Tunesien ist nicht nur wegen der tollen Strände eine Reise wert. Im Zentrum des nordafrikanischen Landes sind spannende antike Ausgrabungen zu entdecken.

Fernab der Strände und Badeorte in Tunesien gibt es prächtige antike Stätten, die oft auch einen Bezug zum Christentum haben. Touristen kommen kaum hierher, so haben die wenigen Besucher meistens das geballte Altertum für sich. Da die Ausgrabungen zum großen Teil im Zentrum des Landes liegen, ist es ratsam, mit dem Mietwagen zu kommen. Das öffentliche Verkehrsnetz ist kaum ausgebaut, und das eigene Auto ist am besten, um auch weite Strecken effizient zurückzulegen.
Was den Besucher erwartet, lässt sich schwer in Worte fassen. Angesichts der Schönheit der meisten Anlagen sind Reisende schlicht überwältigt. Sbeitla, einst Sufetula, und Dougga sind zwei dieser glanzvollen Anlagen.
Die Guides sprechen mehrere Sprachen
Mitten in der zentraltunesischen Steppe liegt das weitläufige antike Sufetula. Rund vier Euro kostet der Eintritt, das ist der Einheitspreis zu fast allen antiken Stätten des Landes. Besucheranstürme sind hier nicht zu erwarten. Ein paar Reiseführer am Eingang bieten ihre Dienste an. Nach der langen Corona-Pause freuen sie sich, endlich wieder arbeiten zu können. Ihre Dienste sollten Besucher in Anspruch nehmen, denn mit ihrem Wissen führen sie tief hinein in die Vergangenheit mit all ihren Facetten und Besonderheiten. Die Guides sprechen die meisten europäischen Sprachen, an mangelnder Verständigung wird der Rundgang nicht scheitern.
Touristenführer Habib Haji arbeitet seit 40 Jahren im Dienst der Antike. Er erzählt, dass er oft bei archäologischen Ausgrabungen dabei war und die Arbeit der Forscher begleitete. Vieles hat er sich eingeprägt und aufgeschrieben. Sein Wissen ist umfangreich, egal, ob er es auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch vermittelt. Rund zehn Euro möchte er als Honorar, ganz egal, wie lange die Tour dauern wird. Für selbstständig Reisende ist es ein echter Vorteil, die Dienste der Begleiter in Anspruch zu nehmen, die in ihren Vorträgen tief in die Historie eintauchen.
Haji berichtet vom römischen Ursprung der Ruinen. Die Stadtgründung soll ungefähr auf das Jahr 140 nach Christus zurückgehen. „Sie könnte aber auch schon 70 Jahre früher stattgefunden haben“, erklärt der 69-Jährige. Er deutet auf die Umrisse einer Olivenmühle. Das ungeübte Auge würde sie als solche kaum erkennen. „Nicht nur als bedeutender Verkehrsknotenpunkt zwischen den Oasen im Süden und den Häfen im Westen war Sufetula bekannt, sondern auch für seine ausgezeichneten Olivenprodukte“, ergänzt er.
Die Stätte gehörte zur römischen Provinz Byzacena und war auch Bischofssitz. Ab 238 nach Christus hatte der Ort Stadtrechte inne. Während seiner Blütezeit im dritten und vierten Jahrhundert nach Christus lebten innerhalb seiner Mauern rund 10.000 Menschen. Ab 411 nach Christus regierte Bischof Jucundus die Stadt, Mitglied des christlichen Konzils im nördlich gelegenen Karthago. Ein Meilenstein in der christlichen Geschichte war Statthalter Gregorius im Jahr 646 zuzuschreiben, als er sich vom byzantinischen Kaiser Konstantin II. abwandte und stattdessen selbst zum Kaiser bestimmte. „647 nach Christus, mit dem Herannahen der Araber, beschloss Gregorius, die Stadt zu seinem strategischen Hauptquartier und einer wichtigen Verteidigungsstätte zu machen, um den Eroberern zu begegnen. Lange war ihm die neue Macht aber nicht vergönnt, denn Gregorius fiel kurz darauf im Nahkampf“, erklärt Habib Haji. „Angeblich befand sich unter den vielen Gefangenen auch seine Tochter, die nach Ägypten verschleppt wurde. Dort soll sie einen arabischen Namen erhalten haben.“
Das war der Beginn vom unausweichlichen Niedergang des christlichen Sufetula. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts wurde die Stadt aufgegeben und eine neue Siedlung mit dem Namen Sbeitla ausgerufen. Diese gibt es bis heute. Haji deutet in die Ferne: Die Umrisse von sechs Basiliken erinnern Besucher bis heute an die Blütezeit Sufetulas.
Rund zweieinhalb Stunden Autofahrt trennen die Ruinen von Sbeitla von denen in Dougga weiter nördlich. An Erhabenheit steht das schmeichelnd, aber zutreffend „Pompeji Nordafrikas“ genannte Dougga Ersterem in nichts nach. Zum Glück wütete hier kein Vulkanausbruch wie in Süditalien, und der über 2.000 Jahre alte Ort mit seinen vielen Gebäuden, einem Amphitheater, Tempel und Basiliken blieb hervorragend erhalten. Beim Schlendern durch das heutige Unesco-Welterbe ist die Stadtstruktur mit Straßen, Mauern und den Marktplatz gut zu erkennen. Bis zu 5.000 Menschen lebten einst hier in der Steppe Nordafrikas, auf die man heute noch faszinierende Ausblicke hat.
Wahrscheinlich wurde das Christentum in Dougga schon sehr früh gepredigt. Christliche Überreste sind an vielen antiken Stätten zwar sichtbar, aber literarische Belege darüber sind, verglichen mit anderen Stätten auf der Welt, in Tunesien eher gering. Es ist auch nicht sicher belegt, dass Dougga einst Bischofssitz war, denn von den fünf Bischöfen, die zwischen 256 und 484 in kirchlichen Dokumenten bezeugt sind, ist keiner verlässlich der Stadt Dougga zuzuordnen.
Ein Toten- und Märtyrerkult

Aus archäologischer Sicht ist die Kirche St. Victoria, die außerhalb der Stadtmauern und im Bereich der Nekropole errichtet wurde, Teil eines Toten- und Märtyrerkultes. Sie wurde 1907 von dem französischen Archäologen Louis Poinssot entdeckt. Seine Ausgrabungen wurden zwischen 1909 und 1912 abgeschlossen. Die Kapelle stammt vom Ende des 4. und Anfang des 5. Jahrhunderts.
Hier lassen sich charakteristische Elemente der afrikanischen Kirche in Bezug auf die Totenzeremonie und den Kult um christliche Märtyrer nachweisen. Außerdem sind die Krypta und weitere Gräber zu erkennen. Es gibt verschiedene Inschriften und Widmungen mit Hinweisen, die aber in literarischen Quellen nicht erwähnt werden.
Bestattungen fanden nicht nur außerhalb der Kirche statt. Etwa 30 Sarkophage zeugen von privilegierten Beerdigungen im Inneren des Gotteshauses. Belegt sind auch Mahlzeiten, die zu Ehren der Toten in der Kirche eingenommen wurden, wie das oft auch bei anderen christlichen Begräbnissen der Fall war und in abgewandelter Form auch heute noch ist.
Habib Haji findet an seinem Beruf am schönsten, dass er die fremden Besucher immer wieder zum Staunen bringen kann. Wer genug Zeit mitbringt, kann unterwegs weitere Orte entdecken, die immer noch als Geheimtipps gelten.