Das britische Formel-1-Star-Ensemble McLaren ist seit WM-Auftakt das Maß aller Dinge. Bei Ferrari brodelte es dagegen. Die Traumehe mit „Messias“ Lewis Hamilton hat einen Stotterstart. FORUM analysiert Hintergründe des bisherigen Saisonverlaufs.

McLaren fährt derzeit (noch) Kurs auf Fahrer- und Konstrukteurs-WM. Die Steuermänner in den Papaya-Boliden sind der Brite Lando Norris (25) und sein australischer Teamkollege Oscar Piastri (24). Auch nach dem siebten von 24 Rennen (Monaco vom vergangenen Sonntag wegen Redaktionsschluss nicht berücksichtigt) steht der letztjährige Konstrukteurs-Weltmeister an der Spitze der Teamwertung. Beide Papaya-Piloten haben sich auf den Plätzen an der Sonne eingenistet. Mit Auftaktsieg von Norris (Australien) und vier Triumphfahrten von Piastri (China, Bahrain, Saudi-Arabien, Miami), machte das McLaren-Erfolgsduo fette Beute im Titelkampf. In Japan und Imola durchkreuzte Weltmeister Max Verstappen mit jeweils einem Red-Bull-Sensationssieg die McLaren-Dominanz. Kurz zu Imola: Mit einem aggressiven, meisterhaften, beeindruckenden Traumüberholmanöver übertölpelte ein schwer zu bändigender „Bulle Max“ mit der Verstappen-Magie 595 Meter nach dem Start den führenden Piastri. Mit diesem Manöver brachte sich Verstappen als WM-Dritter in Lauerstellung. Letzter der sieben McLaren-Non-Champions, die dem Traditionsteam seit seinem Formel-1-Debüt (22. Mai 1966, Monaco) insgesamt zwölf Fahrerweltmeisterschaften beschert haben, war 2008 Lewis Hamilton.
Norris und Piastri im Blickpunkt

17 Jahre später eilt der Rennstall aus Woking mit großen Schritten in der WM voran. Oscar Piastri (146 Punkte) und Lando Norris (133) führten vor Monaco die Fahrerwertung an, in der Markenwertung liegt ihr Team (279) vor Mercedes (147), Red Bull (131) und Ferrari (114). Da stellt sich die Frage: Was kann McLaren im Titelrennen 2025 noch stoppen? Zwei Fahrer aus einem Team auf Titelkurs, kann das gut gehen? Noch setzen Geschäftsführer Zak Brown und Teamchef Andrea Stella auf zwei Nummer-1-Fahrer. „Sie sind gleichauf, sie liefern sich harte Rennen. Ich glaube, wir haben noch keinen wirklich epischen Kampf zwischen ihnen gesehen, aber dieser Tag wird kommen, ich freue mich darauf“, so Brown. Der Tatsache, dass es im Titel-Duell krachen wird und der Stallkrieg eskaliert, blickt der US-Amerikaner gelassen entgegen. „Es ist nur die Frage, wann es passiert und nicht, ob es passiert. Wenn zwei Autos 24-mal im Jahr miteinander kämpfen, dann passiert so etwas“, meint Brown. Dem 53-Jährigen wäre es am liebsten, ohne sich auf einen seiner Piloten festzulegen, „die beiden würden die Siege unter sich ausmachen, und wir kümmern uns dann später um die Frage, wer als Erster und wer als Zweiter ins Ziel kommt.“
Hamilton fährt hinterher

