Soziale Phobien sind weitverbreitet und zählen global zu den häufigsten Angststörungen. Sie stellen für die Betroffenen ein gravierendes Problem dar, können aber bei rechtzeitiger Therapie meist erfolgreich behandelt werden.
Die Soziale Phobie ist gekennzeichnet durch eine anhaltende und unangemessen starke Angst vor und in gesellschaftlichen Situationen. Die davon Betroffenen haben das für sie bedrohliche Gefühl oder die Befürchtung, sich zu blamieren, unangenehm aufzufallen, abgelehnt beziehungsweise kritisch-negativ bewertet zu werden oder generell die Aufmerksamkeit des Umfelds auf sich zu ziehen. Für die Diagnose der Angststörung hat die Weltgesundheitsorganisation WHO in ihrer Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) Folgendes festgelegt: „Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere Menschen, die zu Vermeidung sozialer Situationen führt. Umfassendere soziale Phobien sind in der Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik verbunden. Sie können sich in Beschwerden wie Erröten, Händezittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen äußern. Dabei meint die betreffende Person manchmal, dass eine dieser sekundären Manifestationen der Angst das primäre Problem darstellt. Die Symptome können sich bis zu Panikattacken steigern.“
Meist tritt diese Angst in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen auf, sie kann sich in selteneren Fällen aber auch auf ganz spezielle Anlässe wie das Essen in der Öffentlichkeit beschränken. Der Kontakt mit anderen Menschen kann für Menschen mit sozialer Phobie zu einer regelrechten Qual werden. Sie sind sich zwar in der Regel durchaus darüber bewusst, dass ihre Ängste eigentlich übertrieben und unbegründet sind, dennoch können sie sich nur schwer oder auch gar nicht dazu überwinden, sich den aus ihrer Sicht Angst machenden Situationen auszusetzen. Stattdessen entwickeln sie im Laufe der Zeit ein Vermeidungsverhalten. Sie setzen alles daran, den für sie potenziell Angst auslösenden Situationen möglichst gänzlich aus dem Weg zu gehen.Daher ist für Betroffene häufig neben der Symptomatik der Angsterkrankung die Vermeidung der angstauslösenden Situation ein weiteres Problem. Im schlimmsten Fall kann das zu einem kompletten Rückzug aus der Gesellschaft und der Flucht in die soziale Isolation führen.
Rückzug aus der Gesellschaft
Unbehandelt kann sich die Angststörung zu einem chronischen, lebenslangen Leiden entwickeln. Bei rechtzeitiger Therapie hingegen gilt die Soziale Phobie als sehr gut heilbar mit besten Chancen für eine vollständige Genesung. Genauere Zahlen bezüglich der Krankheitshäufigkeit oder Prävalenz lassen sich nur schwer ermitteln. Allein schon, weil viele Betroffene den Besuch des Facharztes schon allein aufgrund ihrer sozialen Ängste vermeiden und es auch zu oftmals schwer erkennbaren Überschneidungen, Verwechslungen oder einer Komorbidität mit anderen Persönlichkeitsstörungen wie der Ängstlichen vermeidenden Persönlichkeitsstörung (ÄVPS), der Abhängigen Persönlichkeitsstörung (DPS) oder der ebenfalls weit verbreiteten Angststörung Agoraphobie, mit und ohne Panikstörung, kommen kann. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zwölf-Monats-Prävalenz der sozialen Phobie für Erwachsene zwischen zwei und acht Prozent angesiedelt werden kann. Die Lebenszeit-Prävalenz wird auf zehn bis 15 Prozent taxiert. Wobei Frauen insgesamt deutlich mehr, ungefähr doppelt so häufig betroffen sind als Männer.
Ursachen: Für das Entstehen einer Sozialen Phobie lässt sich meist kein einzelner Faktor festmachen. Vielmehr ist von verschiedensten Einflüssen auszugehen. Wobei auch die Erbanlagen wie bei anderen psychischen Erkrankungen eine gewisse Rolle spielen können. Aber weitaus bedeutender dürften die äußeren Faktoren wie Erziehungsstil oder Vorbild der Eltern, familiäres Umfeld oder schlechte Erfahrungen mit Hänseleien und Demütigungen in Kindheit und Jugend bis hin zu traumatischen Erlebnissen mit anderen Menschen sein.
