Eine glaubwürdige Politik, weniger Regularien und die Bürgerinteressen im Fokus: Dafür soll das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stehen, sagt Co-Chefin Amira Mohamed Ali. Im Gegensatz zu den Linken könnte man sich eine Regierungsbeteiligung durchaus vorstellen – aber nicht mit jedem.

Frau Mohamed Ali, oft wird das Bündnis Sahra Wagenknecht als „Blackbox“ bezeichnet. Wie sehen Sie das? Für was steht das BSW?
Wir wollen vernünftige Politik im Interesse der Bevölkerung. Dazu gehört, dass Löhne und Renten steigen und die Lebenshaltungskosten endlich gesenkt werden. Hier ist bezahlbare Energie ein Schlüssel. Auch unsere Wirtschaft und Industrie brauchen dringend bezahlbare Energie, um überleben und konkurrenzfähig bleiben zu können. Darum müssen wir auch weg von den Wirtschaftssanktionen, die unserem Land massiv schaden. In den vergangenen Jahren war die Politik unseres Landes leider vor allem geprägt von blinder Ideologie und dem Einfluss mächtiger Lobbys. Das wollen wir ändern. Wir stehen außerdem für Meinungsfreiheit. Es geht nicht, dass Menschen diffamiert werden, weil sie eine Meinung haben, die vom Mainstream abweicht. Aber genau das ist mehr und mehr der Fall. Das haben wir in der Corona-Zeit erlebt und aktuell erleben wir es beim Thema Krieg und Frieden. Man wird sofort in die Ecke des Aggressors gestellt, wenn man sich für mehr Diplomatie und gegen Waffenlieferungen ausspricht. Hier haben wir als BSW zum Glück schon einiges erreicht und den Diskurs eröffnet. Wir haben es dem Rest der Politik und auch den Medien deutlich schwieriger gemacht, diese Position, die auch ein großer Teil der Bevölkerung teilt, zu ignorieren. Als einzige Partei stellen wir uns außerdem gegen den irren Aufrüstungskurs der anderen Parteien, denn dadurch steigt das Risiko einer gefährlichen Eskalation. In Anbetracht des enormen Investitionsbedarfs in unsere Straßen, Brücken und das Schienennetz, in unsere Schulen, in Industrie und Wirtschaft ist es außerdem einfach unverantwortlich, Steuergelder für Aufrüstung zu verpulvern. Wenn es nach Union, SPD, Grünen und AfD geht, sollen dafür auch immer mehr Schulden gemacht werden. Aber das ist der falsche Weg. Ja, wir brauchen eine Bundeswehr, die unser Land verteidigen kann. Keine Frage. Hierfür fehlt es aber nicht an Geld, sondern an einem sinnvollen und transparenten Beschaffungswesen.
In Brandenburg und Thüringen ist das BSW nun an der Regierung beteiligt – und das nach nicht einmal zwei Jahren Bestehen. Wie interpretieren Sie diesen rasanten Aufschwung?
Unsere Wahlerfolge, die tatsächlich beispiellos sind für eine so junge Partei in der bundesdeutschen Geschichte, zeigen, dass viele Menschen sich eine andere Politik wünschen. Sie wollen, dass endlich ihre Interessen im Mittelpunkt stehen und ihnen nicht immer wieder durch unsinnige und undurchdachte Politik ins Portemonnaie gegriffen wird. Die leeren Wahlversprechen der alten Parteien, die man auch in diesem Wahlkampf wieder sehen kann, haben viele zu Recht satt. Sie wünschen sich eine glaubwürdige Politik. Dafür stehen wir.
Erwarten Sie ähnlichen Zuspruch auf Bundesebene? Experten erwarten hier ja ein geringeres Ergebnis.
Hier ist zurzeit vieles im Fluss. Als so junge Partei haben wir noch keine Stammwählerschaft und das macht sich natürlich in Umfragen bemerkbar. Es ist bisher noch keiner Partei in Deutschland gelungen, direkt nach der Gründung den Sprung in den Bundestag zu schaffen. Wir wären die ersten, und ich bin sicher, dass wir das auch schaffen werden. Wir haben bei der Europawahl, also einer bundesweiten Wahl, auf Anhieb mehr als sechs Prozent erreicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir am 23. Februar ein weiteres Mal Geschichte schreiben.
Und dann? Ist eine Regierungsbeteiligung des BSW auch hier denkbar oder gar das Ziel?
