Der Las Vegas-Grand Prix ist am Wochenende Höhepunkt der Formel-1-Saison. Das Besondere: Der GP geht bereits am Samstag um 22 Uhr Ortszeit als „echtes“ Nachtrennen über den berühmten „Strip“. FORUM stimmt seine Leser auf das Mega-Spektakel im Zockerparadies ein.
Morgens, mittags, abends: Die Formel-1-Rennen werden auf vier Kontinenten quasi zu jeder Tageszeit ausgefahren. Und das wohlgemerkt seit „ewiger Zeit“ nur an einem Sonntag. Doch mit dieser seit Jahrzehnten in Stein gemeißelten Tradition haben die Verantwortlichen vor dem Las Vegas-GP gebrochen und seine Abläufe geändert. Die Organisatoren möchten in Sachen Glitzer, Glanz und Glamour neue Maßstäbe setzen. Dazu gehört ein Alleinstellungsmerkmal wie der Rennstart am Samstagabend um 22 Uhr Ortszeit. Diese Stunde sei die beste Sendezeit in den USA, die Partystimmung auf den Straßen sei auf dem Siedepunkt und in den Casinos herrsche „Rush hour“. Der „Strip“-Boulevard mit seinem Glitzer und seinen Neonlichtern sei die ideale Kulisse für eine „Late Night Show“, heißt es in einer Mitteilung. Aufgrund der Zeitverschiebung von neun Stunden gegenüber Deutschland müssen die F1-Fans in Deutschland am Samstagmorgen (Qualifying) und am Sonntagmorgen (Rennen) jeweils um sieben Uhr bei Sky vor dem Fernseher sitzen, wollen sie sich das Spektakel nicht entgehen lassen.
Neue Maßstäbe in Sachen Glamour
Da die Sonne in „Sin City“ bereits um 16.30 Uhr Ortszeit untergeht, werden alle Trainings, Qualifying und Rennen bei Dunkelheit unter Flutlicht absolviert. Die Strecke, vom Aachener Architekturbüro Tilke gestaltet, erstreckt sich in der „Stadt der Sünde“ über die weltberühmte Amüsiermeile „Strip“ mit 14 Kurven über 6,120 Kilometer. Drei lange Geraden sollen eine Geschwindigkeit von über 340 km/h erlauben, 50 Mal umrunden die Piloten den strategisch gestalteten Straßenkurs vorbei an imposanten Wahrzeichen und Casinos, luxuriösen Hotels wie das „Caesar Palace“ und „Bellagio“ mit seinen weltberühmten Springbrunnen. Die Strecke soll unter einigen Brücken der Stadt durchführen, auf der die Fans stehen und das Rennen von oben beobachten können.
„Das ikonische Las Vegas und die Formel 1 sind die perfekte Verschmelzung von Geschwindigkeit und Glamour. Die Formel 1 hat ihr Potenzial in den vergangenen Jahren gezeigt, und der GP in Las Vegas wird es auf ein neues Level heben“, verkündetet Geschäftsführers Greg Maffei von Formel 1-Besitzer Liberty Media den Austragungs-Coup. Las Vegas wird ein Ausrufezeichen setzen“, so der Italiener.
Nach 41 Jahren hat die Formel 1 wieder die Glitzermetropole mitten in der Mojave-Wüste erobert. Mit dem GP im Zockerparadies und der Glücksspiel-Metropole setzt die Königsklasse ihre Expansion im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ fort. Keine Frage, die F1 boomt in den USA – vor allem dank der Netflix-Serie „Drive to Survive“. Gleich 40 Prozent mehr Zuschauer verzeichnete die Rennserie im vergangenen Jahr. „Diesen Schwung wollen wir nutzen“, erklärte Liberty Media-Chef Maffei.
