Sie liefern sich einen ständigen Wettbewerb der Effizienz: Forschende, die daran arbeiten, Perowskit für den Einsatz in der Solarenergie-Gewinnung tauglich zu machen. Mit dabei im Wettlauf ist das Berliner Helmholtz-Institut für Materialien und Energie – ein Besuch im Labor.
Wie zwei Rüssel ragen die beiden Armstulpen aus den Glaskästen heraus, in denen die neuen Solarzellen für eine weitere Testreihe vorbereitet werden. Angelika Harter steckt ihre Hände hinein, schiebt die Stulpen zurück ins Innere der stickstoffgefüllten Kästen, wo sie dann mit den geschützten Händen eine Pipette greift und eine gelbliche Flüssigkeit auf die Mitte eines Trägers tröpfelt, etwa vier Milliliter einer zuvor eigens dafür herstellten Perowskitlösung. Angelika Harter lässt die Probe nun in dem sauerstoff- und wasserfreien Umfeld sehr schnell im Kreis drehen, sodass sich die Flüssigkeit gleichmäßig verteilt. Dann tropft sie eine Flüssigkeit auf, die das Lösungsmittel aufreißt. Übrig bleibt Perowskit als eine schwarze Schicht, die nun von der Forscherin samt Träger auf eine kleine Heizplatte gestellt wird. Hohe Temperatur lässt das Material kristallisieren – fertig ist eine dünne Solarzellenschicht. Auf unterschiedliche Weise werden weitere Schichten auch aus anderen Materialien aufgetragen, zum Beispiel durch Aufdampfen: das Perowskit, um Licht zu absorbieren, eine Silberschicht, um Strom abzuleiten.
Knackpunkt ist die begrenzte Lebensdauer
„Jede Schicht hat unterschiedliche Funktionen und Eigenschaften“, erläutert Lea Zimmermann, die ebenfalls zu Perowskitzellen forscht. Zwei bis drei Tage dauert es, bis eine neue Charge Solarzellen fertig ist, die dann alle dieselbe Zusammensetzung haben – allerdings andere als beim letzten Mal, denn schließlich sollen neue Messungen gemacht werden.
Angelika Harter und ihre Kollegin Lea Zimmermann sind beide Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen am Berliner Helmholtz-Institut; beide forschen an Solarzellen, die aus Perowskit hergestellt werden. Das Material, das Mitte des 19. Jahrhunderts im Ural in einer Gesteinsprobe entdeckt wurde und nach einem russischen Politiker und Mineralogen benannt wurde, kommt zwar vergleichsweise häufig vor. Im Zusammenhang mit Solarstromerzeugung wird allerdings erst seit 2009 an Perowskit geforscht und geschaut, wie effizient Solarzellen aus diesem Material Licht absorbieren und in Strom umwandeln können.
Seit ein paar Jahren purzeln dabei die Effizienz-Rekorde: Dezember 2020, das Unternehmen Oxford PV mit 29,52 Prozent; November 2021: Helmholtz-Zentrum Berlin, 29,80 Prozent; Juli 2022 Eidgenössisch Technische Hochschule Lausanne/Neuchatel: 31,25 Prozent. Dann wieder die Berliner Helmholtz-Forscher, die diesen Wert um 1,25 Prozent toppten. Deren neuer Weltrekord hielt wiederum nur ein halbes Jahr, bis er von Forschenden der King Abdul University of Science and Technology (KAUS) in Saudi-Arabien geknackt wurde: 33,7 Prozent Wirkungsgrad war im Mai 2023 die Höchstmarke. Und mittlerweile hat das chinesische Unternehmen Longi in seinem Forschungslabor mit 33,9 Prozent den Wert noch einmal überboten.
