendwo in die Landschaft gerät, zersetzt sich zu Mikroplastik.
Was unternimmt die Politik dagegen?
So gut wie nichts. Der „große“ Fortschritt ist, dass jetzt der Deckel einer PET-Flasche nicht mehr abnehmbar ist, sondern am Flaschenhals hängen bleibt. Das ist der revolutionäre Schritt gegen die Plastikvermüllung. Es darf gelacht werden!
Wie viel von dem Mikroplastik gelangt in unseren Körper?

Laut einer neueren Studie der Uni Wien hat es sogar schon Zugang ins menschliche Hirn gefunden. Was man noch nicht weiß, ist, wie weit beziehungsweise in welcher Form es uns schadet. Man weiß nur, dass wir uns damit vollfuttern.
Trinken Sie noch Wasser aus der Leitung?
Ja. Weil ich nicht glaube, dass Perrier oder Nestlé saubereres Trinkwasser produzieren. Leitungswasser ist in Deutschland ein sehr streng kontrolliertes Lebensmittel. Es wird ständig auf Keimfreiheit untersucht. Sauberer geht es nicht. Ich glaube auch nicht, dass man die Perrier- oder Evian-Quellen sauber kriegt. Denn in den Alpen landet alles, was sich an Umweltgiften in Schnee und Regen findet. Wenn der Schnee schmilzt, sickert das alles ins Grundwasser und in die Gewässer. Wirklich sauberes Wasser gibt es, wenn überhaupt, nur noch an wenigen Flecken dieses Planeten.
Sollten Lebensmittel auch hinsichtlich dieser Gifte und Schadstoffe gekennzeichnet sein?
Wir haben in Deutschland eine relativ gute Bio-Kennzeichnung. Wenn man Bioland-, Naturland- oder Demeter-Produkte kauft, weiß man, dass sie sauberer produziert wurden als konventionelle Ware. Bio ist leider sehr viel teurer aufgrund einer falschen Subventionspolitik. Eigentlich müsste man jedes Produkt dahingehend kennzeichnen, ob es mit Glyphosat, Fungiziden, Insektiziden oder Herbiziden traktiert wurde. Und zwar mit einem kleinen Totenkopf. Wenn man sich eine Zigarettenschachtel anguckt, hat man das Gefühl, gleich bricht die Hölle los: Impotenz, Herztod, Krebs. Auf giftigen Lebensmitteln steht jedoch gar nichts.
Lebensmittel und Gift – wie kann das überhaupt in den Handel kommen?
Das Argument ist immer die Ernährungssicherheit. Einer der konventionellen Bauern, die wir interviewt haben, sagte, wir könnten nicht mehr so produzieren wie vor 100 Jahren, weil die Weltbevölkerung sich seitdem mehr als verdoppelt hat. Das stimmt nur bedingt. Es ist nachgewiesen, dass auf der Erde täglich Nahrungsmittel für etwa 12,5 Milliarden Menschen produziert werden. Wir haben also kein Versorgungs-, sondern ein Verteilungsproblem. Wir produzieren unfassbar viel für die Mülltonne. Würde man das einstellen, könnten wir viel preiswerter und hochwertiger produzieren. Es gibt ja alles nur noch in Großpackungen. Da sind zum Teil 50 kleine Riegel drin. Die Lebensmittelindustrie, die der Agrarindustrie ihre Produkte abkauft, ist der Haupttreiber dieses Preisdrucks. Sie steckt jedes Jahr 2,6 Milliarden Euro in die Werbung für minderwertige und ungesunde Lebensmittel. Damit wir bitte Bifi und Nutella essen. Steckt dieses Geld doch bitte in gesunde Lebensmittel!

