Seit die Gaspreise steigen, nimmt das Interesse an Holzöfen sprunghaft zu. Während Handwerker unter der Nachfrage ächzen, warnen Umweltverbände vor giftiger Luft – und Kriminelle wittern ein Geschäft.
Vor dem Einfamilienhaus in Brüggen (Kreis Viersen) parken gleich mehrere Handwerker. Das heimelige Anwesen – Backsteinmauer, Reetdach, Holzfenster – soll innen komplett saniert werden, bevor die neuen Bewohner einziehen. Während im Garten ein Mäh-Roboter den Rasen stutzt, legt Marcus Breuer im Wohnzimmer die Wasserwaage an. Der Ofen-Installateur prüft den frisch eingebauten „Magic 100", einen Holzkamin mit Drehtür und „rückwärtiger Befeuerung", wie der Experte erklärt. „Ein ganz tolles Gerät", schwärmt der 46-Jährige. „Das ist ein richtiges Möbelstück."
Günstig ist eine solche Anschaffung nicht, schon gar nicht, wenn Sonderwünsche hinzukommen. So wie in diesem Fall: Weil die Kunden einen Fernseher neben dem Kamin anbringen wollen, braucht die Wand eine Dämmung. „Wir müssen aufpassen, dass der Fernseher nicht zu viel Wärme abbekommt", erklärt Breuer. Das führt allerdings dazu, dass die Kosten steigen: Bei solchen Individualbauten müsse man mit mindestens 10.000 Euro rechnen.
Doch nicht nur Premium-Kamine sind gefragt. „Schon die letzten Jahre hatten wir keine Langeweile", sagt der Handwerker. Neben Neubauten kümmert er sich um die Wartung und Reaktivierung bestehender Anlagen; auch Schornsteine baut er ein. „Seit dem Ukraine-Krieg kommen wir damit aber kaum noch nach", seufzt Breuer. „Manchmal brauche ich zwei Wochen, um eine Mail zu beantworten." Der Grund des Ansturms ist immer gleich: Breuers Kundinnen und Kunden sorgen sich vor dem Winter, vor exorbitanten Gaspreisen und vor Wohnzimmern, die im Ernstfall kalt bleiben.
Wälder leiden unter Holz-Boom
So sehr Breuer diese Sorgen auch nachvollziehen kann: Die Chance, im aktuellen Winter noch einen Holzofen zu bekommen, schätzt er als gering ein. „Ich verdiene mir keine goldene Nase daran, denn ich habe nichts zu verkaufen", sagt der Handwerker. „Die Branche ist auf eine solche Nachfrage einfach nicht eingestellt." Momentan müsse man mit einer Wartezeit von bis zu einem Jahr rechnen. Bei Maßanfertigungen wie in Brüggen könne es ein wenig schneller gehen. „Trotzdem springen viele Kunden ab, wenn sie von den Wartezeiten erfahren. Die wollen ja jetzt heizen und nicht erst nächsten Sommer."
Carolin Tappeßer aus Brüggen ist froh, dass es bei ihr geklappt hat. „Bevor wir renoviert haben, gab es hier ein großes Kaminzimmer mit einem Ofen", berichtet die 35-Jährige. „Deshalb war für uns klar, dass hier wieder ein Kamin reinmuss." Neben dem gemütlichen Anblick spielen für Tappeßer auch die gestiegenen Energiepreise eine Rolle. „Wir haben das Haus gerade erst gekauft. Es hat eine Gasheizung. Da werden wir den Ofen sicherlich auch zum Heizen nutzen." Doch auch die Optik zählt: „Wir wollen von möglichst vielen Stellen das Feuer sehen, das war uns wichtig."
Lange Zeit galten Indoor-Feuerstellen als Auslaufmodell, nicht nur wegen des Aufwands (Holz kaufen, Holz nachlegen, Asche entfernen), sondern auch wegen der damit verbundenen Luftverschmutzung. Die Vorstellung, im Winter mit Schal und Mütze im Wohnzimmer zu sitzen, wiegt in vielen Haushalten aber offenbar schwerer: Deutschlandweit berichten Händler von einem regelrechten Ansturm auf Kamine und Brennholz. Feurig ist dabei nicht nur die Ware, sondern auch der Preis: Laut Statistischem Bundesamt kosteten Brennholz und Holzpellets im August 85,7 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Als Grund nennen die Statistiker hohe Beschaffungs- und Transportkosten in der Industrie. Und die hohe Nachfrage.