Für den F1-Zirkus ist Las Vegas aber keine Premierenveranstaltung. Die Glitzer- und Gambler-Metropole ist der dritte aktuelle F1-Standort in den USA nach Austin/Texas (seit 2012) und Miami/Florida (2022). Schon vor vier Jahrzehnten, 1981 und 1982, war die F1 zweimal zu Gast in Las Vegas.
Im Jahr 2023 ist der „Las Vegas Street Circuit“ so die offizielle Bezeichnung, ein brandneuer, spektakulärer Stadtkurs vor einer atemberaubenden, glitzernden Kulisse und modernster Infrastruktur. Die Vegas-Strecke verspricht, eine der aufregendsten Veranstaltungen zu werden. „Es wird sehr aufregend und unterhaltsam werden“, mutmaßt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Auch Aston-Martin-Teamchef Mike Krack freut sich auf das Vegas-Gastspiel. „Wir sind sehr aufgeregt. Die Anstrengungen, die dort unternommen wurden, sind unfassbar“, so der Luxemburger. Und was sagen die Fahrer?
In einem F1-Video witzelte Rekord-Champion Lewis Hamilton: „Das Vegas-Rennen wird absolut Hardcore für uns Fahrer. Wie soll man sich da konzentrieren, wenn so viel abseits der Piste passiert?“ Auch Daniel Ricciardo (AlphaTauri) hielt seine Freude nicht zurück und scherzte: „Ich wollte aufhören. Jetzt aber nicht mehr“, sagte er: „Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen, wie herausragend es wird. In Vegas über den „Strip“ zu donnern wird absolut verrückt sein“, fürchtet Mercedes-Jungstar George Russell. Alfa Sauber-Pilot Valtteri Bottas bekannte: „Ich war mal in Vegas. Danach dachte ich nur: Nie wieder! Aber jetzt komme ich wieder gern zurück.“
Und zurück kommt der Rennzirkus in eine neue, spektakuläre „Manege“. Für die neue Perle im F1-Kalender hat die Formel 1 sehr viel Geld in die Hand genommen: Für 240 Millionen US-Dollar hat der Veranstalter ein 15 Hektar großes Grundstück erworben, um Boxenanlage und Gäste-Bereiche aufzubauen. Bis zu 25.000 Gäste können in den luxuriösen Bereichen das Spektakel auf und neben der Strecke verfolgen. Die Ticketpreise erreichen teilweise astronomische Höhen.
Was die Hospitality betrifft, so schießt Mercedes den Vogel ab. Mit dem „Vegas Club“ will der deutsche Hersteller laut Presseaussendung „die Grenzen der VIP-Betreuung noch einmal verschieben und einen neuen Standard für Premium-Entertainment in der Welt des Sports und an der Rennstrecke setzen“.
Wer beim Protzen seiner Vorzüge wen und was neben der Strecke „besiegt“, interessiert die Hauptakteure herzlich wenig. Für Verstappen, Perez, Leclerc & Co. liegt die Wahrheit auf der Strecke. Und die ist laut Verstappen „neu für uns alle. Der Straßenkurs wird voller Überraschungen sein“, fürchtet der Red Bull-Superstar.
Böses Erwachen nach Rennende
Keine Überraschung ist, dass der „F1-Überflieger“ nach dem Dreierpack (Triple Header) mit drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden mit drei Siegen in der denkbar glamourösesten Unterhaltungshauptstadt der Welt, Las Vegas, angereist ist. Der Dreierpack: In Austin steppte der Bär. Bei der Wild-West-Sause in Texas schwebte Verstappens Dienstwagen mit der Texasfahne frisch lackiert mit einem Hubschrauber am Himmel. Zurück auf der Erde krönte sich der „stramme Max“ nach einer fulminanten Aufholjagd von Startplatz sechs zu seinem 15. Saisonsieg und Karriere-Jubiläumstriumph Nummer 50. Mercedes-Dauerrivale Lewis Hamilton wurde Zweiter vor Lando Norris (McLaren). Doch für Hamilton und den Sechsten, Charles Leclerc (Ferrari), kam Stunden später das böse Erwachen. Beide Fahrer wurden wegen eines nicht regelkonformen Unterbodens ihres Fahrzeugs disqualifiziert und blieben ohne WM-Punkte. Folge: Lando rückte auf Platz zwei vor, Carlos Sainz (Ferrari) erbte Podiumsplatz drei.
