Es gibt unterschiedliche Gründe, an einer Fastenwoche teilzunehmen: Der einen möchte die Hose wieder passen, die andere möchte entschlacken oder ihren Körper besser wahrnehmen. In der Tat sind es meist Frauen, die sich für dieses Gesundheitsangebot entscheiden.
Patrizia Wechsler ist ärztlich geprüfte Fastenleiterin und Ernährungscoach. Die Teilnehmerinnen trifft sie im „Waldhotel“ in Davos. Sie wollen die Fastenmethode nach Dr. Buchinger erfahren. Eine Woche lang wird nur getrunken, gelaufen und geredet. Das schweißt zusammen, nach sieben Tagen gemeinsamen Fastens und geselligen Wanderns in der prächtigen Schweizer Bergwelt entstehen Kontakte und Freundschaften.
Der Tag beginnt morgens mit Shibashi, einer fernöstlichen Art der Entspannung, die Wechsler anbietet. Als Alternative gibt es das Schwimmen im großzügigen Hotelpool. Dann treffen sich alle zum Frühstück. Es gibt einen frisch gepressten Fruchtsaft und speziellen Tee. Ratsam ist, sich bereits zwei Tage vor dem Fasten zu Hause auf die kommende Herausforderung einzustellen. Dazu hat die 54-Jährige Tipps für die Vorbereitung.
Fastenmethode nach Dr. Buchinger
Von Davos aus beginnen die Wandertouren, zuerst mit dem ÖPNV in die Natur, um dort mit dem Laufen zu beginnen. In der Regel kehren die Fastenden nach vier bis fünf Stunden ins Hotel zurück. „Auf alle wird Rücksicht genommen. Einige gehen zügig voran, die anderen fallen zurück. Doch das macht nichts“, erklärt Wanderleiterin Gertrud Nussbaumer Schuler, die ein Kind der Schweizer Berge ist. Die 68-Jährige hat Energie und Biss. Sie unterstützt die, die nicht so fit im Laufen sind. Nussbaumer Schuler wuchs auf einem Bergbauernhof auf und musste täglich über die Höhen zur Schule wandern. „Das gibt mir noch heute Kondition und Kraft“, sagt die ehemalige Marathonläuferin. Eine Teilnehmerin hat ihren Hund dabei. „Auch Vierbeiner können mitkommen. Das ist kein Problem“, sagt Wechsler. Die Wanderungen haben unterschiedliche Anforderungsgrade. Mal geht es bergauf, mal bergab. Ein wenig Kondition sollte man schon mitbringen. Unterwegs wird Rast gemacht. Es gibt Tee und Gemüsebrühe aus Thermoskannen. Rege Unterhaltungen treffen auf reflektierendes Schweigen, jede empfindet und genießt die Wanderungen anders. Die Ziele haben magische Namen wie Höhwald, Monstein, Spina, Schatzalm oder Dürrboden.
Der erste Tag beginnt gemächlich mit einer Wanderung um den Davoser See.
Der Rest des Nachmittags steht zur freien Verfügung. Gerne hilft Wechsler beim Anlegen eines Leberwickels für entspannten Schlaf oder gibt Anleitungen zum Einlauf, um den Darm zu entleeren. Letzteres ist Voraussetzung, um sich wohlzufühlen und schließlich auch keinen Hunger mehr zu verspüren. „Die Euphorie beginnt meist nach dem zweiten oder dritten Tag“, erklärt die Expertin. „Das Hochgefühl, das mit der Reinigung des gesamten Organismus zusammenhängt, ist beeindruckend.“
Die Teilnehmerinnen, für die Fasten zu einem gesunden Leben gehört, stimmen zu. „Man kann sogar richtig süchtig werden. Auch zu Hause faste ich noch einige Tage weiter und bekomme eine unglaubliche Energie und Glücksgefühle. Dann fange ich auch an, übrigen Ballast abzuwerfen und mich von unnützen Dingen zu lösen, physisch wie psychisch“, sagt Regi Huguenin aus der Nähe von Zürich.
