Im ersten Indochina-Krieg versuchte Frankreich, sich als Kolonialmacht in der heutigen Region Vietnam, Laos und Kambodscha zu behaupten, scheiterte aber auf ganzer Linie. Am Ende stand die Unabhängigkeit der beiden Letztgenannten – und die Teilung Vietnams.

Viele Kriege haben eine Vorgeschichte, die ebenfalls auf Kampfhandlungen beruht. So wie der Ukrainekrieg für viele Beobachter seinen Anfang in der Annexion der Halbinsel Krim besaß, wird der Zweite Weltkrieg von manchen Historikern als zwingende Folge des Ersten Weltkriegs angesehen. Beim Vietnamkrieg war das nicht anders: Ihm ging der Indochina-Krieg voraus. Seine Folge, die Teilung Vietnams in Nord und Süd, führte nicht zu einem dauerhaften Frieden in dieser Region.
Der Indochina-Krieg begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und kann als erster von einigen Stellvertreterkriegen zwischen dem Ostblock und den Westmächten, zwischen Kommunismus und Kapitalismus, betrachtet werden. Auf der einen Seite stand die durch den Zweiten Weltkrieg geschwächte Kolonialmacht Frankreich, auf der anderen Seite die kommunistische Liga für die Unabhängigkeit Vietnams, Viet Minh. Diese wurde mehr und mehr von den kommunistischen Großmächten China und Sowjetunion unterstützt.
Überaus erfolgreiche Guerillataktik
Da er heute nicht mehr gebräuchlich ist, verwirrt der Begriff „Indochina“ zusehends. Welches Gebiet war damals damit gemeint? Im weiteren Sinne waren es jene Länder, die südlich von China sowie östlich von Indien lagen. Im engeren Sinne bezog sich „Indochina“ aber auf die französische Kolonie in den heutigen Ländern Vietnam, Laos und Kambodscha. Die Franzosen hatten diese Gebiete in den Jahren 1858 bis 1887 unter ihre Kontrolle gebracht. Grund war der Imperialismus jener Zeit. Offiziell ging es um das Beschützen französischer Missionare, die von der vietnamesischen Regierung mehr und mehr verfolgt wurden. Im Zweiten Weltkrieg besetzten die Japaner Indochina aufgrund der französischen Schwäche vorübergehend, was dazu führte, dass die Viet Minh starken Zulauf erfuhren. Schließlich hatten ihre Mitglieder keine Repressalien mehr von französischer Seite aus zu befürchten. Führer der Viet Minh war schon damals Ho Chi Minh, dessen Name später bei den Demos 1968 in der Bundesrepublik Deutschland von vielen Studenten skandiert wurde.
Als Japan nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Zweiten Weltkrieg kapitulierte, entstand in Vietnam ein Machtvakuum, in das die kommunistischen Viet Minh eindrangen. Die Franzosen setzten sich jedoch erneut im Süden des Landes fest. Am 6. März 1946 wurde zwischen der von den Viet Minh geführten Demokratischen Republik Vietnam (DRV) und Frankreich ein Abkommen geschlossen, das der DRV zwar den Status eines eigenen Freistaats zubilligte – jedoch nur als Teil Französisch-Indochinas. Dieser Vertrag hielt allerdings nicht lange. Schon Ende März 1946 wurde die pro-französische Republik Cochinchina im Süden Vietnams gegründet, wogegen sich die Viet Minh mit Guerillakämpfen wehrten. Beide Seiten strebten in der Folge nach der Beherrschung von ganz Vietnam.
Die Sowjetunion hielt sich zunächst aus dem Konflikt heraus, da sie mit der Sicherung ihrer Einflusssphäre in Osteuropa beschäftigt war. Bis 1949 war der Indochinakrieg ein reiner Guerillakrieg der Viet Minh gegen die französische Kolonialmacht. 1950 aber siegten die Kommunisten unter Mao Zedong im chinesischen Bürgerkrieg. Anschließend unterstützten sie ihre vietnamesischen Gesinnungsgenossen mit Waffen. Frankreich wiederum ersuchte Hilfe von den USA. Die französische Militärführung rekrutierte ihre Soldaten in großem Maße aus der Fremdenlegion und der einheimischen Bevölkerung. Über die Hälfte des Militärs hatte keine französische Staatsangehörigkeit. Es kämpften sogar Angehörige des von den Nazis eingesetzten Vichy-Regimes oder der Waffen-SS in Indochina, nachdem ihnen Straferlass in Aussicht gestellt worden war. Das führte zu einem reichlich bizarren Detail dieses Krieges: In vielen Einheiten soll Deutsch die vorherrschende Sprache gewesen sein.
