Vernetztes Arbeiten, Freizeit, modernes und familiengerechtes Ambiente – das neue Saarbrücker Stadtviertel Am Schanzenberg erfreut sich hohen Interesses. Und das in Zeiten, in denen die Nachfrage nach Büroimmobilien eher sinkt.
Wo viele Jahrzehnte Familien, Schulklassen, Vertreter aus Politik und Wirtschaft hin pilgerten, sich über Trends am Bau, im Wohnbereich oder Garten informierten, mobile Händler Gemüseraspeln anpriesen, wo Unternehmen aus der Großregion präsent waren, dort entsteht seit 2022 etwas völlig Neues: Auf dem ehemaligen Saarbrücker Messegelände entsteht das neue Stadtviertel Am Schanzenberg, dank der Investorenfamilie Reichenberger aus dem bayerischen Freilassing.
2.000 bis 3.000 Arbeitsplätze könnten dort bis 2030 entstehen, wenn es weiterhin gut läuft, gibt sich Eva-Maria Klappauf optimistisch. Die Tochter von Unternehmenschef Josef Reichenberger ist zuständig für das Marketing und die Vermietung der dort entstehenden Gebäude. Auf Einladung des Wirtschaftsnetzwerks Saarland stellte sie Mitte Mai direkt auf der Baustelle gemeinsam mit Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt und Wirtschaftsförderer Sebastian Kurth den 130 Gästen, darunter auch die ersten Mieter, den Masterplan Am Schanzenberg vor.
Als 2016 die Saarmesse nach einem kurzen Gastspiel der Berliner Messegesellschaft für immer die Pforten schloss, ahnte wohl noch niemand in der Landeshauptstadt, dass hier mal ein erfolgreiches Boomviertel entstehen würde. Beim Markterkundungsverfahren pitchten in der finalen Endausscheidung drei externe Interessenten um das rund 300.000 Quadratmeter große Gelände im Westen Saarbrückens. Investor Josef Reichenberger, der eher zufällig über eine Urlaubsbekanntschaft auf das Areal aufmerksam wurde, zeigte sich von Anfang an begeistert und erhielt letztendlich den Zuschlag. Das Gelände sollte unter keinen Umständen ein Spekulationsobjekt und kein Standort für Logistikunternehmen, wie ursprünglich mal angedacht, werden. In rekordverdächtiger Zeit von nur einem Jahr stand das Bebauungsplanverfahren, 2022 starteten der Bau – der inzwischen fertiggestellten – Infrastruktur sowie der Hochbau. Die verkehrstechnische Lage mit Autobahn- und möglicher Bahnanbindung, das grüne Umfeld, die Stadtnähe und hohe Sichtbarkeit als Eingangstor nach Saarbrücken von Luxemburg aus kommend sowie das flexibel gestaltete Baurecht mit vielen modularen Erweiterungsmöglichkeiten nach Bedarf machen das Areal Am Schanzenberg zu einer echten „Perle“ in der Stadtentwicklung. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, betont Eva-Maria Klappauf. Die Investorenfamilie, die erstmals außerhalb Bayerns aktiv ist, hat denn auch gleich an der Metzer Straße nahe der Goldenen Bremm ein weiteres Grundstück gekauft. Dass die Familie vom langfristigen Erfolg des Stadtviertels Am Schanzenberg überzeugt ist, freut auch Sebastian Kurth. „Vor allem in der Corona-Zeit hat der Investor langen Atem bewiesen, sich mit der Einrichtung von Test- und Impfzentrum auf dem Gelände extrem flexibel gezeigt und unbeirrt am Vorhaben festgehalten.“ Schließlich habe Corona die Büroarbeitswelt durch mobiles Arbeiten nachhaltig verändert, was zu einem massiven Einbruch der Nachfrage nach Büroimmobilien führte.
