In der ersten Sitzung des Bundesrats nach dem Bruch der Ampel-Koalition hat die Länderkammer nach lebhafter Debatte die Krankenhausreform beschlossen. Es war die erste Sitzung unter Leitung der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger als neue Bundesratspräsidentin. Das Motto ihrer Präsidentschaft: „Zukunft durch Wandel“.
Der Auftakt war gleich eine Herausforderung. Im sonst oft bedächtig wirkenden Bundesrat ging es richtig zur Sache. Den Auftakt ihrer Bundesratspräsidentschaft hatte sich Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sicher etwas anders und etwas ruhiger vorgestellt. Nun stellt sie schon zur ersten Sitzung der Länderkammer fest: „Da war alles dabei, was das Spektrum der Aufgaben mit sich bringt.“
Turnusgemäß hat Rehlinger für das Saarland den Vorsitz am 1. November übernommen. Die Präsidentschaft in der Länderkammer wechselt im jährlichen Turnus. Bereits am Tag der Deutschen Einheit in Schwerin hatte Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, symbolisch den Staffelstab an die Saarländerin übergeben, schon bevor diese in der Länderkammer offiziell Mitte Oktober gewählt wurde. Bundesratspräsident – in diesem Fall Präsidentin – ist protokollarisch das zweithöchste Amt im Staat. Er oder sie übernimmt die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten, wenn dieser verhindert ist oder aus dem Amt ausscheiden sollte.
Für ihre Amtszeit hat Rehlinger das Motto „Zukunft durch Wandel“ gewählt. „Unser Ziel ist es, diesen Wandel aktiv zu gestalten – für eine nachhaltige, innovative und solidarische Zukunft“, hatte sie dabei betont. Damit wollte sie die zentralen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen aufgreifen.
Die erste Sitzung unter ihrer Leitung stand nun ganz im Zeichen eines politischen Wandels. Zwei Wochen zuvor war die Ampel-Koalition auseinandergebrochen, womit der Bundesrat zusätzlich in den Fokus geriet. Wie sehr, das machte sich gleich an einer der ersten Entscheidungen deutlich.
Die Ampel hatte in einem gut zweijährigen zähen Ringen einen Kompromiss über eine große Krankenhausreform gefunden. Die Notwendigkeit einer Reform wird von niemandem bestritten, aber die Vorlage ist selbst nach der Verabschiedung im Bundestag heftig umstritten. „Wir brauchen eine Reform, aber nicht diese Reform“, hatte beispielsweise der Geschäftsführer der Saarländischen Krankenhausgesellschaft Dr. Thomas Jakobs betont – und er ist nicht alleine. Damit stand die Option im Raum, den Vermittlungsausschuss (zwischen Bundestag und Bundesrat) anzurufen, um dort über Nachbesserungen und Korrekturen zu beraten. Unter normalen Umständen wäre dann noch Zeit genug geblieben, um bis zum Frühjahr zu einer Einigung in den harten Verhandlungen zu kommen und damit die Reform, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach einst als „Revolution“ bezeichnet hatte, vor Ende der Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen. Immerhin gehört die Krankenhausreform zu einem der zentralen Reformprojekte der Ampel-Regierung.
Nun ist die zerbrochen, und seither herrscht Wahlkampf. Angesichts dieser neuen Gemengelage deutet ziemlich viel darauf hin, dass das Projekt scheitern würde. Eine Verständigung im Vermittlungsausschuss mitten im Wahlkampf und binnen weniger Wochen schien kaum aussichtsreich. Vor diesem Hintergrund hatte sich das Saarland, das eigentlich auch auf Nachbesserungen gedrängt hatte, entschieden, in der Länderkammer trotz Bedenken zuzustimmen – frei nach dem Motto: Besser dieses Gesetz als gar kein Gesetz –, und damit für weitere Unsicherheit in der ohnehin verunsicherten Krankenhauslandschaft gesorgt.
