Mit einer Reisegeschichte in Worten, Fotografien und Pianoklängen gastiert der multimediale Erzähler Christof Jauernig beim saarländischen Literaturfestival erLESEN! demnächst im Theater am Ring. in Saarlouis.
Herr Jauernig, Sie sind mit Ihrem Erfolgsprogramm „Gedanken verloren | Unthinking“ zu Gast in Saarlouis. Worauf darf sich das Publikum freuen?
Vordergründig auf einen bebilderten Reisevortrag. Im Kern geht es aber eigentlich um die Vermittlung eines Gefühls. Ich versuche rüberzubringen, wie es sich für mich angefühlt hat, steinig und auslaugend gewordenes biographisches Terrain zu verlassen und das eigene Leben radikal umzusteuern – in Richtung Unbekanntem. So ist es denn auch kein typischer „Land-und-Leute-Vortrag“, sondern die erzählte Reise ist eher ein Sinnbild für einen solchen Aufbruch, den ich nicht erkläre, sondern spürbar machen möchte. Dafür verbinde ich eher lyrische Texte mit Leinwandprojektionen und von mir selbst eingespielten Piano-Improvisationen.
Die Bilder sind auf einer sechsmonatigen Südostasien-Reise entstanden, die Ihr Leben grundlegend verändert hat. Wie kam es dazu?
Ich hatte vorher lange Jahre in der Bankenbranche gearbeitet, zuletzt als Analyst für eine Unternehmensberatung in Frankfurt. Das hat eine Weile Spaß gemacht, aber dann habe ich mich immer mehr von meinem Job entfremdet. Trotzdem bin ich aus den typischen Ängsten und Schranken im Kopf viel zu lange dabeigeblieben. Erst, als es mir richtig schlecht ging, habe ich es geschafft, den Job loszulassen, habe aus tiefstem Herzen gekündigt, meine Wohnung untervermietet und bin mit dem Rucksack nach Südostasien aufgebrochen, ohne Plan für danach.
Als Sie aufgebrochen sind, gab es keinen „Plan B“. Trotzdem berichten Sie von einem „Gefühl der Wärme, das sich in der Brust ausbreitete“. Hatten Sie keine Angst?
Diese innere Wärme habe ich schon geraume Zeit vor der Reise gespürt, nämlich genau im Moment der Kündigungsentscheidung. Es war verblüffend, wie ein aus meinem tiefsten Innern aufsteigendes, sehr kraftvolles Signal, belegte,dass diese Entscheidung richtig war. Und anstatt, wie ich es als Kopfmensch sonst gewohnt war, meine Entscheidung rational abzusichern, habe ich – wahrscheinlich zum ersten Mal so grundlegend – auf mein Gefühl vertraut. Und damit war irgendwie auch meine Angst wie weggeblasen. Was wiederum ermöglichte, mich auf die Reise intensiv und in ihrer ganzen Weite und Tiefe einzulassen, ohne Gedanken an das Danach zu verschwenden.
Was war das Wichtigste, das Sie auf dieser Reise gelernt haben?
Das gerade Beschriebene: Wirklich im Moment zu sein. Als Analyst hatte mein Leben viel aus dem Analysieren von Vergangenem und dem Prognostizieren von Zukünftigem bestanden. Die Gegenwart war dabei oft zu kurz gekommen. Aber jetzt konnte mein Hamsterrad ausrollen und die Reise half dabei. Und als es dann auch innerlich stillstand, gelang dieses Wahrnehmen des Augenblicks, das wirkliche Einlassen auf ihn, immer besser. Und so wurden es unzählige, oft stille und unspektakuläre aber umso intensivere Reisemomente, die mich in ihren Bann zogen. Momente, in denen mein Denken stillstand. Sie sind es auch, die im Zentrum meiner Veranstaltung stehen. Deshalb heißt sie „Gedanken verloren“.
Ihre Fotos zeigen wunderschöne Natur, aber auch Menschen, denen Sie auf Ihrer Reise begegnet sind. Gibt es einen, an den Sie auch außerhalb Ihres Programms gerne zurückdenken?
Eine sehr prägende Begegnung hatte ich in Myanmar. Es war Regenzeit, ich war gerade auf dem Gelände einer Pagode, als ein unfassbarer Regen zu fallen begann, begleitet von Sturmböen. Ich flüchtete mich unter ein Vordach, von wo aus ich einen buddhistischen Mönch bemerkte, der auf dem Vorplatz meditierend auf dem Boden saß. Und er blieb dort sitzen, anderthalb Stunden lang im hämmernden Regen, in seiner Versenkung, fast unbeweglich. Bis heute ist er für mich ein Vorbild, wenn es darum geht, in fordernden Situationen innere Gleichmut beizubehalten.
Für Sie führte der Weg aus der Sinnkrise über Jobausstieg und Asienreise. Was raten Sie Menschen, die sich in ihrem beruflichen oder sonstigen Lebensweg in einer Sackgasse befinden?
Zunächst einmal ist meine Geschichte natürlich keine Blaupause für die Lösung von Lebenskrisen, nicht jeder Kontext ermöglicht ein so grundlegendes Umsteuern. Was aber auch nicht immer nötig ist, auch kleine, schrittweise Veränderungen können sehr wertvoll sein. Aber egal wie die Ausgangslage ist: die inneren Wünsche und Wahrheiten wahr- und dann vor allem auch ernst zu nehmen, halte ich für essenziell. Etwas Abstand hilft beim Hinhören, das muss keine Weltreise sein. Und wenn dann neue Ideen wachsen, die sich richtig anfühlen, dann kann sich ein Vertrauensvorschuss wirklich auszahlen.
Das saarländische Publikum kennt Sie auch als „Glücksbote“. Sie waren 2022 bereits mit „Eintausendmal Lebensglück – Erinnern, was zählt“ zu Gast im Saarland. Für das Buch hatten Sie bei Ihrem Publikum über ein Jahr lang Glücksmomente gesammelt. Bitte verraten Sie uns Ihr persönliches Glücksgeheimnis.
Im Kleinen sind es für mich eben genau solche Momente wie die gesammelten. Das heißt, wenn ich den Blick öffne für die besonderen Augenblicke am täglichen Lebenswegesrand, und sie wirklich wertschätze, dann werden daraus Glücksmomente. Dazu gehört das trällernde Rotkehlchen auf dem Gebüsch genauso wie meine Lieblingskaffeetasse, die im Schrank steht anstatt in der Spülmaschine, wenn ich einen Kaffee trinken will. Im Großen macht es mich glücklich, dass ich heute ein Leben führen kann, das so gut wie möglich im Einklang ist mit meinen inneren Wahrheiten, mit dem, wofür ich brenne, wofür ich mich gemacht fühle. Dass ich also so authentisch sein und leben kann, wie möglich.