Stadtviertel soll auch nach Feierabend lebendig bleiben
Und dennoch: Als erster großer Ankermieter zieht bis Ende des Jahres die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland in den fünfgeschossigen Neubau auf dem neu gestalteten Areal ein. „Rund 300 hochmoderne Büroarbeitsplätze werden dort neben einem Kundenzentrum entstehen, zwar weniger als am bisherigen Standort in der Halbergstraße, aber dafür flexibel und modernsten Anforderungen entsprechend gestaltet“, erklärt die Vorstandsvorsitzende Martina Niemeyer. Gleich nebenan in der komplett sanierten ehemaligen Messehalle 3 betreibt das Unternehmen GSE sein Geschäft für Bio-Nahrungsergänzungsmittel. Das noch junge IT-Beratungsunternehmen Previsionz für Datenanalyse und Business Intelligence mit Niederlassung in Luxemburg und inzwischen 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie das IT-Systemhaus Bechtle mit mehr als 50 Mitarbeitern aus der gleichnamigen Unternehmensgruppe werden ebenfalls in die neuen Räumlichkeiten am Schanzenberg einziehen. Als feste Mieter stehen die Marken- und Kommunikationsagentur „echtgut“, die 2020 das neue Logo und den Namen für das Areal entwickelt hat und das Padel-Sportzentrum (eine Mischung aus Tennis und Squash) bereits fest. Weitere potenzielle Mieter sollen nach Angaben von Sebastian Kurth schon in den Startlöchern stehen. Schließlich könnten bei entsprechender Nachfrage zwei weithin sichtbare „Landmarken“ in Form von 15- oder 16-geschossigen Bürotürmen auf dem Gelände entstehen. Sie wären die höchsten Gebäude in Saarbrücken, ein deutlich sichtbares Aushängeschild.
Auch wenn die Nachfrage aus dem angrenzenden Frankreich, Luxemburg und anderen Bundesländern derzeit eher gering ausfällt, geben sich Stadt und Investor zuversichtlich. „Saarbrücken braucht attraktive Gewerbeflächen und Erweiterungsmöglichkeiten für bestehende Betriebe und Dienstleister, wie das Beispiel der Mieter am Schanzenberg zeigt. Sie sind auf Wachstumskurs und suchen seit langem nach passenden Locations“, so Kurth weiter. „Wenn wir das nicht vorhalten, verlieren wir möglicherweise diese Unternehmen in Saarbrücken.“ Ein Wermutstropfen sei allerdings der hohe Hebesatz für die Gewerbesteuer in der Landeshauptstadt. Da gebe es im Saarland doch einige Unterschiede, erklärt Eva-Maria Klappauf. Interessant sein könnte das Areal zudem für eine Bundesbehörde mit Strahlkraft für das Saarland, ein neuer Ankermieter, der die Attraktivität des Standorts nochmals unterstreichen würde.
Damit das bebaute Areal von etwa 125.000 Quadratmetern Nutzfläche auch eine Seele bekommt, sind Freizeit- und Gastronomieeinrichtungen geplant, ausreichende Grünflächen sowie eine Kindertagesstätte mit 120 Plätzen und eine geplante Waldkindergartengruppe an der Stelle, wo sich früher der Messebahnhof befand. Den hat die Investorenfamilie von der Bahn gleich mitgekauft. „Studentisches Wohnen, Co-Working-Spaces, ein Biergarten und ein mit der Stadt gestalteter Eingangsbereich sollen das Stadtviertel mit einem Unternehmensmix aus Gesundheit, Freizeit, IT und Startups auch nach Feierabend beleben“, so Klappauf weiter.
Die Verkehrsinfrastruktur rückt das Viertel näher ans Zentrum heran: Zwei Bushaltestellen auf dem Gelände ab 2025 mit Anbindung an Universität und Hauptbahnhof, der Radweg über das Areal anstatt an der Autobahn entlang, ein autonom fahrender Shuttlebus zwischen der Hochschule für Technik und Wirtschaft und dem Schanzenberg und die Revitalisierung der nahegelegenen Bahnstrecke Rosseltalbahn sollen das ermöglichen. Da seien Stadt und Land am Zuge. Parkplätze könnten an Wochenenden durch das nahe gelegene Freizeitbad Calypso und den deutsch-französischen Garten gleich mitgenutzt werden. Zudem wird Nachhaltigkeit am Schanzenberg großgeschrieben: durch Fernwärmeanbindung, Photovoltaikanlagen auf den Dächern sowie nachhaltiger Gebäudestandards.
Die Familie Reichenberger hat einen höheren zweistelligen Millionen Euro-Betrag investiert, plant keine Parzellierung oder den Verkauf einzelner Gebäude, sondern denkt ganzheitlich und will am Standort Saarbrücken langfristig festhalten. Nach den Großprojekten Quartier Eurobahnhof, Saarterrassen, der auf den Weg gebrachten Weiterentwicklung am Osthafen gibt es jetzt auch im Westen Saarbrückens ein bauliches Aufbruchssignal.