Auch wenn sich die Forscher mit ihrer internationalen Konkurrenz immer wieder zu neuen Rekorden anstacheln, gibt es noch so einige Herausforderungen. Da ist zunächst einmal die Größe: Sogenannte Tandemsolarzellen haben eine Kantenlänge von lediglich einem Zentimeter, Einzelzellen aus Perowskit sind noch kleiner. Solarzellen, die in einem der HZB-Labore bereits für den praktischen Einsatz hergestellt werden können, sind zwar größer, haben aber einen weitaus geringeren Wirkungsgrad als die Rekordhalter, die von der Serienreife noch weit entfernt sind.
Probleme gibt es unter anderem noch mit der Stabilität. Während Siliziumzellen auch nach 25 Jahren noch auf 80 Prozent Leistung kommen, sind es bei den kleinen Perowskitzellen „ein paar tausend Stunden, wenn es gut läuft“, sagt Lea Zimmermann. Um dahinter zu kommen, wie die Lebensdauer verlängert werden kann, simulieren die Forschenden im Helmholtz-Zentrum die Alterung der Zellen, im Labor und auf dem Dach eines der Gebäude. Die Zellen mögen keine hohen Temperaturschwankungen, reagieren auf Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit.
Wie lassen sich welche Teile der Zelle einkapseln, ohne dass die gewünschten Eigenschaften darunter stark leiden, ist eine der Fragen, der die Forschenden nachgehen. Oder die Frage nach der Dicke der Schichten: Die Schicht mit der Elektrik muss dick genug sein, um die dafür vorgesehenen kleinen Bauteile aufzunehmen, aber möglichst dünn, um so viel Licht auf die absorbierende Perowskitschicht durchzulassen. „Es ist immer ein trade-off“, sagt Lea Zimmermann, eine Suche nach Kompromissen. Allerdings eine Suche, die sich lohnt. Denn Solarzellen aus Perowskit, vor allem kombiniert mit Silizium, ermöglichen das Anzapfen der Sonnenenergie auf verschiedenen Wellenlängen. Zudem kann die Bandlücke von Perowskit durch Einbringen von Kationen und Anionen variiert werden. Ein weiterer Vorteil ist die Fähigkeit von Perowskit, auch in dünnen Schichten zu funktionieren. „Wir arbeiten mit 500 Nanometer-Dicken“, erläutert Angelika Herter.
Perowskit preislich viel günstiger als Silizium
Wissenschaftler, unter anderem des Freiburger Fraunhofer-Institutes für Solare Energiesysteme, sehen mit den Perowskit-Solarzellen durchaus eine neue Chance für die deutsche Solarindustrie, schließlich seien auch in China noch keine konkurrierenden Produktionen aufgebaut. Eine vielleicht ein wenig zu optimistische Einschätzung vor dem Hintergrund der Geschwindigkeit, mit der in China neue Industrieschwerpunkte gesetzt werden.
Nach dem Markteintritt über die Perowskit-Silizium-Tandem-Solarzelle könnten Module, bei denen Perowskit das Silizium ganz ersetzt, folgen. Sie wären preislich weitaus günstiger als die heutigen Nur-Silizium-Zellen. Die Abhängigkeiten von chinesischen Zulieferern könnte verringert werden, da Perowskit weitaus einfacher verfügbar ist. Für Hersteller wären die Investitionskosten geringer.
Die nach eigenen Angaben weltweit erste Serienfertigungslinie für Perowskit-auf-Silizium-Tandemsolarzellen hat das britische Unternehmen Oxford PV unter anderem mit Unterstützung der Universität Oxford in der Stadt Brandenburg an der Havel errichtet. Die Rekordwerte aus dem Labor werden allerdings nicht erreicht: Oxford PV spricht von mit der Tandemzelle möglichen 35 Prozent. In der Schweiz hat sich als Ausgliederung der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt EMPA ein Start-up vorgenommen, jährlich eine Million Perowskit-Solarzellen zu bauen. Sie sollen unter anderem die Stromversorgung in Feuermeldern und Fitness-Trackern sicherstellen.