Station zwei im Dreierpack war Mexiko. Die Verstappen-Show nahm auch in der dünnen Höhenluft von 2.230 Metern kein Ende. Mit seinem ungefährdeten fünften Sieg im Land der Azteken raste er vor Hamilton (Mercedes), Leclerc und Sainz (beide Ferrari) zu Saisontriumph Nummer 16. Sensationell war die Leistung von Lando Norris: Der McLaren-Star belohnte sich von Startplatz 18 mit Rang fünf. Nico Haas verpasste bei seinem 200. GP-Jubiläum mit Rang 13 erneut die Punkteränge. Ein Debakel erlebte Lokalmatador Sergio Perez. Ausgerechnet in seinem Heimrennen. Für den Publikumsliebling war nach 811 Meter vor 140.000 enthusiastischen Fans der Mexiko-GP beendet. Mit seinem insgesamt 51. Karrieretriumph zog Verstappen auch mit F1-Legende und Vierfach-Champion Alain Prost gleich. „Wir erleben gerade eine unglaubliche Saison und Serie“, stellte der Dauersieger fest.
Verstappen auf Rekordjagd
Verstappens bemerkenswerte Siegesserie setzte sich auch beim letzten Rennen des Dreierpacks in Brasilien fort. Der Ausnahmekönner und dreifache Champion bot eine perfekte Darbietung, hat mit dem Sieg im GP von São Paulo seinen 17. Triumph in 20 Saisonrennen gefeiert und einen neuen Rekord für die meisten Jahressiege gesetzt. „Super Max“ hält nun auch seit 37 Rennen in Folge (von Spanien 2022 bis Brasilien 2023) den Rekord eines WM-Leaders, genauso lange wie Rekordhalter Michael Schumacher, der die WM von USA 2000 bis Japan 2002 anführte. Mit seinem 52. Triumph in der Königsklasse fehlt Verstappen nur noch ein Sieg, um mit Sebastian Vettel gleichzuziehen. Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ brachte es auf den Punkt: „Verstappen setzt seinen Siegeszug fort und merkt nicht einmal, was hinter ihm geschieht. Zur Belebung der Show trägt Alonso bei, der mit seinen 42 Jahren den dritten Platz nach einem spektakulären Überholmanöver gegen Perez erobert, für das er Standing Ovations verdient.“
Der Spanier lieferte eine Weltklasseleistung ab. Der Aston Martin-Pilot ringt um Kampf Platz drei Perez in einem Fotofinish um gerade einmal 0,053 Sekunden nieder – atemberaubend die letzten drei Runden!
Zweiter wurde Lando Norris (McLaren). Für Ferrari war der Brasilien-GP extrem bitter. Leclerc (Startplatz zwei) schied bereits in der Einführungsrunde wegen großer technischer Probleme aus. Teamkollege Sainz wurde nur Sechster – zu wenig für die Ansprüche der Roten.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff war völlig bedient. Vor laufender Kamera bei Sky fand der Wiener klare, deprimierende Worte: „Unser Auto ist eine elende Kiste. Dieser Mercedes hat keinen Sieg verdient. Das Auto fuhr wie auf drei Rädern, nicht auf vier. Für die Vorstellung in Brasilien fehlen mir einfach die Worte.“
Am Wochenende biegt die Formel 1 mit dem vorletzten Rennen in Las Vegas auf die Zielgerade ein. Die eigentliche Wiese ist gemäht und die Messe gelesen. Verstappen ist Champion.