Acht Teenager gründeten 1990 die Band „Savoy Truffle“. Demnächst tritt sie in Saarbrücken bei der Soirée der Veranstaltungsreihe „Sonntags ans Schloss“ auf. „Klassensprecher“ Zippo Zimmermann blickt auf die Bandgeschichte.
Zippo, welche Vision hattet Ihr bei der Gründung von Savoy Truffle?
Nun ja, Vision ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Zunächst wollten wir ganz viel Spaß haben und witzige und überraschende Musik machen. Und uns nicht so extrem wichtig nehmen wie andere Rockbands.
War es nicht völlige Utopie, dass die Band so viele Jahre Bestand haben würde?
Klar. Wenn du 19 Jahre alt bist, ist zehn Jahre in der Zukunft schon reine Science-Fiction. So war es für uns zumindest. Ich weiß nicht, ob die jungen Leute heutzutage immer noch so drauf sind, oder ob die mit 19 schon ihre Altersvorsorge klargemacht haben. Schlau wären sie dann ja.
Wie viel Beatles respektive George Harrison steckt heute noch in Eurer Band? Ihr habt Euch schließlich nach dem gleichnamigen Harrison-Song und Beatles-Album benannt.
Dass es ein George Harrison-Song wurde, war eher Zufall. Wir wollten uns auf jeden Fall nach einem Beatles-Song der Spätphase benennen. Aber nicht so was Offensichtliches wie „Lucy In The Sky“ oder so, damit es nicht so rüberkommt, als wären wir eine Coverband. Dass unser Bandname jetzt nur von Kennern und Liebhabern erkannt wird, ist uns ganz recht. Wir sind ohnehin mehr Freunde der subtilen Anspielung. Wer unsere letzten drei Alben sorgsam durchhört, kann jede Menge Anspielungen auf Musik der 60er- und 70er-Jahre entdecken.
Was davon noch in der Band steckt? Spätestens ab 1966 war bei den Beatles alles möglich, trotzdem waren sie immer Pop. Und genau so sehen wir uns auch: eine Popband, bei der alles möglich ist. Ansonsten klingen wir selbstverständlich völlig anders als die Beatles – allein schon wegen der Besetzung.
Hast du eine Idee, wie die Beatles heute klingen würden?
Also wenn es die Beatles immer noch gäbe, würden sie circa alle fünf bis zehn Jahre ein nicht schlechtes, aber belangloses Album rausbringen und anschließend auf eine Greatest Hits-Stadion-Tour gehen. Wenn du aber meinst, dass es heute noch mal eine Band wie die Beatles geben könnte: Das ist leider unmöglich. In der Musik ist spätestens seit der Jahrtausendwende schon alles gesagt und alles gemacht worden. Jeglicher Sound dieser Welt ist auf Knopfdruck erzeugbar. Vielleicht gibt’s allenfalls ein paar Stile, die noch nicht kombiniert worden sind: Freejazz und Volksmusik vielleicht.
Nichtsdestotrotz finden wir es absolut toll, im 21. Jahrhundert zu leben. Wir können unsere Musik selbst aufnehmen und abmischen, unsere Musikvideos selbst drehen und schneiden, und problemlos unsere Musik weltweit veröffentlichen. Fantastische Zeiten!
Euer Slogan lautet „Unchartable Pop“ – der ist eindeutig zweideutig: Ihr macht Musik, die nicht in die Charts kommt. Oder Ihr schreibt Songs, die mit einem Genrebegriff nicht zu erfassen sind und nicht auf die Poplandkarte passen. Kommt das hin?
Genau! Die Lieder sind fast immer ein bisschen zu schräg oder zu lang fürs Radio. Das ist der eine Aspekt von „Unchartable“. Der andere ist, dass wir gern Journalisten ärgern, weil sie uns nicht einordnen können. Es gibt einen Journalisten, der sagt gern solche Dinge wie „Er ist der deutsche David Bowie“, „Sie ist die französische Kate Bush“ oder „Sie sind die Pfälzer Toten Hosen“. Nur warum sollte ich mir eine Platte vom deutschen David Bowie kaufen, wenn ich das Original haben kann? Wir geben uns alle Mühe, dass man uns niemals „die saarländischen Sowieso“ nennen wird.
Nach außen hin wirkst Du als Kopf der Band. Trifft das zu oder ist Savoy Truffle eine demokratische Gruppe?
Ich bin nur der Klassensprecher und Chef-Ideologe. Zu sagen habe ich in der Band nix beziehungsweise genauso viel wie alle anderen auch. Wie auch? Sie sind ja nicht meine Angestellten.
Ist es schwierig, so viele Musikerinnen und Musiker unter einen Hut zu bekommen – für Proben, Auftritte oder Entscheidungsprozesse?
Ja, sehr! Wir spielen aus Termingründen maximal die Hälfte der Auftritte, für die wir Angebote haben.
Gab es schon Entscheidungen oder Momente, die ihr als Band bereut habt?
Jemand wollte uns mal einen Gefallen tun und hat uns einen gut bezahlten Gig bei der Eröffnung eines Schickimicki-Ladens in München besorgt. Dort ist uns dann klar geworden: Wir sind Künstler und keine Dienstleister. Ansonsten gibt es natürlich jede Menge Entscheidungen, die man in dem Moment bereut hat – etwa mit dem altersschwachen Bandbus vor dem Gig noch einen Abstecher auf einen Berggipfel zu machen. Solche Momente kann man aber später am Kamin als super Storys seinen Enkelkindern erzählen.
Ich kann es nicht ganz einschätzen, würde aber sagen, Ihr seid im Saarland sehr bekannt, aber weit über die Landesgrenzen hinaus nicht. War das nie Eure Intention? Seid Ihr mit dem aktuellen Status vollkommen zufrieden?
Wir finden schon, dass es unsere Musik verdient hätte, ein paar mehr Leute zu erreichen. Allerdings fehlt uns jemand, der sich um Booking und Promotion kümmert. Das läuft im Moment größtenteils per Mund-zu-Mund-Propaganda und Empfehlungsmarketing.
Warum stieg Sängerin Awa Taban-Shomal Anfang des Jahres aus?
Awa hat uns Ende 2021 gebeten, eine Nachfolgerin zu finden, weil absehbar war, dass sie ihr Café Zing wegen des Abriss des Gebäudes schließen muss und sie über ihre weitere Lebensplanung im Unklaren war.
Ihre Nachfolgerin ist Sarah Dahlem, eine Absolventin der Saarbrücker Hochschule für Musik. Da hattet ihr Glück, so schnell einen Ersatz gefunden zu haben.
Das war eigentlich gar nicht so schnell. Wir haben fast ein Jahr lang gesucht.
Werden mit Sarah die neuen Songs wieder eine andere Färbung erhalten?
Logisch. Sarah singt anders und klingt anders als Awa. Und das ist auch gut so. Manche sagen, sie klingt moderner, poppiger.
Wo siehst Du die Band in zehn Jahren?
Auf der Bühne – wo sonst? Wir machen das so lange weiter, wie es uns Spaß macht. Aber auch nicht länger. Es könnte also auch durchaus sein, dass es Savoy Truffle nächstes Jahr nicht mehr gibt.