Manchester City und Inter Mailand stehen im Finale der Champions League am 10. Juni in Istanbul. Während City dort erwartet wurde, ist Inter der absolute Außenseiter – und hat genau dadurch eine Chance. Forum wirft einen Blick auf beide Teams.
Ihre nächste Meisterparty starteten die Triple-Jäger von Manchester City schon vor dem Fernseher. Nach dem entscheidenden Patzer von Verfolger FC Arsenal schmetterten die City-Profis den Klassiker „We Are the Champions“, Erfolgstrainer Pep Guardiola herzte Abwehrchef John Stones und zeigte per Handzeichen die Zahl ihrer fünf gemeinsamen Premier-League-Titel. „Das ist eine Saison gewesen, die ich nie vergessen werde“, schwärmte Teamkapitän Ilkay Gündogan bereits. Dabei können in den Finals von Champions League und FA Cup noch zwei weitere Trophäen folgen. Das Team feierte die Titelverteidigung mit einem ungefährdeten, sportlich bedeutungslosen 1:0-Heimsieg gegen den FC Chelsea, bei dem Guardiola viele Stammspieler schonte. Nach dem Abpfiff stürmten Tausende Zuschauer das Spielfeld und verzögerten damit die feierliche Übergabe der Premier-League-Trophäe auf dem Rasen. Fast eine Stunde nach dem Spiel stemmte Gündogan die Trophäe schließlich unter dem Jubel der Fans im fast voll besetzten Etihad Stadium in die Höhe. Enttäuschung herrschte hingegen bei Arsenal, nachdem die Gunners bis Ende April die Liga angeführt hatten. „Es ist ein wirklich trauriger Tag für uns“, sagte der sichtbar frustrierte Arsenal-Coach Mikel Arteta.
Das 0:1 bei Aufsteiger Nottingham Forest raubte den Londonern die letzte rechnerische Chance, City noch abzufangen. Am Etihad Stadium war bereits alles angerichtet für die dritte Meisterfeier in Serie beim Heimspiel gegen Chelsea. Niemand hatte mehr daran gezweifelt. Nun war die Titelverteidigung für das Starensemble um Stürmer Erling Haaland sogar schon am Vorabend perfekt. „Die Premier League ist zweifellos die anspruchsvollste und härteste Liga der Welt“, sagte Gündogan, der den Verein im Sommer verlassen könnte. „Und das sagt alles darüber, was das für eine Leistung ist.“
Langer Kampf mit Arsenal
Lange hatte es so ausgesehen, als könnte Arsenal erstmals seit 2004 Meister werden. „Wir haben zehneinhalb Monate dafür gekämpft und jeden Tag hart gearbeitet, um unseren gemeinsamen Traum zu verwirklichen“, sagte Arteta, der bis 2019 Pep Guardiolas Co-Trainer in Manchester gewesen war. „Wir haben Hoffnung und Begeisterung erzeugt, den Glauben, dass wir es durchziehen und gewinnen können, aber wir haben es verpasst.“ In den vergangenen Wochen zeigte Arsenal Nerven, holte nur zwei Siege aus acht Liga-Spielen. In Nottingham wirkte das junge Team, als habe es den Glauben trotz der minimalen Restchance bereits aufgegeben. Ein Tor des ehemaligen Unioners Taiwo Awoniyi beendete den Traum vom Titel endgültig. Ein kleiner Trost: Arsenal spielt in der kommenden Saison nach siebenjähriger Abstinenz wieder in der Champions League.
In Manchester löste der fünfte Premier-League-Triumph in sechs Jahren zunächst nur noch verhaltene Euphorie aus. Zum Etihad Stadium, wo ein riesiges „Premier League Champions“-Banner ausgerollt worden war, kamen am Samstagabend im Vergleich zu den Vorjahren nur wenige City-Fans, um mit Vereins-Flaggen und blauen Pulverkanonen zu feiern. Vielleicht, weil die Meisterschaft – so zumindest die Hoffnung – nur der Auftakt für das Triple ist, das die Cityzens als erstes englisches Team nach Manchester United gewinnen können. Beim 4:0 gegen Real Madrid gelang Manchester City das perfekte Spiel, die beste Leistung nicht nur einer englischen Mannschaft jemals in der Champions League, sondern wahrscheinlich die beste Leistung überhaupt in der Geschichte des Wettbewerbs. Real Madrid waren die Könige Europas bisher, doch Manchester City hat ihnen die Krone vom Kopf gerissen und sich selbst aufgesetzt. Nachdem die Mannschaft in den vergangenen Jahren immer wieder gescheitert war in der Champions League, auch mal durch taktische Fehler von Trainer Guardiola, dürfte der Silberpokal in dieser Saison endlich in den Händen der Himmelblauen landen, bei allem Respekt vor Finalgegner Inter. Guardiolas Mannschaft dürfte in dieser Saison endlich dem Ruf gerecht werden, der sie schon lange begleitet – dass sie nämlich die beste der Welt ist.
