Carolin Weidner und Theresa Winkler verantworten beim 44. Filmfestival Max Ophüls Preis, das vom 23. bis 29. Januar stattfindet, erstmals die Programmleitung.
Frau Weidner, Frau Winkler, bitte skizzieren Sie Ihren Weg in die Filmbranche.
Winkler: Ich komme ursprünglich vom Theater und bin dann durch Zufall als Produktionsassistenz auf einem Filmset gelandet. Dort habe ich die Liebe zum Film für mich entdeckt. Aber bereits während meines Studiums im Fach „Produktion“ an der Filmakademie Wien interessierte ich mich stark für Filmfestivals und die kuratorische Arbeit. Zuletzt war ich im Team der „Diagonale – Festival des österreichischen Films“ tätig, habe dort das Branchentreffen organisiert und die Protokoll-Abteilung geleitet.
Weidner: Mein Zugang kommt eher vom Schreiben her. Noch an der Schule konnte ich für das örtliche Lokalblatt von einem Filmfestival berichten; die Mischung aus Umtriebigkeit, im Kinosaal sitzen und anschließender konzentrierter Auseinandersetzung mit der Materie hat mich sofort interessiert. Ich habe dann in Berlin Filmwissenschaft und Publizistik studiert, bin schnell in den freien Journalismus eingestiegen und später mehr und mehr auch in die Programmarbeit von Filmfestivals, beim Dok Leipzig etwa oder bei der Berlinale.
Die Themen scheinen in dieser Festivalausgabe sehr vielfältig zu sein. Gibt es dennoch so etwas wie ein „Überthema“, das junge Filmschaffende beschäftigt?
Weidner: Auffällig ist, obschon das im Debütbereich keine Seltenheit darstellt, dass viele im Familiären ansetzen. Es gibt eine Menge Arbeiten, und zwar quer durch alle Wettbewerbe hindurch, in denen es um Beziehungen zwischen Eltern und ihren (erwachsenen) Kindern geht. Am Anfang einer Karriere arbeitet man sich häufig erst einmal an sich selbst ab – und macht dabei natürlich auch wieder neue Entdeckungen.
Winkler: Ein Überthema bei der großen Auswahl an Filmen finde ich recht schwierig. Dennoch ist natürlich spürbar, dass viele junge Filmemacher und Filmemacherinnen sich mit Fragen beschäftigen, die unsere Zukunft betreffen.
Das Thema Geschlechteridentität ist stark vertreten, das wundert nicht. Die großen Themen der Menschheit wie Umwelt und Klima hätte ich verstärkt erwartet. Gibt es die?
Winkler: Oh ja, die gibt es! Gerade unter den kürzeren Filmen hatten wir doch recht viele Einreichungen zum Thema, stellvertretend wären da beispielswese „Der Molchkongress“ oder auch „Moddergat“ zu nennen.
Weidner: Ich habe in den letzten Jahren immer wieder nach dem Film zur Klimakatastrophe gesucht, bis ich irgendwann verstanden habe, dass es ein Thema ist, das sich meist punktuell ausdrückt und eher mitschwingt. Ein Spielfilm in unserem Wettbewerb, „Réduit“, fasst die Problematik beispielsweise von einer sehr spannenden Seite her und erzählt einen leisen, privaten Thriller in den Schweizer Bergen.
Was lässt sich über die gewählten Erzähl- und ästhetischen Formate sagen?
Winkler: Auffallend finde ich, dass sehr viele Filmemacher und Filmemacherinnen den Fokus ihrer Geschichten und Drehbücher aufs Private legen, die Antworten im Kleinen suchen und doch Dinge behandeln, die uns als Gesellschaft alle etwas angehen. Außerdem sticht die Vermischung unterschiedlicher Genres und technischer Zugänge hervor. Gerade das Aufeinandertreffen zwischen Spielfilm und einer Computerspiel-Social-Media-Ästhetik ist mir häufiger begegnet. Da wird mit unseren Sehgewohnheiten gespielt.
Weidner: Es wird allerhand probiert, gerade was Erzählformen anbelangt. Für einen aufwendigen Genre-Versuch sind allerdings zumindest im Langfilm häufig die Budgets zu knapp bemessen. Gerade diese finanzielle Begrenzung sorgt manchmal aber auch für kreative Energie, die sich dann in Kammerspielen und kleinen Experimenten ausdrückt, was mir gefällt.
Etliche der gezeigten Langfilme sind in Koproduktion mit Fernsehsendern, die damit große Förderer der Branche sind, entstanden. Diese Filme kommen ohnehin ins Fernsehen. Wieso sollte man vorab ins Kino kommen?
Winkler: Das Kino ist ein wichtiger Ort, um als Gemeinschaft Geschichten zu erleben und gleichzeitig Emotionen zu verspüren. Das Kinoerlebnis bleibt einfach anders in Erinnerung. Weiter muss man aber leider auch sagen, dass das Kino und die Filmbranche in den letzten Jahren sehr gelitten haben. Gerade als junges Talent ist es schwierig, das Budget für die Filme aufzustellen. Hier brauchen wir die Unterstützung des Publikums schon vorab im Kino.
Loriot formulierte hintersinnig: „Ein Leben ohne Mops ist sinnlos.“ Und ein Leben „ohne Kino“?
Weidner: „Die Welt geht unter, aber WIR haben Senf, Wurzelbürsten und Badezusatz“, auch Loriot. Tausche Wurzelbürste gegen Kino.