„Wenn unsere Kunden das erste Feuer im Wohnzimmer haben, leuchten immer ihre Augen", beschreibt Robert Mülleneisen vom Gesamtverband Ofenbau das besondere Verhältnis von Mensch und Kamin. Doch auch er berichtet von langen Wartezeiten und einer drei- bis viermal höheren Nachfrage nach Holzfeuerstätten als noch vor einem Jahr. „So etwas gab es bis jetzt nur während der Ölkrise 1973", sagt Mülleneisen. „Die Leute wollen autark werden und sich nicht weiter auf ihre Gasheizungen verlassen."
Ein Nein oder ein Aufschub wird dabei nicht von allen Kundinnen und Kunden akzeptiert. Im „Spiegel" klagen Förster bereits über dreiste Holz-Diebe, die mit Schubkarren und manchmal sogar im Lkw anrücken, um den kostbaren Rohstoff abzutransportieren. Die Polizei wiederum warnt vor Betrügereien in Onlineshops. Dort böten Kriminelle vermeintlich günstige Pellets und Holzklötze an. Nach der Bezahlung höre man dann nie wieder etwas von ihnen. Der Bundesverband Brennholzhandel und Brennholzproduktion kennt die Masche ebenfalls. Er rät: „Kaufen Sie nur bei seriösen Händlern, die Sie kennen." Betrüger könne man meist an drei Merkmalen erkennen: Sie bieten einen vermeintlich unschlagbaren Preis, versprechen eine sofortige Lieferung und verlangen Vorkasse.
Als wäre all das nicht nervenaufreibend genug, wirft auch noch die Ökobilanz Fragen auf. Wenn Bäume wachsen, nehmen sie CO2 auf. Da sie auch in der Natur irgendwann sterben und verrotten, könne man sie ohne schlechtes Gewissen verbrennen, argumentieren die Befürworter von Holzöfen. Doch genau an dieser Rechnung gibt es Zweifel. Der Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben spricht schon seit Längerem von einem „PR-Märchen der Forstindustrie". Denn: Wenn die Bäume nicht mehr wachsen (weil sie im Kamin knistern), können sie auch kein CO2 mehr aufnehmen. Bereits 2021 verfassten deshalb 500 renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Brandbrief, in dem sie forderten, Holz als Energiequelle nicht länger zu nutzen.
Methan stellt Problem dar
„Heizen mit Holz ist entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht klimaneutral", heißt es auch auf der Website des Bundesumweltministeriums. Beim Verbrennen fallen demnach nicht nur höhere CO2-Emissionen an als bei Kohle oder Gas. Auch andere klimaschädliche Gase wie Methan stellten ein Problem dar – zusätzlich zur hohen Feinstaub-Belastung. Lediglich Alt- und Resthölzer, für die ohnehin keine Verwendung besteht, könne man ohne Bedenken nutzen. Doch genau dieses Material wird derzeit knapp.
Wobei selbst ohne den aktuellen Ansturm Zweifel an der Nachhaltigkeit angebracht sind: Im Frühjahr 2022 sorgte ein Bericht des Umweltverbands „Forest Defenders Alliance" (FDA) für Aufruhr. Die Umweltschützer konnten anhand von Satellitenbildern nachweisen, dass bei der Pellet-Produktion ganze Baumstämme verbrannt werden – also nicht nur Industrieabfälle, wie die Branche gern beteuert. Hierzulande teilt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) diese Befürchtungen. Statt Totholz gingen immer mehr gesunde Bäume in Flammen auf, warnt der Verband.
Schon heute leiden laut Nabu viele Wälder in Osteuropa unter dem Holz-Boom. So exportiere Estland besonders große Mengen an Holzpellets, die in englischen und niederländischen Kraftwerken verbrannt würden. „Doch Wälder sind mehr als nur Holzlieferanten", mahnt der Umweltverband. „Mit dem Schwinden der Baum- und Waldbestände gehen Lebensräume und Lebensgrundlagen verloren, sowohl für Menschen als auch für Insekten, Vögel und viele andere Arten." Hinsichtlich der Luftqualität spricht der Nabu von einem „gefährlichen Giftcocktail". Heizöfen erzeugten in Deutschland bereits mehr Feinstaub als alle Lkw- und Pkw-Motoren zusammen.
Marcus Breuer, der Ofenbauer aus Viersen, sieht das anders. „In einem modernen Gerät wird nicht mehr CO2 freigesetzt, als wenn das Holz im Wald verrottet", sagt der Installateur. „Es gibt wirklich keinen Grund, dagegen zu sein." Lange diskutieren kann er darüber nicht, weil sein Handy klingelt – der nächste Kunde ist dran.