Exorzismus, Glaube, Hirngespinste. Dämonen, Killer, Psychopathen. „Evil“ ist eine höllisch gute TV-Serie über religiöse Phänomene, paranormale Ereignisse, urbane Mythen und die Rückkehr des Antichristen. Für Gläubige, Atheisten und Agnostiker im 21. Jahrhundert.
Gibt es Gott? Gib es den Teufel? Gibt es das Gute, das Böse in der Welt? Gibt es wahre Erkenntnis? Harte Fakten, unumstößliche Beweise? Oder ist das Leben doch nur eine faszinierende Illusion? Sollten wir unsere Existenz nicht besser auf dem Seziertisch der Wissenschaft untersuchen lassen? Unser Bewusstsein auf die Psychiater-Couch legen? Und unsere Seele in die Hände von Priestern? Mit solchen existenzialistischen Fragen beschäftigt sich die TV-Serie „Evil“. Und zwar mit einem erfrischend neuen Ansatz, geistreich und extrem unterhaltsam. Das ist nicht verwunderlich, denn die Idee dazu hatte das Ehepaar Michelle und Robert King, die schon für die herausragenden Anwalts-Serien „The Good Wife“ und „The Good Fight“ verantwortlich waren.
Die drei Protagonisten von „Evil“ sind die Forensikerin Kristen (Katja Herbers), die psychologische Gutachten von Straftätern erstellt, der angehende katholische Priester David (Mike Colter) und der Wissenschaftler und Berufsskeptiker Ben (Aasif Mandvi). Bei einer Gerichtsverhandlung attestiert Kristen einem brutalen Killer absolute Schuldfähigkeit für seine Tat. Sein Verteidiger, ein gewisser Dr. Leland Townsend (Michael Emerson), behauptet allerdings, dass sein Mandant unter Zwang handelte, da er von einem Dämon besessen sei. Es kommt zu einer folgenreichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Kristen vom Fall abgezogen wird – und ihren Job verliert. Eins zu Null für Leland. Aber ist der nur ein hinterhältiger Rechtsverdreher – oder gar die Reinkarnation von Luzifer höchstpersönlich? Im Laufe der Ereignisse kristallisiert sich jedenfalls heraus, dass Kristen und Leland zu erbitterten Feinden werden, die sich aufs Blut bekämpfen.
Gruselig, spannend und humorvoll
Zunächst sucht Kristen also einen neuen Job. Und da kommt ihr David zu Hilfe, der sie bittet, ihm bei einem besonders heiklen Fall zu helfen, auf den ihn die katholische Kirche angesetzt hat: Ein Mädchen ist scheinbar von den Toten auferstanden. Blasphemische Scharlatanerie oder ein tatsächliches Wunder? Kristen, David und Ben machen sich sofort an die Arbeit. Es ist ein großer Spaß, den Dreien dabei zuzusehen, wie sie diesen und viele weitere Fälle lösen. Denn das geschieht nie plump, sondern ist raffiniert ausgeklügelt und oft verblüffend hintergründig. Die Kunst besteht darin, dass die verschiedenen Aspekte – Glaube, Übersinnlichkeit, Logik, Rationalität – in der Schwebe gehalten werden. Dadurch ist „Evil“ nicht nur gruselig und spannend, sondern auch mit viel schwarzen Humor gespickt.
Immer tiefer werden Kristen, David und Ben in einen Höllenschuld hineingezogen, der neben Dantes Inferno durchaus bestehen könnte. So erlebt Kristen unter anderem hautnah extrem verstörende Teufelsaustreibungen, wird Nacht für Nacht von einem sehr real auftretenden Dämon heimgesucht und sieht – eingesperrt in einem defekten Aufzug –, wie eine halbe (!) Frauenleiche langsam auf sie zukriecht. Höchste Zeit, sich ihrem Psychiater anzuvertrauen. Doch was ist, wenn auch der schon in die Fänge von Beelzebub Leland geraten ist?
Und David? Er ist der Fels in der Brandung, zweifelt aber immer wieder an seinem Glauben. Und wird ab und zu auch noch von erotischen Phantasmagorien mit Kristen in Versuchung geführt. Auch Kristen fühlt sich fatalerweise zu David sexuell hingezogen. Die Todsünde Wollust lässt grüßen.
Ben wiederum, der kühle Pragmatiker, den scheinbar nichts aus der Ruhe bringen kann, wird beim Begutachten eines „verwunschenen“ Teilchenbeschleunigers von einem Laserstrahl ins Gehirn getroffen – und anschließend von Geistern aus der Vergangenheit heimgesucht.
Hochdramatisch wird es, als Leland auch noch Kristens Ehemann kidnappt und ihn – unter Hypnose – dazu anstiftet, eine der vier gemeinsamen Töchter zu Tode zu spritzen. Auch Kristens esote-risch verspulte Mutter Sheryl (Christine Lahti), die längst unter dem Bann des Teufels steht, scheint tatsächlich auf Lelands Seite zu sein ...
Zombies, Hexen, Werwölfe, amoklaufende Roboter-Hunde, besessene Schweinerippchen, kollektive Hysterie gefällig? Kein Problem. Der magische Realismus treibt hier fröhlich sein Spiel mit den Blumen des Bösen. Freischwebend zwischen „Rosemary’s Baby“, „Hannibal“ oder den „X-Files“ zelebriert „Evil“ exquisite Horror-Halluzinationen, die man so noch nie gesehen hat. Und manchmal stehen einem dabei tatsächlich vor Schreck die Haare zu Berge ...