Eines der großen Arbeitsmarktprojekte der neuen Bundesregierung ist der Umbau des Bürgergeldes, das zukünftig Grundsicherung heißen soll. Doch für Wirtschafts- und Arbeitsmarktwissenschaftler wird auch dieser Umbau keine Arbeitsmarktreform in Gang setzen.
Die Idee zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist über dreißig Jahre alt und stammt vom Drogeriemarkt-Gründer Götz Werner. Sein Ansatz: Jeder Bürger und jede Bürgerin erhalten eine garantierte Summe vom Staat, von der man auf jeden Fall leben kann.
Ob das funktioniert und mit welchen Folgen, das wollten das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) und die Wirtschaftsuniversität Wien in einer ersten Langzeitstudie in Deutschland herausfinden.
Die Ergebnisse überraschen
Allerdings wurde das Grundeinkommen nicht in der umfassenden Form angewandt, wie sie vom Erfinder mal vorgeschlagen wurde. Drei Jahre lang erhielten per Losverfahren ermittelte 122 Personen jeden Monat 1.200 Euro. Um überhaupt am Losverfahren teilnehmen zu können, mussten die Probanden über ein Nettoeinkommen zwischen 1.100 und maximal 2.600 Euro verfügen, zwischen 21 und 40 Jahre alt und alleinlebend sein.
Das Interesse war riesig. Mehr als zwei Millionen Menschen bewarben sich. Begründung für das rigorose Auswahlverfahren: Alles andere hätte den Rahmen der wissenschaftlichen Erhebung und Befragungen der Probanden gesprengt und wäre schon rein personell gar nicht zu bewerkstelligen gewesen.
Das Ergebnis verblüffte selbst die auswertenden Wissenschaftler, vor allem der Umstand, dass keiner der 122 Teilnehmer aufgehört hatte zu arbeiten, alle führten ihr bisheriges Leben weiter. Viele nutzten das zusätzliche Geld für Fortbildung, einige wagten einen beruflichen Neuanfang, den sie sich ohne die finanzielle Sicherheit durch das Grundeinkommen nicht getraut hätten.
Der Sozialwissenschaftler Jürgen Schrupp, der für das Deutsche Institut für Wirtschaft Berlin (DIW) die Langzeitstudie begleitet hat, sieht sich in seiner Annahme bestätigt. „Die Menschen wollen arbeiten, wollen aber auch persönliche berufliche Perspektiven umsetzen können, ohne darüber nachdenken zu müssen, ob sie am Ende des Monats noch ihre Miete bezahlen können.“ Nicht nur für ihn wäre das bedingungslose Grundeinkommen im Vorteil gegenüber dem Bürgergeld.
Grundsicherung statt Grundeinkommen
Schrupp will Kritik aufgrund der engen Auswahlkriterien der Probanden für die Langzeitstudie nicht gelten lassen. „So was kann man nur in so einem engen Umfeld durchführen. Worauf es uns ankam: Wir haben belegt, den Menschen ging es besser in ihrer Lebenssituation, und ihre Arbeitszufriedenheit hat erheblich zugenommen, was auch für die Qualität der verrichteten Tätigkeiten entscheidend ist“, so der Sozialwissenschaftler.
Erst einmal will die neue Bundesregierung aber das Bürgergeld durch eine Grundsicherung ablösen. „Es wird am System nicht viel ändern, ob es nun Hartz IV, Bürgergeld oder Grundsicherung heißt“, so Schrupp. Die Anreize zur Arbeitsaufnahme würden dadurch nicht mehr werden, so der Sozialwissenschaftler. Er macht sich wenig Hoffnung, dass das bedingungslose Grundeinkommen in Deutschland in absehbarer Zeit eingeführt wird. Dabei wäre es aus seiner Sicht grundsätzlich finanzierbar. „Wenn eine Gesellschaft bereit ist, kann man das über verschiedene Besteuerungsarten finanzieren. Aber das ist die große Frage, inwieweit Steuererhöhungen und auch Streichen von Steuerbegünstigungen, was ja sozusagen die gleiche Seite der Medaille wäre, wirklich auch politisch umsetzbar sind.“ Für Schrupp käme dies einer sozialen Revolution gleich, „man müsste vor allem von oben nach unten, beziehungsweise eher in die Mitte umverteilen.“ Dazu bräuchte es aber „sehr mutige Politiker“.