US-Präsident Donald Trumps Wirtschaftspolitik wirkt befremdlich – Experten im Weißen Haus wollen jedoch ein US-zentriertes Wirtschaftssystem erzwingen. Zölle und ein entwerteter Dollar bilden die Grundlage des sogenannten Mar-a-Lago-Abkommens.

Ein US-amerikanischer Traum: ein neues „goldenes US-Zeitalter“, in dem die Vereinigten Staaten sich ausschließlich durch Zolleinnahmen finanzieren und keine Einkommenssteuer erheben, weil ihre heimatliche Wirtschaft boomt, sie alles Notwendige selbst herstellen können und allerhöchstens fehlende Rohstoffe aus aller Welt zu Spottpreisen importieren. Aber ist es nur ein Traum?
Wer die Gründe für die immer protektionistischer wirkende Wirtschaftspolitik der USA und US-Präsident Donald Trumps Zollfixierung verstehen will, stößt unweigerlich auf ein Papier von Stephen Miran, dem obersten Handelsberater des Weißen Hauses. Dieses liefert Hinweise darauf, wohin die wirtschaftspolitische Reise der USA in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gehen soll – hin zur unumschränkten Wirtschaftsgroßmacht, die alle anderen Staaten dominiert.
Dominanz in Handel und Sicherheit
Die Wette ist riskant, schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Anzeichen für eine Rezession den Plan früher torpedieren könnten als gedacht. Er fußt auf einem Konzept, dass Stephen Miran 2024 veröffentlichte. Miran, Harvard-Absolvent der Wirtschaftswissenschaften, arbeitete zuvor als leitender Berater für Wirtschaftspolitik im US-Finanzministerium der ersten Trump-Administration. Um zu verstehen, was er vorschlägt, ist ein Abtauchen in die grundlegenden Funktionsweisen des globalisierten Handels notwendig. Dieser soll zugunsten einer von den USA dominierten Handels- und Sicherheitsarchitektur abgelöst werden.

In seinem Essay „Benutzerhandbuch für die Restrukturierung des Globalen Handelssystems“ analysiert Miran, mittlerweile Vorsitzender des Wirtschaftsrates der Trump-Regierung, die Ursachen wirtschaftlicher Ungleichgewichte und schlägt Maßnahmen zur Reform des globalen Handelssystems mit den USA im Zentrum vor. Das zentrale Problem, das Miran zu lösen versucht, ist die Frage, wie der Wert des Dollars für mehr US-Exporte gesenkt und gleichzeitig die Vorteile seiner Rolle als internationale Reservewährung erhalten werden können. Miran argumentiert, dass der anhaltend teure US-Dollar, bedingt durch die beständige Nachfrage als Weltleitwährung, zu internationalen Handelsungleichgewichten zulasten der USA führt. Die Dollar-Überbewertung belaste insbesondere den amerikanischen Produktionssektor und koste dort Jobs.
Steven B. Kamin, ehemals Direktor für internationale Finanzen der US-Zentralbank, entgegnete in einem Beitrag für das American Enterprise Institute, dass diese Grundannahme schon hinfällig sei. „Die Dollardominanz hat wenig mit Mirans größter Sorge, dem sinkenden Anteil amerikanischer Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe, zu tun. Dieser Rückgang spiegelte weitgehend das schnelle Produktivitätswachstum im verarbeitenden Gewerbe wider und war in vielen Volkswirtschaften zu beobachten, sowohl in solchen mit Handelsüberschüssen als auch in solchen mit Handelsdefiziten.“
Warum Trump Partner erpresst
Miran betrachtet nun Zölle als potenzielles Mittel zur Korrektur. Er verweist auf die Erfahrungen aus den Jahren 2018 und 2019, in denen die damalige Trump-Regierung Zölle erhöhte, etwa auf chinesische Importe. Dies führte zwar zu einer entsprechenden Aufwertung des Dollars, wodurch die Inflation aber nicht angeheizt wurde. Dass der US-Dollar in dieser Zeit stärker wurde, lag aber nicht nur an den Zöllen. Viele Investoren flüchteten wegen der Handelskonflikte in den Dollar, gerade weil sie ihn als sichere Leitwährung betrachteten. Auch stärkte die damalige Geldpolitik der US-Notenbank den Dollar zusätzlich. Zwar wurde die Inflation insgesamt durch den stärkeren Dollar teilweise abgemildert. Doch viele Waren wurden 2018 teurer, insbesondere mit Zöllen versehene Rohstoffe wie Stahl und Aluminium. Das führte zu höheren Produktionskosten für US-Unternehmen, die diese Kosten oft an Verbraucher weitergaben.
Der heikelste Punkt ist Mirans Annahme, dass ein günstigerer Wechselkurs des Dollars zu anderen Währungen Zölle ausgleichen würde. Er schreibt: „Da die Bürger der Exporteure jedoch durch die Währungsbewegung ärmer geworden sind, ‚zahlt‘ das exportierende Land die Steuerlast oder trägt sie, während das US-Finanzministerium die Einnahmen einnimmt.“ Diese vereinfachte Darstellung hat Trump übernommen und wiederholt sie nun ständig. Nun funktioniert dies nur, solange die mit Zöllen bedachten Staaten keine Gegenzölle erheben – ansonsten zahlen die US-Verbraucher die Zeche, auch dies gibt Miran zu. Daher müssten sich die anderen Nationen mehr oder weniger freiwillig dem neuen System fügen.