Zwei gleichwertige Fahrer in einem Team sind Fluch und Luxus zugleich. An einem Punkt der WM wird McLaren auf einen Fahrer setzen müssen. Im Vorjahr haderte der britische Rennstall damit, Teamorder auszusprechen. Ein Fehler, der dazu beitrug, dass das Team nur den Konstrukteurspokal und nicht auch die Fahrer-WM gewann. „McLaren fehlt ganz einfach die Brutalität, die es braucht, um zu gewinnen“, ist Formel-1-Experte Christian Danner überzeugt. „Einen Stallkrieg kann sich McLaren nicht leisten.“ Die Frage lautet: Sollte das Team jetzt eine klare Richtung vorgeben, oder sollte man beide Fahrer weiter frei gegeneinander fahren lassen? Vor der Saison war Lando Norris Titelkandidat Nummer eins. Mit vier Saisonsiegen fährt Oscar Piastri in der Form seines Lebens. Für viele Experten ist der „Kiwi“ der kommende Weltmeister. Der jüngere Australier mit 53 Grands Prix ist dem älteren Briten (134 Formel-1-Einsätze) mental weit überlegen. Das zeigen in seiner dritten WM-Saison seine Attacken gegen die Gegner, gegen die er die Ellbogen ausfährt und nicht wie Norris zurücksteckt. Schon vor Saisonstart verkündete Piastri lautstark: „Ich denke, dass ich dieses Jahr Weltmeister werden kann.“ Das dachte sich auch Lewis Hamilton. Mit seinem neuen Team Ferrari wollte der einstige Abo-Weltmeister mit WM-Titel Nummer acht alleiniger Rekordchampion werden (bisher gleichauf mit Michael Schumacher sieben Titel). Wir erinnern uns, was der Neuankömmling in Maranello sagte: „Ich bin hier, um Geschichte zu schreiben. Ferrari hat alles, was es braucht, um erfolgreich zu sein, und ich werde mein Bestes geben, um meinen achten Titel zu holen.“ Doch von diesem Vorhaben ist der 105-fache Grand-Prix-Sieger nach sieben Rennen weit entfernt. Dabei war die anfängliche Euphorie ungebremst. Der rote Rennstall sammelte die meisten Punkte aller zehn Formel-1-Teams und verpasste den WM-Titel bei den Konstrukteuren nur um 14 Zähler. Das machte Hoffnung auf mehr. Und die Zielrichtung war klar: Nach dem letzten Fahrer-Titel 2007 (Kimi Räikkönen) und der Marken-WM 2008 sollte endlich wieder ein Pokal nach Maranello.

Ferrari und Lewis Hamilton – kann das gut gehen? Was als rote Formel 1-Traumehe begann, hat mittlerweile mehr als nur ein paar Risse erhalten. Nach der Traumhochzeit herrscht bei der Scuderia Tristesse. Die Lust ist in Frust umgeschlagen. Wird aus dem Formel-1-Traum ein Albtraum? „Meiner Meinung nach, ist Ferrari das Team, das bisher am stärksten enttäuscht hat, nachdem sie die Saison 2024 so stark beendet haben“, kritisierte der frühere Formel-1-Pilot Jolyon Palmer den Rennstall in seiner Kolumne für die offizielle Website der Königsklasse F1.com. Die Ergebnisse entsprechen bei Weitem nicht den Ansprüchen der stolzen Italiener: Kein Grand-Prix-Sieg, nur ein Podium durch Charles Leclerc (Dritter in Saudi-Arabien), nur Vierter in der Konstrukteurs-Wertung, in der Fahrer-WM nur die Plätze fünf (Leclerc/61 Punkte) und sechs (Hamilton/53). Hamiltons bestes Ergebnis? Platz vier bei seinem ersten Heimrennen in Rot beim Grand Prix der Emilia Romagna in Imola, erstmals kam er vor Teamkollege Leclerc (Platz sechs) ins Ziel. Mit diesem Ergebnis sendete der Neuankömmling ein kleines Lebenszeichen. Bisheriges Saisonhighlight des 40-jährigen Hamilton war sein Überraschungssieg beim Samstags-Quickie, dem Sprint in Shanghai/China. Ob mit seinem Ritt von Startplatz zwölf in Imola aber der rote Knoten geplatzt ist? Halten wir’s mal mit Franz Beckenbauer und seiner beliebtesten Lebensweisheit: „Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“
„Wir sind noch keine Einheit“