Im Jahr 1947 verdrängten die Franzosen die Viet Minh aus den Städten Hanoi, Haiphong und Hue. Allerdings infiltrierten die Kommunisten die Bevölkerung auf geschickte Weise, sodass die Kolonialmacht nie die komplette Kontrolle über das Land erhielt. Wohl auch deshalb gestand die französische Regierung 1949 den Staaten Vietnam, Laos und Kambodscha die Unabhängigkeit zu. Man wollte der anti-kolonialistisch eingestellten Bevölkerung eine Alternative zum Kommunismus bieten und sie somit auf die eigene Seite ziehen. Frankreich behielt aber gleichwohl die Kontrolle über Militär, Wirtschaft und Außenpolitik. Durch die chinesische Aufrüstung erlitt das französische Militär jedoch unvorhergesehene Niederlagen, etwa in einer Reihe von Gefechten von Ende September bis Anfang Oktober 1950 nahe der chinesischen Grenze.
1951 wendete sich das Blatt wieder gegen die Viet Minh, da Frankreich nun Militärhilfe aus den USA erhielt. Es sollen 30.000 Kraftfahrzeuge, rund 360.000 Schusswaffen, 1.880 Panzer, 5.000 Artilleriegeschütze, 305 Flugzeuge und 106 Kriegsschiffe gewesen sein, die es den USA wert schienen, den kommunistischen Einflussbereich zurückzudrängen. Die Versuche der Viet Minh, in das Delta des Roten Flusses um Hanoi einzudringen, wurden von den Franzosen mit dieser Unterstützung zurückgeschlagen. Daraufhin veränderte sich die Taktik der Unabhängigkeitskämpfer wieder auf die ursprünglich eingehaltene Linie des Guerillakriegs. Die Viet Minh bemühten sich außerdem stärker um die ländliche Bevölkerung in den von ihrnen kontrollierten Gebieten. Sie verteilten dafür Boden an die ärmsten Bauern. Diese Strategie war so erfolgreich, dass sich in Frankreich mehr und mehr die Auffassung breitmachte, dass der Krieg nicht zu gewinnen sei.
Verlierer trotz Sieg auf dem Schlachtfeld
Trotz der Guerillataktik waren die Viet Minh auch in der Lage zu einer konventionellen Kriegsführung. Als entscheidend wird die Schlacht um Dien Bien Phu angesehen. Dort, im Nordwesten Vietnams, hatten die Franzosen eine Festung in einem Talkessel errichtet. Die Viet Minh hatten für den Angriff etwa 200.000 Mann aus der Zivilbevölkerung mobilisieren können, die unter anderem dabei halfen, schweres Gerät auf die rundherum liegenden Hügel zu schaffen. Somit konnte die französische Stellung aus vorteilhafter Lage beschossen werden. Der Angriff der Viet Minh traf die Franzosen nahezu unvorbereitet. Ein Bericht der Zeitung „Le Monde“ vom Februar 1954 über die Aufstellung feindlicher Artillerie auf den Hügeln tat der französische Kommandeur Charles Piroth als Gerücht ab. Der Angriff begann dann aber eben doch am 13. März 1954, zwei Tage später nahm sich Piroth das Leben.

In der Not ersuchten die Franzosen weitere Hilfe bei den USA, die jedoch ein direktes militärisches Eingreifen ablehnten. So sehr war ihnen an einer französischen Kolonie in Südostasien eben doch nicht gelegen. Allerdings flog eine von der CIA kontrollierte Transportgesellschaft Hilfslieferungen in die französische Stellung. Der Abschuss einer dieser Maschinen sorgte für die ersten militärisch getöteten US-Amerikaner in Vietnam. Die Schlacht um Dien Bien Phu endete am 8. Mai 1954, also auf den Tag genau neun Jahre nach der deutschen Kapitulation. Jetzt waren es die Franzosen, die eine entscheidende militärische Niederlage hinnehmen mussten.
Diese hatte große Auswirkungen in der Heimat: Die Regierung von Premier Joseph Laniel, die gleichzeitig wegen eines Streiks unter Druck stand, wurde gestürzt. Der militärische Sieg der Viet Minh führte zur Indochina-Konferenz in Genf, wo über die Zukunft Vietnams entschieden wurde. Teilnehmer waren neben den Viet Minh und Frankreich auch Großbritannien, die Sowjetunion, die USA und China. Das Ergebnis der Konferenz war eine Teilung Vietnams in den kommunistisch beeinflussten Norden und den westlich beeinflussten Süden unter der Führung von Kaiser Bao Dai. Frankreich zog sich aus ganz Indochina zurück und entließ auch Laos und Kambodscha in die Unabhängigkeit. Historiker betrachten heute das Ergebnis der Indochina-Konferenz dennoch als Niederlage der eigentlich siegreichen Viet Minh. Diese wollten ja ganz Vietnam unter ihre Kontrolle bringen.