Unser Ziel ist es, möglichst stark in den Bundestag einzuziehen. Je stärker wir im Bundestag sind, desto besser können wir die Politik in unserem Land auch verändern. Die anderen Parteien wollen hingegen die Politik der letzten Jahre, die unser Land in die Krise geführt hat, einfach fortsetzen. Darum lehnen sie auch eine konstruktive Zusammenarbeit mit uns ab. Sie wissen, dass es mit uns kein „Weiter so“ geben wird.
Sie haben die Grünen wie auch die AfD bereits als mögliche Koalitionspartner auf Bundesebene ausgeschlossen. Warum?
Weil die Grünen genau für die Politik stehen, die wir ablehnen: immer mehr Verbote, immer mehr Regulierungen und ein immer teureres Leben für die arbeitende Bevölkerung. Und natürlich ist auch die AfD für uns kein denkbarer Partner, weil sie mit ihren Forderungen nach Entlastungen für Superreiche sozialpolitisch bei Christian Lindner abschreibt und dazu noch Rassisten und waschechte Nazis in ihren eigenen Reihen duldet. Und auch der aktuelle Kuschelkurs der AfD mit Trump und Musk zeigt deutlich, dass diese Partei nicht die Interessen unseres Landes vertritt.
Generell haben Sie an der Ampel Kritik geübt. Ich denke da etwa an den Bereich Wirtschaft. Was muss sich für Deutschland ändern?
Wir brauchen wieder eine kluge Außenwirtschaftspolitik, die anerkennt, dass unsere Industrie auf verlässliche und bezahlbare Energie- und Rohstoffimporte angewiesen ist. Dabei ist es wichtig, dass wir uns nicht in Handelskriege von anderen Ländern, wie beispielsweise zwischen den USA und China, hineinziehen lassen. Denn das schadet uns. Natürlich hat nicht allein die Ampel die ganze Misere zu verantworten. Auch die unionsgeführten Vorgängerregierungen haben die falschen Weichen gestellt. Es braucht jetzt dringend Investitionen in unsere Infrastruktur und unsere Wirtschaft. Dafür die Schuldenbremse zu lockern, ist notwendig und sinnvoll.
Wäre das Wirtschaftsressort somit auch etwas, was Sie sich in BSW-Händen vorstellen könnten?
Ja. Und in diesen Händen wäre es gut aufgehoben. Außerdem haben wir aber auch die beste Kandidatin für das Kanzleramt!
Auch die soziale Gerechtigkeit ist ein großes Thema für Sie. Wie aber soll diese konkret aussehen?

Wir wollen das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: dass die Menschen von ihrer Arbeit gut leben können. Dafür braucht es höhere Löhne und Renten, inklusive einer Mindestrente für langjährig Versicherte. Wir brauchen wieder eine echte Arbeitslosenversicherung, die den Lebensstandard sichert und in der Menschen, die jetzt zum Beispiel wegen der Rezession ihren Job verloren haben, nicht über kurz oder lang ins Bürgergeld fallen, als hätten sie nie gearbeitet. Wir wollen außerdem eine bessere Gesundheitsversorgung durch Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Wir müssen weg von der Zwei-Klassen-Medizin, weg von der Renditeorientierung im Gesundheitswesen. Zudem muss endlich konsequent in unser Bildungssystem investiert werden. Man kann nicht einerseits den Fachkräftemangel beklagen und weiter einfach zusehen, dass so viele junge Menschen unsere Schulen ohne Abschluss verlassen. Es braucht Steuerentlastungen für die Menschen mit geringen und mittleren Einkommen und im Gegenzug eine höhere Besteuerung von sehr hohen Einkommen und eine Vermögenssteuer für riesige Vermögen ab 25 Millionen Euro.
Wären diese Ziele mit der SPD denkbar? Die Ampel bestand schließlich nicht nur aus den Grünen …
Friedrich Merz ist ja keine sinnvolle Alternative, sondern steht für ein noch radikaleres „Weiter so“. Er will mit Robert Habeck Taurus liefern, Schulden für Rüstung machen und dabei unser Land kaputtsparen. Mit ihm gibt es keine höheren Löhne für die normal arbeitende Bevölkerung. Bessere Gesundheitsversorgung für Menschen, die nicht privatversichert sind, oder höhere Renten wird es mit Merz ebenfalls nicht geben. Im Gegenteil. Aber es ist natürlich richtig, dass die SPD als Kanzlerpartei in der gescheiterten Ampel ganz maßgeblich die Misere zu verantworten hat, in der unser Land steckt. Damit die SPD und die anderen nicht, wie immer, all ihre schönen sozialen Wahlkampfversprechen nach der Wahl sofort wieder vergessen, braucht es ein starkes BSW im Bundestag.