Sauna, Dampfbad, Pool und Fitnessraum sorgen für Entspannung nach den Märschen. Derweil bespricht Wechsler das „Abendtrinken“ mit „Waldhotel“-Küchenchef Steve Birnbaum. Der gebürtige Sachse zaubert nach Wechslers Anleitung und ihren Rezepten perfekte Fasten-Mahlzeiten. Es gibt Tees wie Hafertee, Birkentee, Lindenblütentee oder Schlaf-Nerventee. Der leckere Gemüse-Smoothie im Glas wird mit dem Esslöffel genossen. Wichtig sei dabei die Achtsamkeit, die man der Nahrungsaufnahme widmen soll. „Wir haben die Fastengruppen gut ins Hotel integrieren können“, sagt Birnbaum. Denn Erfahrungen konnte er schon bei Basen-Fastenden im vergangenen Winter sammeln. „Langsam und bewusst essen ist ein unverzichtbares Ritual“, sagt die Fastenleiterin. Dann gibt es täglich unterschiedliche Gemüsebrühen, mal mit Safran, mal mit Tomate. Auch hier beweist der Küchenchef kreative Vielfältigkeit. Nachwürzen darf jeder selbst: Cayenne-Pfeffer, Ur-Kristall-Steinsalz, Schnittlauch, Petersilie und Hefe stehen bereit.
Verbesserung des Wohlgefühls
An drei Abenden hält Patrizia Wechsler Vorträge zum Thema. Anschaulich und verständlich wird den Teilnehmerinnen der Zusammenhang zwischen Fasten, Detox, Anti-Aging und Wissenswertes zu den Aufbautagen erklärt und welche Auswirkungen die Auszeit auf den Körper hat. „Marschiere viel und iss wenig“, ist das Motto. Die Zuhörerinnen erfahren, dass Fasten Diabetes-Typ-2 heilen kann und dass es nachweislich das Leben verlängert. Laut einer Studie von Valter Longo, Buchautor und Professor an der University of Southern California, sollen drei mal fünf Tage Fasten im Jahr das biologische Alter um zweieinhalb Jahre verringern. Individuell unterschiedlich, doch meist nach wenigen Tagen werden die Glückshormone Serotonin ausgeschüttet und es wird nachweislich das Hungergefühl gedämpft.
Doch auch Entscheidungen, Erkenntnisse und Klarheit werden durch den Prozess beeinflusst. „Mentale Probleme können in den Vordergrund treten und sich auch intensivieren“, betont die Schweizerin mit italienischen Vorfahren. Dagegen wirkt sich das Fasten positiv auf Cholesterinspiegel, Blutdruck, Blutfett und Verkalkungen der Gelenke aus. Ein funktionierender Stoffwechsel hilft gegen Lungenschäden und Tumore, aber auch gegen Grippe.
Wechsler erklärt, warum die Kombination mit dem Wandern ideal ist: „Die Sauerstoffaufnahme erhöht sich, der Kreislauf wird stabilisiert und der Hunger ausgebremst. Doch es gibt auch mögliche Nebenwirkungen, die nicht zu unterschätzen sind: Übersäuerung des Körpers, eine zeitweise Verschlechterung der Sehschärfe, Abnahme der Reaktionsfähigkeit, eine zunehmende psychische Sensibilität sowie eine Veränderung der Medikamentenwirkung.
Nach vier Tagen sind sich alle Teilnehmerinnen einig: Das Wohlgefühl hat sich verbessert, die Energie zugenommen, und das Hungergefühl ist weg. Die letzten Tage bis zum Fastenbrechen am siebten Tag werden locker gemeistert. Nach Anleitung Wechslers wird Birnbaum auch das letzte Mahl hervorragend umsetzen. „Es gibt als Vorspeise einen gedämpften Apfel und als Hauptspeise gedünstetes Röschengemüse mit Kartoffeln. Und dazu drei Dips.“ Einige der Teilnehmerinnen machen zu Hause ein paar Tage weiter. So wie Regi Huguenin, die mehr Energie und Wohlbefinden dauerhaft in ihr Leben integrieren möchte.