Seit Jahren ist der Fotograf Olaf Otto Becker den Auswirkungen des Klimawandels auf der Spur. Seine Fotos zeigen kalbende Eisberge, schmelzenden Permafrostboden und zerstörte Regenwälder. Im Deutschen Technikmuseum zeigt die Ausstellung „Signs of Change“ eine Auswahl beeindruckender Aufnahmen.
Eisberge können wie Skulpturen aussehen. Sie sind majestätisch und von vergänglicher Schönheit. Wenn das Licht sie erstrahlen lässt und sich ihre Umrisse im Wasser spiegeln, wirken sie beeindruckend und fast wie Objekte aus einer anderen Welt. Doch es ist unsere Welt, deren Landschaften und natürliche Ressourcen sich in rasantem Tempo verändern. Fotograf Olaf Otto Becker hält diese fragile Schönheit wie ihre Zerstörung mit seiner Kamera fest. „Für mich sind Eisberge einzigartige Zeugen der Verwandlung“, sagt er. Der Klimawandel sei nirgends so anschaulich zu verfolgen wie beim Schmelzen und Brechen des arktischen Eises.
Beckers großformatige Aufnahmen sind wie Gemälde. Eisberge tauchen mehrfach auf. Einen besonders großen hat er in der Diskobucht an der Westküste Grönlands eingefangen, als dieser urplötzlich mit donnernden Kanonenschlägen auseinanderbrach.
Gravierende Eingriffe in die Natur
Mehrfach nahm Becker an internationalen Forschungsexpeditionen teil. Für seine Bildserien begibt er sich immer wieder an Orte, an denen die Auswirkungen des Klimawandels sichtbar und erfahrbar sind. Seit über 30 Jahren hält er diese Landschaften mit seiner Kamera fest.
Olaf Otto Becker, Jahrgang 1959, ist in Travemünde bei Lübeck aufgewachsen. Obwohl es ihn zur Malerei hinzog, studierte er Kommunikationsdesign, Philosophie und Religionswissenschaften in Augsburg und München. Seiner künstlerischen Neigung ging er privat nach. Er war für die interne Kommunikation großer Unternehmen zuständig und fand den Ausgleich zur Bürotätigkeit beim Fotografieren in der Natur. Über den Bildband „Norddeutsche Agrarlandschaften“ von Heinrich Riebesehl entdeckte er eine Fotografie, die zeigt, welche Auswirkungen das Handeln des Menschen auf die Landschaft hat. Von da an wusste Becker, wie er als Fotograf arbeiten wollte.
Auf der Suche nach ursprünglichen Landschaften reiste er nach Island und fand stattdessen gravierende Eingriffe in die Natur wie durch den Bau von Kraftwerken. Er begann die Veränderungen für die – bis heute fortgesetzte – Serie „Under the Nordic Light“ zu dokumentieren. Darunter finden sich auch Bilder von Gletschern, die schon innerhalb weniger Jahre erheblich kleiner geworden sind.
Mit einem Schlauchboot fuhr der Fotograf in Etappen über 4.000 Kilometer an der grönländischen Küste entlang und komponierte aus den Fotos anschließend den Bildband „Broken Line“. Für die Serie „Above Zero“ hingegen wanderte er über das Inlandeis Grönlands und fotografierte einige der zahlreichen Gletscherbäche und -flüsse, die ihren Weg durch das Eis nehmen.
Eine New Yorker Galerie wurde auf seine Arbeiten aufmerksam und zeigte eine Ausstellung. Das war der Durchbruch, der Becker ermöglichte, sich ganz auf die Fotografie zu konzentrieren. Es folgten weitere Ausstellungen in zahlreichen Städten in Europa, Asien und den USA. Heute sind seine Arbeiten weltweit in namhaften Sammlungen wie dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem National Museum of Photography in Kopenhagen und der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages vertreten.
Palmöl-Felder verdrängen Urwälder
Nach der intensiven Beschäftigung mit eis- und schneebedeckten Landschaften, beispielsweise in Grönland, wandte sich Becker tropischen Regenwäldern zu. Zunächst fotografierte er den noch erhaltenen Urwald in Malaysia und Indonesien und anschließend die Zerstörung, die gigantischen Stoppel- und Palmöl-Felder auf Borneo und Sumatra. „Veränderung gehört zum Leben dazu, sie hat es immer gegeben, aber in den letzten Jahrzenten hat der Mensch zunehmend in diese Abläufe eingegriffen und Veränderungen in größerem Ausmaß und in kürzerer Zeit verursacht, als sie in der Natur üblich waren“, erklärt der Fotograf. Die Menschheit sei dabei, ihre Lebensräume zu zerstören. Seine Bilder machen diese Zerstörung in erschreckender Schönheit sichtbar. Er wolle nicht anklagen, sondern Denkanstöße geben und das Bewusstsein für die Klimakrise fördern. Das sei notwendig, um Veränderungen auf den Weg zu bringen, sagt Becker. „In den letzten Jahren ist ja schon viel passiert, aber es sind immer noch viele, viele Anstöße nötig, um alle Menschen zu erreichen“, so der Fotograf.
Seine Arbeit trieb ihn auch nach Sibirien. Ein Foto in der Ausstellung zeigt den schmelzenden Permafrostboden, der durch Wind und Wellen zu bizarren Skulpturen geformt wird. Die Aufnahme entstand auf der kleinen Insel Muostach vor der nordsibirischen Küste, in spätestens 100 Jahren wird diese verschwunden sein. Als Begleiter einer Forschungsexpedition 2019 dokumentierte er nicht nur das Tauen des Permafrosts, er beschäftigte sich auch mit dem Leben der Bewohner im Norden Sibiriens. Die Einwohner der Stadt Tiksi erhoffen sich beispielsweise durch den Klimawandel eine bessere Zukunft. Seit dem Niedergang der Sowjetunion ging es in der Region bergab. Becker hielt die Zeichen dieses Verfalls fest: ein verrostetes Schiffswrack, eine eingestürzte Sporthalle, heruntergekommene Häuser. Doch seit einiger Zeit ist im Sommer die Nord-Ost-Passage, die Atlantik und Pazifik verbindet, befahrbar. Der zunehmende Schiffsverkehr bringt einen bescheidenen Wohlstand in die Region. Im Zuge der Erderwärmung werden Schiffe das ganze Jahr über die Passage im Nordpolarmeer durchfahren können.