Noch schlimmer ist das Bild, das die Scuderia abgibt. Die Fahrer, die im Mittelfeld herumdümpeln, sowie der Kommandostand stritten mehrfach über den Boxenfunk wie zuletzt in Miami. Der Druck auf Ferrari ist enorm. Besonders bei Hamilton. Der Rekordweltmeister bittet um Zeit und Geduld und erinnert an seinen Wechsel von McLaren zu Mercedes: „Als ich 2013 zu Mercedes kam, waren die ersten sechs Monate auch zäh. Ich musste mich erst daran gewöhnen, mit den neuen Leuten zusammenzuarbeiten. Lange Zeit habe ich meinen Fahrstil dem Auto aufgedrückt, es auf mich getrimmt. Umgekehrt ist es jetzt so, dass meine Ingenieure bei Ferrari es gewohnt waren, das Auto für einen anderen Fahrer mit einem anderen Fahrstil abzustimmen.“ Der einst erfolgsverwöhnte Mercedes-Superstar und Seriensieger kam nach Maranello in der Hoffnung, mit einer gutmütigen roten Göttin herumzufahren. „Wir sind noch keine Einheit. Das Wohlbefinden im Auto ist noch nicht vorhanden“, verweist Hamilton immer wieder auf seine Situation. Der rote Knoten ist beim siebenmaligen Champion mit 363 Rennen noch nicht endgültig aufgegangen. Fazit: Hamilton und sein Dienstfahrzeug haben noch nicht zusammengefunden.
Viele meinen, Hamilton habe seinen Zenit überschritten. Im Gegensatz zu seinem Teamgefährten Charles Leclerc. Mit ihm hat Hamilton nicht nur einen schnelleren Konkurrenten, sondern auch einen Ferrari-Insider innerhalb der roten Familie an seiner Seite. Der Monegasse mit 27 Lenzen, 13 Jahre jünger als sein neuer Rennstallgefährte, bisher achtfacher GP-Sieger, spricht perfekt Italienisch, kennt Team und Auto in- und auswendig. Hamiltons Teamchef Frédéric Vasseur prophezeit: „Lewis, wir kämpfen.“ Die Unterstützung seines Teamchefs ist Hamilton gewiss. „Ich stehe voll und ganz hinter Lewis, wir werden versuchen, die Gründe für die Probleme und Lösungen dafür zu finden“, ließ der 56-jährige Franzose verlauten. Und sein Ex-Mercedes-Chef Toto Wolff ist sich sicher: „Wenn sich Lewis bei Ferrari komplett angepasst hat, dann wird er auch seine Magie wieder auspacken.“
Briatore zieht wieder die Strippen

Der Kampf um die McLaren-Vormachtstellung tobt auch ziemlich intensiv hinter den Kulissen. So war Liam Lawson auf dem Schleudersitz neben Red-Bull-Teamkollege Max Verstappen nicht der Erste der sechs Formel-1-Rookies, der vorzeitig sein Cockpit räumen musste. Nach nur zwei Rennen wurde der Neuseeländer ins B-Team der Bullen zurückdegradiert (FORUM-Story in Ausgabe 20). In Imola ersetzte der Argentinier Franco Colapinto (21) den Australier Jack Doohan (22). Nach gerade einmal sechs Rennen bestätigten sich die Spekulationen, dass der Alpine-Pilot seinen Platz überraschend dem Argentinier überlassen musste. Doohan hatte nie eine echte Chance bei Alpine. Das Aus des Rookies soll schon beschlossene Sache gewesen sein, bevor er überhaupt so richtig loslegen konnte. Strippenzieher hinter der Doohan-Degradierung zum Ersatzfahrer war ein „Relikt aus vergangener Zeit“, das skandalumwitterte Urgestein Flavio Briatore (75). Der Italiener, Benetton-Teamchef 1994 und 1995 bei den WM-Triumphen von Michael Schumacher und 2005 und 2006 bei Renault in gleicher Funktion Weltmeister-Macher von Fernando Alonso, kehrte als Chefberater bei Alpine in die Formel 1 zurück. Nach dem Aus von Teamchef Oliver Oakes führt jetzt Briatore als Big-Boss das Team mit harter Hand. Die Zielsetzung für seinen neuen Fahrer definierte Briatore vor dem Imola-Wochenende so: „Colapinto müsse schnell sein, darf keine Unfälle bauen und soll Punkte holen. Das sind die drei Dinge, die ich von ihm verlange.“
Keine der drei Vorgaben konnte Colapinto in Imola erfüllen. Im Qualifying crashte er, und im Rennen ging er als 16. leer aus. Der Fahrertausch – ein unrühmlicher Start für Colapinto und seinen Chef Briatore.