Kulturkampf auf der Liegewiese: Doris Dörries Komödie „Freibad" über eine Badeanstalt nur für Frauen ist am 1. September in den Kinos gestartet.
Ein Freibad nur für Frauen – das gibt es nur einmal in Deutschland, zumindest, wenn man dem Vorspann von Doris Dörries Sommerkomödie „Freibad" glaubt. Dass es da friedlich zugeht, sollte man allerdings nicht glauben.
Männer dürfen in das Frauenfreibad nicht rein. Dass die transsexuelle Kim (Nico Stank) am Imbiss die Würste auf den Grill legt, ist allgemein akzeptiert. Aber ein Junge, der sich outet, weil er im Stehen in einen Busch pinkelt, muss das Gelände verlassen – auch wenn seine Mutter, die mit einer Gruppe Frauen auf der Wiese sitzt, sich für ihn einsetzt.
Das Freibad als Mikrokosmos
Den Mikrokosmos Freibad nutzt die Regisseurin, um verschiedene Haltungen und Lebensweisen in der Gesellschaft auf kleinem Raum zusammenzubringen. Zu den Besucherinnen, die Tag für Tag kommen, gehören zum Beispiel Gabi (Maria Happel) und Eva (Andrea Sawatzki), zwei alternde Frauen, die gern jünger wären, als sie es in Wirklichkeit sind. Und die sich wegen ihres Jahrzehnte zurückliegenden feministischen Protests als fortschrittlich sehen, in Wahrheit aber in ihrem Denken von allen nur erdenklichen Vorurteilen geprägt sind. Etwa gegenüber den Frauen mit Migrationshintergrund im Bad.
Furchtbar finden sie Yasemin (Nilam Farooq), die im Burkini ins Wasser steigt und vor allem im Schwimmbad ist, um ihre sportlichen Fähigkeiten zu trainieren. Und die mit ihrer Mutter Emine (Ilknur Boyraz) – die mit einer Gruppe Frauen auf der Wiese sitzt – aneinandergerät. Weil es der gar nicht gefällt, dass ihre Tochter „so arabisch" aussieht. Und dann ist da noch Paula (Julia Jendroßek), die kaum schwimmen kann. Aber die Nähe von Yasemin sucht und deswegen im Schwimmbad ist. Bei allem Chaos muss die Bademeisterin (Melodie Wakivuamina) die Oberhand behalten. Sei es beim Kampf gegen Fußpilz oder während einer Prügelei auf der Liegewiese. Irgendwann im Verlauf des Films reicht es ihr dann. Sie kündigt.
„Freibad" ist ein vergnüglicher Film, der – wie in vielen Filmen der Regisseurin – der Gesellschaft den Spiegel vors Gesicht hält, ohne dabei belehren zu wollen. Ganz klar, die Charaktere sind überzeichnet. Gerade dadurch stehen sie aber beispielhaft für bestimmte Haltungen, die sich normalerweise in unterschiedlichen Ausprägungen und Zusammensetzungen finden. Es ist ein Film, der für Toleranz wirbt – dafür, das andere zu akzeptieren und einen Weg zu finden, gemeinsam glücklich zu werden.
Das Setting Frauenfreibad hat den Nebeneffekt, dass das nicht stattfindet, was in einem normalen Freibad-Film vermutlich einen Großteil des Geschehens ausmachen würde: Das Spiel zwischen den Geschlechtern, das Flirten und das Macho-Gehabe von pubertierenden Jungs auf der Liegewiese etwa. Was nicht heißen soll, dass nicht auch einige der Frauen die Körper der anderen teils bewundernd, teils herablassend bewerten. Und ja, auch eine heimliche Liebe gibt es in dem Film.
Bewusster Umgang mit Klischees
In Unordnung gerät die eingespielte Welt im Frauen-Freibad, als eine Gruppe Burka tragender, offensichtlich reicher Frauen in edlen Autos vorfährt. Angelockt hat sie die Aussicht auf ein Schwimmbad, in dem garantiert keine Männer sind. Im Nu steigt der Eintrittspreis auf vorher nie erreichtes Niveau, und statt Bratwurst aus Schweinefleisch liegt nun auf einmal Lammwurst auf dem Grill. Doch obwohl sie reichlich Geld mitbringen, werden die Neuankömmlinge von allen Seiten kritisch beäugt. Von Gabi und Eva, die mit allem Fremden wenig anzufangen wissen, sowieso. Aber auch von den Frauen der Gruppe um Emine, die von Burkas gar nichts halten.
Allzu sehr in die Tiefe geht „Freibad" bei den grundsätzlich ja sehr ernsthaften Themen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Toleranz allerdings nicht. Doris Dörrie spielt mit diesen Motiven – und regt eben dadurch zum Nachdenken an, wobei sich oft herausstellt, dass die Figuren nicht den Klischees entsprechen. Dass es selbst der Mutter nicht gefällt, dass Yasemin im Burkini schwimmen geht. Und dass die Gruppe der Burka tragenden Frauen zuvor in der Schweiz gelebt hat – und zumindest eine von ihnen perfektes Deutsch mit Schweizer Akzent spricht.