Ist Slow Jogging eine Alternative für bequeme Couch-Potatoes?
Von Japan aus macht sich schon seit einiger Zeit eine neue Sportart auf den Weg, die aber eigentlich nur eine besondere Art des allseits bekannten Joggings ist. Das Ganze nennt sich Slow Jogging und hat sich angeblich längst weltweit auf den Weg gemacht, uns Couch-Potatoes nicht nur zur Kalorienaufnahme vom Sofa zu locken. Der relativ neue, stetig an Zuspruch gewinnende Lauftrend soll der Gesundheitsvorsorge dienen, Stress abbauen und die Fitness steigern.
Der japanische Lauf-Guru und Sportphysiologe Prof. Hiroaki Tanaka hat nach Jahrzehnte langer Forschung herausgefunden, dass Slow Jogging die gesündeste Laufmethode ist. Anders als beim üblichen Jogging, wo sich bei Anfängern wegen der unvermeidlichen Mühen schnell Frustration einstellt, eignet sich Slow Jogging für jedermann – also auch für uns. Man braucht dazu nur sein Hinterteil aus dem Sofapolster zu erheben, sich ein wenig sportlich zu kleiden und zum „niko niko pace“, dem „lächelnden Spaziergang“, aufzubrechen – und schon kann man gemütlich plaudernd doppelt so viele Kalorien verbrennen wie beim Walking, sein Übergewicht wirkungsvoll abbauen und sogar geistig fitter werden.
Wie bei jeder gesunden Trendsportart spielt auch beim Slow Jogging die Ausrüstung eine wichtige Rolle, weil sie erheblich zur Gesunderhaltung der Sportartikelbranche beiträgt. So wird auf der Website des „langsamen Laufens“ dringend davon abgeraten, mit normalen Joggingschuhen – wie sie fast nagelneu neben den Inline-Skatern auf unserem Speicher verstauben – auf die Strecke zu gehen. Beim normalen Joggingschuh sei nämlich das Fersenteil zu stark gepolstert, so dass es beim Slow Jogging zu Fußschädigungen kommen kann. Wer will das schon? Und ist es nicht gerade die panische Angst vor der Verformung unserer unteren Extremitäten, die uns zum passiven Sofasportler gemacht hat?
Vielleicht sollten wir aber doch etwas Einsicht zeigen und uns neue, geeignete Treter anschaffen? Als angehende Slow Jogger sollten wir also ruhig etwas „Fersen-Geld“ geben und uns umgehend die empfohlenen neuen Schuhe mit „biegsamer Sohle und geringer Fersendämpfung“ kaufen. War es aber nicht gerade die „hervorragende, gelenkschonende, von führenden Medizinern angeratene Dämpfung des Fersenbereiches“, die uns vor Jahren dazu bewegt hat, sündhaft teure „normale“ Joggingschuhe zu erwerben?
Um eine solche Trendwende zu begreifen, muss man etwas von Marketing verstehen oder wissen, dass beim Slow Jogging nicht die Ferse auf dem Boden aufgesetzt wird, sondern der gesamte Mittelfuß, weshalb hier die Nutzung unseres alten, fersengedämpften Joggingschuhs nichts bringen oder vielleicht sogar zur orthopädischen Katastrophe führen würde.
Wenn man dann die korrekten Slow-Jogging-Schuhe hat, sollte man mit möglichst vielen kleinen Trippelschritten laufen und natürlich ein Lächeln aufsetzen, weil eine hohe Schrittfrequenz, so lesen wir, zu anstrengend sei für Körper und Geist. Waren dann vielleicht die vielen lächelnden und trippelnden Japanerinnen, die uns an markanten Plätzen dieser Welt begegnet sind, gar keine Touristinnen, sondern Slow-Joggerinnen, auch wenn sie oft bunte Schirmchen in den Händen und Tourist-Guide-Knöpfe in den Ohren haben?
Die kleinen Trippelschritte bei sehr gemäßigtem Tempo – empfohlen werden 180 bis 190 Schritte pro Minute – gelten als größte Herausforderung des Slow Joggings. Experten raten deshalb zu passender Musikbegleitung und empfehlen „Danke“ von den Fanta Vier oder Michael Jacksons „They don’t care about us“, die beide mit 180 bpm (Beats pro Minute) ideale Wegbegleiter seien. Jeder kleine Schritt für den Slow Jogger ein großer Schritt für die Gesundheit!
Bei Abwägung von Vor- und Nachteilen des Slow Joggings kommen wir zur Überzeugung, dass wir uns dann doch lieber auf dem Sofa Celine Dions „My heart will go on“ anhören, das mit seinen sparsamen 50 bpm doch eher den Erwartungen unseres Körpers entspricht. Dabei können wir völlig stressfrei lächeln und brauchen nicht mal neue Schuhe!