Verlauf: Meist tritt die soziale Phobie erstmals in der Zeit zwischen Pubertät und dem Erwachsenenalter auf. Es gibt Studien, die eine erste Manifestation im Alter zwischen zehn und 13 Jahren ermittelt haben. Dass sich die Angststörung erstmals im Erwachsenenalter bemerkbar macht, ist hingegen ziemlich selten. Häufig ist die Abgrenzung zur Schüchternheit oder persönlichen Unsicherheit im jugendlichen Alter nicht ganz einfach. Die Diagnose einer Sozialen Phobie sollte daher bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren erst nach sorgfältiger Untersuchung sowie möglicher Abgrenzung zu einer ADHS und frühestens bei Fortbestehen der typischen Symptome über mehr als sechs Monate gestellt werden. Wenn die Soziale Phobie bis ins Erwachsenenalter unbehandelt fortbesteht, ist ohne adäquate Therapie von einem chronischen Verlauf auszugehen. Dieser kann meist nur durch Psychotherapie und/oder Medikamenteneinsatz erfolgreich gestoppt werden. Vorbeugende Maßnahmen gegen die Entstehung der Angststörung gibt es eigentlich keine. Allerdings können Eltern durch einen liebevollen Erziehungsstil ihrem Kind helfen, ein gesundes Selbstwertgefühl und ein ausreichendes Maß an Sozialkompetenz aufzubauen.
Symptome: Die Soziale Phobie kann sich durch körperliche, affektive und kognitive Symptome bemerkbar machen. Auf der körperlichen Ebene kann es unter anderem zu Erröten, Herzklopfen bis Herzrasen, Schwitzen und Übelkeit kommen. Auf der psychisch-emotionalen Ebene können sich in extremen Situationen Panikattacken einstellen. Zu nennen sind aber auch Gefühle von Unruhe, Scham und Angst, vor allem davor, dass die körperlichen Symptome von anderen bemerkt werden könnten. Auf der psychisch-kognitiven Ebene gehören vor allem abwertende Gedankengänge in Bezug auf die eigene Leistung, auf die eigene Person oder auf die befürchteten Reaktionen des sozialen Umfelds zu den wichtigsten Symptomen. Da den Betroffenen alle diese Symptome peinlich sind, ziehen sie sich entweder in ein komplettes Vermeidungsverhalten zurück oder suchen Zuflucht zu einem ausgeklügelten Sicherheitsverhalten – beispielsweise Vermeidung von Blickkontakt –, um eine eventuell unvermeidliche gesellschaftliche Situation möglichst glimpflich überstehen zu können. Der Aufbau eines Freundeskreises, einer Partnerschaft oder die kontinuierliche Ausübung eines Berufs kann dadurch erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Bei ausgeprägten sozialen Phobien besteht daher ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Depressionen oder das Abdriften in Suchtbereiche wie Alkohol oder Medikamentenmissbrauch.
Diagnose: Erste Anlaufstelle für Betroffene wird in der Regel die hausärztliche Praxis sein. Hier wird der Arzt nach einem Informationsgespräch zunächst einmal überprüfen, ob körperliche Erkrankungen als Ursache für die Beschwerden ausgeschlossen werden können. Danach wird die Überweisung zu einem Facharzt oder einem Psychologen erfolgen. Diese werden sich mithilfe von Testverfahren und Fragebögen einen Überblick über die Beschwerden des Patienten verschaffen. Dabei können sie sich an verschiedenen Kriterien der WHO-Krankenklassifikation orientieren. Zudem muss der Behandelnde bei seinem Patienten eine emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder durch dessen Vermeidungsverhalten sowie die Einsicht, dass die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind, registrieren können.
Therapie: Die Behandlung der sozialen Phobie besteht üblicherweise aus einer Psychotherapie, einer medikamentösen Behandlung oder einer Kombination aus beiden Maßnahmen. Ziel der Behandlung sollte sein, möglichst die Ursachen der Ängste des Patienten zu ergründen, ihm das nötige Selbstvertrauen und einen deutlich verbesserten Umgang mit seinen Ängsten zu vermitteln. Die am besten wissenschaftlich untersuchte psychotherapeutische Behandlungsform bei Angsterkrankungen ist die kognitive Verhaltenstherapie. Bei dieser lernen die Betroffenen zunächst, welche negativen Gedankenmuster und Verhaltensweise ihre Ängste auslösen, um danach diese unerwünschten Strukturen gezielt zu verändern, beispielsweise durch bewusste Konfrontation mit den Angst auslösenden sozialen Situationen (Expositionsbehandlung). Durch die wiederholte Konfrontation, was auch im Rahmen von Rollenspielen im Rahmen einer Gruppentherapie durchgeführt werden kann, wird dem Patienten vor Augen geführt, dass die vom ihm befürchteten Konsequenzen ausbleiben. In der medikamentösen Behandlung der Sozialen Phobie werden vorrangig angstlösende Präparate beziehungsweise Antidepressiva eingesetzt. Nicht gänzlich unumstritten ist die Vergabe von Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen, weil diese bei Applikation über einen längeren Zeitraum leicht abhängig machen können. Nicht schaden kann auch die ergänzende Hinwendung zu Entspannungsmethoden wie autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung.