Wer an einer Autoimmunerkrankung leidet, braucht in der Regel eine glutenfreie Ernährung. Von den Krankenkassen wird diese allerdings nicht unterstützt. Auch für gesunde Familienmitglieder ist diese nicht unumstritten.
Knapp vier Euro für ein Kilo Mehl, drei Euro für eine Packung Nudeln und rund sieben Euro für ein frisch gebackenes Brot. Wer kein Gluten verträgt und auf glutenfreie Produkte angewiesen ist, muss oft tief in die Tasche greifen. Rund doppelt so viel – und teilweise sogar noch mehr – wie normale Lebensmittel aus Weizen, Dinkel und Co. kosten Lebensmittel aus Ersatzprodukten. Es gibt generell eine Vielzahl von Lebensmitteln, die von Natur aus glutenfrei sind und die glutenhaltige Zutaten ersetzen können. Dazu zählen etwa Amaranth, Hirse, Buchweizen, glutenfreier Hafer, Reis, Mais, Quinoa, Soja, alle Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Kichererbsen), naturbelassene Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und Eier.
Eine Studie der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) unter ihren über 40.000 Mitgliedern hat die Mehrkosten einer glutenfreien Ernährung untersucht. „Wir haben herausgefunden, dass sich die Mehrkosten einer glutenfreie Ernährung im Monat auf rund 100 Euro belaufen“, sagt Sofia Beisel von der DZG.
Das ist viel Geld für alle, die Zöliakie haben, eine Autoimmunerkrankung, bei der die Aufnahme des in verschiedenen Getreidearten vorkommenden Klebereiweißes Gluten eine Entzündung des Dünndarms auslöst. Laut DZG sind inzwischen 800.000 Menschen in Deutschland daran erkrankt, Tendenz steigend. Eine medikamentöse Behandlung gibt es noch nicht, die einzige Therapie besteht in einer strikt glutenfreien Diät. Neben der Zöliakie rückt das Krankheitsbild der Gluten-Unverträglichkeit immer stärker in den Fokus der Medizin. Hierbei kommt es in Folge einer Unverträglichkeit zu Symptomen wie Durchfall, Blähbauch und extremer Müdigkeit nach dem Essen. Anders als die Zöliakie führt die Gluten-Unverträglichkeit aber nicht zu langfristigen Komplikationen.
Anders als bei anderen Erkrankungen erhalten „Zölis“ aber keine finanzielle Unterstützung vom Staat oder den Krankenkassen. „Eine glutenfreie Diäternährung ist kein Arzneimittel und wird deshalb nicht von dem Anspruch auf Krankenbehandlung erfasst“, sagt Claudia Widmaier, Pressereferentin des GKV-Spitzenverbandes. Auch gemäß der Arzneimittelrichtlinie seien Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Krankenkost und diätetische Lebensmittel von der Versorgung im Rahmen der Krankenversicherung ausgeschlossen. Gleiches gilt demnach auch für laktose-, fruktose- und histaminfreie Produkte.
Auch dürfen derartig Erkrankte ihre Mehrkosten für diätische Nahrungsmittel nicht von der Steuer absetzen. Die Ausgaben für Zöliakie fallen unter das generelle Abzugsverbot für Diätverpflegung, so die Begründung. Unter Diätverpflegung ist jede Form einer frei erhältlichen, hochwertigen Ernährung zur Gesundheitsförderung zu verstehen. Ohne Belang ist dabei, ob diese Nahrungsmittel von einem Arzt verordnet wurden.
Dabei gibt es auch einige einleuchtende Gründe, warum glutenfreie Produkte in der Regel teurer sind. Ob sie häufig überteuert sind, ist dabei sicherlich sehr schwer zu entscheiden und muss von Fall zu Fall betrachtet werden. Da glutenfreie Produkte immer noch eher Nischenprodukte sind, werden sie natürlich in kleineren Mengen hergestellt. Zusätzlich werden sie mit anderen, meist teureren Rohstoffen und mit aufwendigeren Herstellungsverfahren produziert. Und schließlich müssen die Lebensmittel zusätzlich getestet werden, ob sie wirklich glutenfrei und für Zöliakie-Betroffene geeignet sind. Als „glutenfrei“ gekennzeichnete Lebensmittel sind im Übrigen nicht zu hundert Prozent glutenfrei. Sie dürfen maximal 20 Milligramm Gluten pro Kilogramm enthalten, ein Grenzwert, der noch als unbedenklich gilt.
Rund 1.800 Restaurants mit glutenfreien Speisen gibt es mittlerweile in Deutschland
Seit einigen Jahren ist allerdings ein wahrer Glutenfrei-Boom zu beobachten. Dank dieses anhaltenden Booms kann man derartige Produkte längst nicht mehr nur im Reformhaus oder im gut sortierten Supermarkt, sondern auch in Drogeriemärkten, Discountern und sogar an Tankstellen kaufen. Entweder gibt es ein eigenes „Glutenfrei-Regal“ oder die glutenfreien Lebensmittel befinden sich bei den einzelnen Warengruppen wie Brot, Pasta oder Cerealien.
Ein Problem ist jedoch häufig immer noch der Restaurantbesuch. Wo kann man als Zöliakie-Betroffener sorglos glutenfreie Pizza, Pasta, Burger oder Kuchen essen? Noch ist vielerorts die Auswahl begrenzt, aber die Internet-Seite glutenfreies-restaurant.de, mit Suchfunktion listet deutschlandweit rund 1.800 Restaurants, teilweise mit Lieferdienst, auf, wo dies möglich ist. Denn natürlich möchte man den Abend entspannt genießen und bei den Zutaten des Essens auf der sicheren Seite sein. Auch hier können die Preise für die einzelnen Gerichte natürlich höher sein.
Längst ist auch die Werbung auf diesen Zug aufgesprungen und immer mehr Menschen, die nicht unter der Unverträglichkeits-Krankheit leiden, fühlen sich von glutenfreien Produkten angesprochen. Viele Verbraucher und Verbraucherinnen halten „glutenfrei“ nicht zuletzt aufgrund der Werbung für ein besonderes Qualitätsmerkmal. Glutenfreie Lebensmittel haben inzwischen das Image von Lifestyle-Produkten.
Die Werbestrategien – so die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz – suggerieren oftmals, dass jene Produkte Gesundheit und Wohlbefinden steigern, angeblich sogar Übergewicht verhindern beziehungsweise beim Abnehmen helfen. „Viele Menschen gehen davon aus, dass Gluten ungesund ist und hoffen auf allgemein gesundheitssteigernde Effekte der Diät wie Gewichtsverlust oder einen Schutz für die Herzkranzgefäße“, sagt Privatdozent Dr. Peter Hasselblatt, Leiter der Darmambulanz an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg über eine Annahme, die wissenschaftlich durch nichts belegt ist. „Wichtig ist, dass eine Gluten-Diät nicht auf eigene Faust durchgeführt wird. Das erschwert letztlich auch den Nachweis einer möglichen Zöliakie oder Unverträglichkeit“, rät Dr. Hasselblatt. So lassen sich auch unnötige Kosten durch eine überflüssige Diät letztlich vermeiden.