Anders dagegen das ebenfalls SPD-geführte Land Brandenburg. Dessen Ministerpräsident Dietmar Woidke entließ praktisch während der laufenden Sitzung seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), weil sie gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen wollte. Ihr Chef wollte das anders. In Brandenburg ist die bisherige Koalition aus SPD, CDU und Grünen seit der Landtagswahl nur noch geschäftsführend im Amt. Die SPD verhandelt mit dem BSW über eine neue Koalition (kurz vor Redaktionsschluss schienen die Koalitionsverhandlungen auf der Zielgeraden zu sein).
Für den Bundesrat war es jedenfalls ein ziemlich einmaliger Vorgang, der auch einige Verärgerung über den politischen Stil und den Umgang untereinander nach sich zog. „Unwürdig“ oder „unterirdisch“ waren nur einige Kommentare dazu. Bundesratspräsidentin Rehlinger gab sich eher zurückhaltend: „Das sind Länderangelegenheiten.“
Es war an diesem Vormittag im Bundesrat zwar die größte Aufregung, aber nicht das einzige bemerkenswerte Ereignis. Bei der Abstimmung verhielt sich nämlich das Land Thüringen (ebenfalls nach der Landtagswahl noch in der Phase einer neuen Koalitionsbildung zur ersten „Brombeer-Koalition“ aus CDU, BSW und SPD) uneindeutig. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger entschied folglich, den Regeln des Bundesrats entsprechend, dass die Stimmen Thüringens nicht mitgezählt werden. Am Ende des turbulenten Vormittags war die Krankenhausreform beschlossen. Und gleichzeitig wurde deutlich, dass der Länderkammer in dieser Zwischenphase bis zur vorgezogenen Bundestagswahl eine besondere Rolle zukommt. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Umso mehr richten sich die Blicke auf die Sitzung der Länderkammer im Januar. Der Bundesrat tagt üblicherweise einmal im Monat. Geht da noch was?
Zentrales Motto „Zukunft durch Wandel“
Rehlinger blickt allerdings über diese Phase hinaus und hat sich einige Schwerpunkte gesetzt, für die sie möglicherweise durch die vorgezogene Neuwahl und die anschließende Phase von Koalitionsverhandlungen (von der absoluten Mehrheit der Bundestagssitze für eine Partei ist nach Lage der Dinge nicht auszugehen) womöglich sogar noch etwas mehr Spielräume hat.
Dabei spielt eine zentrale Rolle, dass Anke Rehlinger nicht nur Regierungschefin des Bundeslandes ist, das als „französischstes aller Bundesländer“ gilt, sondern zugleich auch die Beauftragte der Bundesrepublik für die deutsch-französischen (kulturellen) Beziehungen. Sie will das Präsidentschaftsjahr auch nutzen, um die „Sicht der Grenzregionen“ stärker zu betonen. Vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen spielt dabei nicht nur der Blick nach Westen, sprich Frankreich, sondern auch nach Osten Richtung Polen eine Rolle, Stichwort: Weimarer Dreieck. Dieses Format sollte nach Rehlingers Überzeugung neben der Regierungsebene auch „auf der föderalen Seite eine Rolle spielen“. Es gibt deutsch-französische Freundschaftsgruppen, ebenso deutsch-polnische in den Parlamenten. Zusammen getagt haben sie bislang aber noch nicht. So liegt die Idee nahe, sie zusammenzubringen, als einen „weiteren Baustein“.
Das Motto der Präsidentschaft „Zukunft durch Wandel“ ist auch durch saarländische Erfahrungen geprägt. Das Saarland ist mit seiner industriellen und exportorientierten Struktur (Automobil, Stahl) von den Umbrüchen „früher und härter betroffen als andere Regionen“, betont die saarländische Regierungschefin immer wieder. Letztlich sei dies aber für alle „die Herausforderung der Zeit“ und damit ein „verbindendes Element“.
Zudem sieht sie es als Aufgabe, für mehr Verständnis für „demokratische Prozesse in ihrer Komplexität“ zu werben, womit sie vor allem auf die für viele nicht immer durchschaubaren Abläufe von Bundestag und Bundesrat anspielt. Wenn Zuständigkeitsfragen zu einem Schwarzer-Peter-Spiel führten, schade das letztlich auch dem Vertrauen in die Demokratie.