Wie halten Sie es selbst mit der Ernährung?
Ich kaufe privat ausschließlich Bioprodukte und nur die Mengen, die ich verzehre ohne etwas wegschmeißen zu müssen. Bei mir im Dorf gibt es einen Bioladen und einen Rewe, wo ich die Basics kaufe. Alles Weitere besorge ich in Hofläden. Das geht aber nur, wenn ich nicht unterwegs bin. Ich bin drehbedingt etwa acht bis neun Monate im Jahr unterwegs und esse dann in Hotels und Restaurants, die fast ausnahmslos nur konventionelle Lebensmittel anbieten.
Ist heutzutage kein Mensch mehr giftfrei?
Da schon in Grönland der Schnee, den die Mütter dort der Babynahrung als Tauwasser beimischen, hochgradig belastet ist, würde ich sagen: ja. Selbst als Buschmann in der Serengeti entkommst du dem nicht mehr. Flugzeuge fliegen auch über Afrika und es regnet Kerosinrückstände. Egal, wo man auf der Welt ins Wasser geht, Plastik und Mikroplastik sind überall. Und ich war durch meine Dokumentarfilme nahezu überall auf oder im Wasser. Der Atlantik, Pazifik, das südchinesische Meer, das Mittelmeer – alle unsere Gewässer verkommen zu Kloaken und Mülldeponien. Und es wird viel geredet und viel zu wenig unternommen.
Was wäre Ihre erste Forderung an die Politik?
Eine effizientere CO2-Bepreisung. Wenn ein Produkt wirklich das kostet, was es an CO2-Emissionen ausstößt, hätten wir relativ schnell ein gesundes System. Dann würde nämlich belohnt, wer sauber produziert und bestraft, wer dreckig produziert. Würde eine Kreuzfahrt in der Billigvariante auf einmal 5.000 Euro kosten, würden nicht mehr dreieinhalb Millionen Deutsche solche Reisen buchen. Würde man SUVs nur noch für Superreiche erschwinglich machen, wäre das nicht mehr das meistverkaufte Auto Deutschlands. Rechnet man einmal die CO2-Bilanz eines Tuareg, Cayenne, Range Rover oder Q8 aus, müssten das unbezahlbare Fahrzeuge sein. Wir müssen an alles, was CO2 emittiert, ein Preisschild hängen.
Das Auto ist das Statussymbol schlechthin. Würde der Bürger da mitziehen?
Im Moment offensichtlich nicht. In Italien, Frankreich, Spanien geben die Leute fast doppelt so viel für Essen aus wie hier, dafür fahren sie verbeulte Fiats, Renaults und Peugeots. Es ist immer eine Frage der Prioritäten. Unser wunderbares Wort Lebensmittel gibt es in keiner anderen Sprache, aber wir behandeln Lebensmittel wie Dreck. Es soll billig sein und satt machen.
Wie müsste man denn leben, um sich vor all den Giften zu schützen?
Man kann sehr vergiftet oder weniger vergiftet leben. Jeder Selbstversorger weiß, was er auf seine Tomaten oder Zucchini draufgespritzt hat. Es gibt auch bei Lidl und Aldi die Möglichkeit, relativ saubere Bioprodukte zu kaufen. Die sind laut einer Greenpeace-Studie bis zu 80 Prozent weniger belastet als konventionell angebaute Produkte.
Sind Kinder mehr gefährdet als Erwachsene?
Kommt drauf an, was man ihnen zu essen gibt. Gibt man ihnen viel Zucker, wie bei den klassischen amerikanischen Food-Modellen, ist ihr Risiko, an Diabetes, ADHS, Adipositas zu erkranken, relativ hoch. Von vielen Kinder- und Jugendkrankheiten wird vermutet, dass sie mit Ernährung zu tun haben, gerade was den Konsum von Zucker und sogenannten ultra-processed foods betrifft.

Selbst in der Kreuzfahrtbranche spielt das Thema CO2-Reduktion mittlerweile eine Rolle. Wie sieht es damit in der Filmbranche aus?
Es gibt jetzt tatsächlich mittlerweile viele Auflagen. Zum Beispiel erhält man nur noch gewisse Förderungen, wenn man sich an Greenshooting-Vorgaben hält. Das wird auch kontrolliert. Es gibt mindestens einen Veggie-Day am Set, und es wird innerdeutsch kaum noch geflogen. Da bewegt sich tatsächlich was, vermutlich mehr als in der Kreuzfahrtbranche.
Spüren Sie eigentlich, dass Ihr Einsatz für die Erde und die Tierwelt etwas bewirkt?
Ich war letztes Wochenende mit meiner Schwiegerfamilie auf einem Open-Air-Chorkonzert. Da spricht mich ein Mitglied eines semiprofessionellen Männerchores an. Der besitzt zwei Luxushotels im Schwarzwald. Er sagte: „Herr Jaenicke, ihretwegen gibt es in meinen Hotels keinen Lachs mehr!“ Im ersten Moment dachte ich, scheißt er mich jetzt zusammen oder findet er das wirklich gut. Nein, er hatte aufgrund meines Films den Lachs von der Speisekarte gestrichen. In meinem Bioladen gab es früher vier Sorten Bio-Lachs, jetzt nur noch zwei. Auch der Fleischkonsum geht trotz aller Werbebemühungen der Industrie relativ rasant zurück. Ich glaube, diese Filme bewegen wirklich was, auch wenn es nur ein Tröpfchen auf dem heißen Stein ist.