Um die EU-Klimaziele zu erreichen, muss die Stromkapazität für Windkraft in Europa bis 2030 mehr als verdoppelt werden. Derzeit steht die Branche jedoch vor großen Problemen, die die EU mithilfe von Subventionen lösen will.
Mehr Windenergie ist einer der wichtigsten Eckpfeiler des „Green Deals“ der Europäischen Union, um die Klimaziele zu erreichen. Der grüne Umbau der Wirtschaft für mehr Klimaschutz und mehr Arbeitsplätze aber lahmt – mangels Geld, Fachkräften und Materialien. Für einen deutlichen Ausbau der Windkraft in Europa sollen nun nationale Genehmigungsverfahren nach dem Willen der EU-Kommission stärker digitalisiert werden. Sie will die EU-Länder besser unterstützen. Demnach soll es finanzielle Hilfen für die Schulung von Behörden geben sowie aktualisierte Empfehlungen und Leitlinien.
Maros Sefcovic, Exekutiv-Vizepräsident für den Green Deal, sagte dazu: „Wir müssen für günstige Rahmenbedingungen in allen Sektoren sorgen, damit diese wirksam zur Verwirklichung unserer ehrgeizigen Klima- und Energieziele beitragen können. Dieses Paket wird dazu beitragen, dass der europäische Windkraftsektor zu Hause wachsen kann und weltweit wettbewerbsfähig ist, wodurch die Abhängigkeit von externen Lieferanten verringert wird und grüne Arbeitsplätze entstehen.“
Bislang ist dies nur eine Hoffnung. Von der Beantragung bis zum Bau von Windrädern dauert es derzeit europaweit mehrere Jahre. Und das soll sich nun ändern. Denn bis 2030 sollen erneuerbare Energien 42,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in der EU ausmachen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Windkraftkapazität in der EU bis dahin mehr als verdoppelt werden: auf mehr als 500 Gigawatt installierte Leistung. Ende vergangenen Jahres waren 204 Gigawatt installiert.
500 Gigawatt angepeilt
Doch die Industrie schwächelt, neben langen Genehmigungsverfahren und der Inflation stellen der wachsende internationale Wettbewerb, unsichere Rohstoffmärkte und hohe Preise die Branche vor große Herausforderungen. „Zwar wird die Windindustrie weiterhin größtenteils optimistisch betrachtet“, heißt es im zwölften Trendindex der WindEnergy Hamburg, der Weltleitmesse für Windenergie. Doch die Forscher des Marktforschungsinstitutes „wind:research“ fragten erstmals die Marktteilnehmer nach der Verfügbarkeit von Ressourcen. „Die Ergebnisse sind klar: Die allgemeinen Sorgen, ob die Ausbauziele erreicht werden können“, spiegele auch der Trendindex wider. „Ein Großteil der Befragten sieht eine starke bis sehr starke Behinderung der Ausbauziele durch den weltweiten Ressourcenmangel.“ Das Branchenbarometer sieht unter dem Strich eine „geringe Realisierungswahrscheinlichkeit der Ausbauziele“.
Branchenvertreter beklagen seit längerem hohe Rohstoffpreise und die Inflation. Außerdem sucht die Windbranche in den kommenden Jahren allein in Deutschland mehrere Zehntausend neue Arbeitskräfte, nachdem in den vorangegangenen Jahren etliche Stellen gestrichen wurden. Angesichts des in der ganzen Wirtschaft verbreiteten Fachkräftemangels ist die Rekrutierung von Personal aber schwierig. Als weiteres Hemmnis gilt die weiterhin langwierige Genehmigung von Windrädern und Windparks in den europäischen Ländern.
Damit nun mehr Geld in den Ausbau fließen kann, will die Kommission den Zugang zu EU-Finanzmitteln erleichtern. Die Länder sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Windkraftindustrie mit staatlichen Beihilfen unterstützen. Um sicherzustellen, dass der Windsektor trotz der Subventionen unter gerechten Bedingungen arbeiten kann, will die Behörde mögliche unfaire Handelspraktiken überwachen, die ausländische Windkraftanlagenhersteller begünstigen.
Baustart für Erdkabeltrasse
Nach Plänen der EU sollen auch die Ausschreibungsverfahren verbessert werden. Bislang darf in der Regel derjenige Projektentwickler einen Windpark bauen, der bei einer Auktion den niedrigsten Preis bietet. Den neuen Plänen zufolge sollen die Mitgliedsstaaten auch andere Faktoren berücksichtigen. Dazu gehören Nachhaltigkeit oder Cybersicherheit. Angesichts der voraussichtlichen Zunahme des Windenergieausbaus müsse zudem sichergestellt werden, dass genügend Arbeitskräfte in der EU verfügbar seien und sie über die richtigen Fähigkeiten verfügten, hieß es. Daher solle eine Akademie für den Windsektor die Länder bei der Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern unterstützen.
Der Verband kommunaler Unternehmen begrüßte das Maßnahmenpaket, denn beim Ausbau der Windkraft brauche Europa dringend einen „Turbo Booster“. Laut Wolfram Axthelm, Chef des Bundesverbandes Windenergie, machen die vorausgegangenen jahrelangen Versäumnisse beim Umsetzen der Energiewende diese Anstrengungen nun nötig. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Im Jahr 2022 gingen die Treibhausgasemissionen der EU dem Bericht zufolge um drei Prozent zurück und waren damit um 32,5 Prozent niedriger als 1990. Etwa in der Landwirtschaft bleibe aber in dieser Hinsicht noch viel zu tun, sagte der neue EU-Klimakommissar, der Niederländer Wopke Hoekstra. Zwischen 2021 und 2027 werden schätzungsweise 578 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für Klimaausgaben vorgesehen, so die Kommission – das entspreche einem Anteil von 32,6 Prozent. Investitionen aus dem EU-Haushalt müssten jedoch durch nationale und private Investitionen ergänzt werden, um Klimaneutralität zu erreichen, hatte es zuvor geheißen.
Der deutsche Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßte die Initiative der EU. „Die tatsächliche Wirksamkeit der Vorschläge wird nun von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen abhängen“, so Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands. Besonders „gespannt“ sei der Verband auf den von der EU angekündigten Aktionsplan zum Netzausbau, der noch im November vorgelegt werden soll. Der bisherige Flaschenhals der Branche, die bei viel Wind oftmals Anlagen vorübergehend stilllegen muss, weil die Netze nicht genügend Kapazitäten besitzen, ist eines der wichtigsten Sorgenkinder. Hier tut sich jedoch ebenfalls etwas in Deutschland: Ende Oktober startete der Bau von A-Nord, einer Erdkabeltrasse von der Nordsee bis nach Nordrhein-Westfalen. Ihre Kapazität beträgt zwei Gigawatt. Sie soll zwei Milliarden Euro kosten, bis 2027 fertig sein und zwei Millionen Menschen mit Strom versorgen.
Alles in allem ist die Stimmung in der Branche offenbar nicht schlecht – jedenfalls in Deutschland. 2023 stammten nach BWE-Angaben von bislang erzeugten 349,2 Terawattstunden (TWh) Strom 101,3 TWh aus Wind. Windenergie an Land sei dabei mit 83,7 TWh die stärkste Einzelstromquelle. Der Verband wies darauf hin, dass in den ersten neun Monaten schon mehr Leistung an Land installiert worden sei als im gesamten Jahr 2022. Auch die Neugenehmigungen erreichten demnach nach drei Quartalen ein bisher nicht dagewesenes Rekordniveau.