Und auch wenn eine Mannschaft die beste der Welt ist, kann sie ein Spiel verlieren und dementsprechend auch das Finale. Dort treffen die Cityzens auf den großen Außenseiter aus Inter, der wahrscheinlich den absolut gegensätzlichen Fußball spielen lässt. Inter Mailand greift 13 Jahre nach dem Champions-League-Triumph über den FC Bayern wieder nach der europäischen Fußball-Krone. Dank eines Halbfinal-Erfolgs im „Euroderby“ von Mailand über den Stadtrivalen AC Milan stürmten die abgezockten Nerazzurri ins Endspiel von Istanbul (10. Juni). Gegner AC Mailand verkaufte sich lange teuer, konnte eine souveräne Inter-Defensive aber nicht knacken. Dass Inter nach 13 Jahren wieder im Finale steht – damals gewannen sie den Titel durch ein 2:0 gegen Bayern München – ist durchaus eine Überraschung. In der Gruppenphase war der 19-malige Italienische Meister gegen den FC Bayern noch chancenlos gewesen, steigerte sich dann aber in den K.o.-Spielen gegen Porto, Benfica Lissabon – und nun gegen Milan.
Inter sorgte für Überraschungen
Karl-Heinz Rummenigge macht seinem Ex-Team Inter Mailand vor dem Champions-League-Finale am 10. Juni in Istanbul gegen Manchester City Mut. „Man City geht zweifellos als Favorit ins Rennen, aber das ist ein Vorteil für Inter, das sich auf keinen Fall geschlagen geben darf. Inter kann einen Sieg landen“, sagte der langjährige Club-Chef von Bayern München im Interview mit „La Gazzetta dello Sport“. „Selbst in der Gruppenphase dachte niemand, dass sich Inter qualifizieren würde. Ich habe gesagt, dass Inter zusammen mit FC Bayern in der Champions League weiterkommen würde, aber ich habe das aus Zuneigung gesagt. Alle hatten auf Bayern und Barcelona gewettet“, äußerte sich der einstige Weltklassestürmer.
Inters Coach Simone Inzaghi habe sich aber durchgesetzt, so Rummenigge. „Die Mannschaft ist nicht zu unterschätzen, sie ist in allen Bereichen stabil. Die Abwehr ist solide, im Mittelfeld wird hart gearbeitet, alle sind bereit, sich aufzuopfern“, führte Rummenigge weiter aus. „Im Angriff ist Lautaro ein Weltmeister, Dzeko ist immer frisch und Lukaku wird von Spiel zu Spiel besser. Inter ist eine Mannschaft, die sogar City wehtun kann“, betonte der 67-Jährige. Auch wenn die Citizens mit Erling Haaland, Kevin De Bruyne oder Jack Grealish über viele Hochkaräter verfügen, „kann Inter der Mannschaft die Freude am Fußballspielen nehmen: Das wäre die richtige Strategie. Guardiola ist ein Trainer, der schönen Fußball mag, wenn man ihm das wegnimmt, könnte Inter die Sensationsleistung schaffen“, so Rummenigge.
Der ehemalige deutsche Nationalmannschaftskapitän lobte City-Teammanager Pep Guardiola, den er einst zum FC Bayern geholt hatte, allerdings in den höchsten Tönen: „Jeden Freitag habe ich damals vom Spielfeldrand aus die letzten Vorbereitungen für unser Meisterschaftsspiel am Samstag beobachtet. Guardiola ist ein Phänomen, wenn es um alle Details geht. Wir sind Freunde geworden. Wenn er nach München kommt, gehen wir essen, wir reden drei Stunden lang nur über Fußball, weil er Fußball liebt“, sagte Rummenigge.
Defensivbollwerk gegen die derzeit wohl beste Mannschaft der Welt. Die Kräfteverhältnisse sind klar verteilt, und sicherlich geht City als absoluter Favorit ins Endspiel. Das war beim letzten Finale in Istanbul schon einmal der Fall. Damals 2005 spielten der AC Mailand und der FC Liverpool den Titel um die Könige Europas aus. Dabei war Mailand absoluter Favorit, führte zur Halbzeit mit 3:0 – der Rest ist Geschichte. Liverpool kam mit dem wohl größten Comeback zurück – als Team. Nur so hat Inter im Finale eine Chance.