Zollfreiheit nur unter dem Nuklearschirm
Hier kommt nun Mirans Vorschlag eines „Mar-a-Lago-Abkommens“ ins Spiel, benannt nach dem bevorzugten Wohnsitz von US-Präsident Trump. Es erinnert an das sogenannte Plaza-Abkommen von 1985. Dieses zielte darauf ab, durch koordinierte Maßnahmen die Währungsungleichgewichte zwischen den USA und anderen Industrieländern zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie zu stärken. In den frühen 1980er-Jahren war der US-Dollar stark überbewertet, was die US-Industrieexporte belastete. Also einigten sich die führenden IndusÂtrieländer der Welt darauf, den Dollar gezielt zugunsten der USA zu schwächen.
Das anhaltende Handelsdefizit der USA gegenüber anderen Ländern ähnelt derzeit der Situation damals: Nach aktuellen Daten der US-Regierung hat das Land 2024 Waren und Dienstleistungen im Wert von mehr als einer Billion Dollar mehr eingeführt als ausgeführt. Zahlen für die ersten drei Quartale 2024 zeigen, dass davon beispielsweise die EU mit 130 Milliarden Euro profitierte, Deutschland mit 75 Milliarden Euro. Donald Trump findet genau das „unfair“. Er will einen schwachen Dollar, um mehr zu exportieren.
Um anderen Ländern ein neues Währungsabkommen schmackhaft zu machen, verknüpft Miran in seinem Papier nun Handels- und Sicherheitspolitik. Er schlägt vor, dass Länder innerhalb der US-Sicherheitszone langfristige, unverzinste US-Staatsanleihen erwerben sollten, um die Kosten der Sicherheitsgarantien mitzutragen. Dieses Vorgehen würde die finanzielle Last der USA mindern und gleichzeitig die Nachfrage nach langfristigen US-Schuldtiteln erhöhen. In Zeiten, in denen zum Beispiel die EU nach strategischer Autonomie von den Vereinigten Staaten strebt, widerspricht diese Idee aber den gesteckten europäischen Zielen. Als Lockmittel sieht Miran den großen US-Markt und die militärische Stärke der USA. Nur wer sich diesem Abkommen fügt, soll von Zöllen verschont bleiben und zu den Freunden der USA unter den schützenden Nuklearschirm schlüpfen dürfen. Daneben gäbe es neutrale Staaten und Feinde.
Dass sich der US-Präsident nun mithilfe von Zolldrohungen vor allem gegen die engsten Handels- und Sicherheitspartner wendet, passt zu Mirans Konzept. Dass er dadurch die US-Wirtschaft an den Rande einer Rezession bringt, ebenfalls. Denn dadurch könnte die amerikanische Zentralbank gezwungen werden, die Zinsen zu senken und damit den Dollar zu entwerten. Das Spiel aber ist riskant. Eine gezielte Abwertung des US-Dollars könnte importierte Waren verteuern, was die Inflation anheizt und die Kaufkraft der Verbraucher schmälert. Wenn Investoren befürchten, dass die US-Regierung den Dollar einseitig manipuliert, könnten sie sich von US-Staatsanleihen abwenden. Dies könnte langfristig den Status des Dollars als Weltreservewährung gefährden und den Brics-Staaten, allen voran Russland und China, in die Hände spielen, die schon seit Längerem den Dollar ablösen wollen.
Hohes Risiko, schlechte Sorgfalt

Nach Ansicht des Ex-US-Notenbankers Steven B. Kamin sind Mirans Vorschläge, den Dollar zu schwächen und gleichzeitig die Zinsen niedrig zu halten, „wirkungslos, destabilisierend und letztlich nutzlos“. Mark Sobel, der Vorsitzende des US-Banken-Thinktanks OMFIF und langjähriger Beamter im US-Finanzministerium, kommt zu dem Schluss, dass ein Mar-a-Lago-Abkommen unglaubwürdig sei. Die Weltlage habe sich massiv verändert. Erhebliche Zölle und die von der Trump-Regierung geplanten massiven Steuersenkungen könnten den internationalen Kapitalzufluss in die USA erhöhen und damit den Dollar stärken – also genau das Gegenteil dessen bewirken, was Miran als Grundlage seiner Vorschläge sieht. Ein erfolgreiches Währungsabkommen erfordere die Zusammenarbeit großer Volkswirtschaften wie China und der Eurozone. Angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen und der protektionistischen Tendenzen der USA hält Sobel eine solche Kooperation für unwahrscheinlich, zumal China sich mehr und mehr von den USA als wichtiger Handelspartner entkoppelt. Und ohne eine fiskalische Konsolidierung in den USA, also eine strengere Haushaltsdisziplin, wie sie im damaligen Plaza-Abkommen angestrebt wurde, sei eine nachhaltige Abwertung des Dollars kaum realisierbar. Die aktuellen Pläne der Regierung ließen keine solche Konsolidierung erkennen, vielmehr blähten die geplanten Steuersenkungen die Staatsschulden voraussichtlich massiv auf, sagt Sobel.
„Es gibt einen Weg, auf dem die Trump-Administration das globale Handels- und Finanzsystem zum Vorteil Amerikas umgestalten kann, aber er ist schmal und erfordert sorgfältige Planung, präzise Ausführung und die Beachtung von Schritten zur Minimierung negativer Folgen“, schreibt Stephen Miran. Dass sein Plan womöglich die Grundlage der derzeitigen US-Wirtschaftspolitik ist, obwohl Trump selbst dazu nichts sagt, kann angenommen werden. Wenn die Ereignisse der vergangenen Wochen der Startschuss sein sollen, müssen sich die US-Wirtschaft und ihre Handelspartner warm anziehen. Denn Trump fehlen offenbar all jene Voraussetzungen wie Sorgfalt, Planung, Präzision und die Weitsicht für mögliche negative Folgen, um den Plan erfolgreich in die Tat umzusetzen.