Mit dem MG5 gibt es zum ersten Mal überhaupt ein Elektroauto als Kombi. Wir klappen die Sitze um und testen, wie sich die chinesische Familienkutsche im Alltag schlägt.
Der Tod des Kombis schien schon besiegelt. Die bei Deutschen so beliebte Karosserieform findet international nur wenig Anklang. In China gelten die „Kombinationskraftwagen“ allenfalls als Handwerkerautos; in den USA steigen die Leute lieber in große Pick-up-Trucks oder SUVs. Für die exportorientierten europäischen Hersteller werden diese Märkte immer wichtiger – auf deutsche Vorlieben nach langgezogenen Familienkutschen wird da wenig Rücksicht genommen.
Kein Wunder also, dass bislang kein einziges Elektroauto als Kombi auf den Markt kam – den Skoda Enyaq, der mit seiner großen Heckklappe zumindest vage daran erinnert, lassen wir mal außen vor. Doch nun die große Überraschung: Der Kombi ist zurück! Mit dem MG5 präsentiert ausgerechnet ein asiatischer Hersteller ein solches Fahrzeug. MG, früher eine britische Traditionsmarke, gehört seit 2008 zum chinesischen SAIC-Konzern. Und genau dieser sieht nun offenbar eine Marktlücke, die es zu füllen gilt.
Damit das gelingt, setzt der Hersteller auf Kampfpreise und eine schnell durchschaubare Modellwahl. So gibt es den MG5 nur in zwei verschiedenen Ausstattungen – als Serienmodell und als „Luxury“-Variante. Beide sind jeweils mit einer kleinen (50,3 kWh) oder einer großen (61,1 kWh) Batterie erhältlich. Die günstigste Kombination ist bereits für knapp 33.000 Euro zu haben. Zieht man noch die 4.500 Euro staatliche Förderung ab, kommt man auf einen Preis von unter 30.000 Euro – für Elektroautos ein echtes Schnäppchen.
Das war’s dann aber auch mit den Aha-Momenten. Von außen wirkt der elektrische Kombi zunächst einmal sehr konventionell, um nicht zu sagen: langweilig. Eine Design-Revolution sollte man bei einem solchen Preis nicht erwarten. Der Zielgruppe – Geschäftsleute und Familienmenschen – sind bekanntermaßen andere Aspekte wichtiger. So muss ein Kombi vor allem praktisch sein und viel Stauraum bieten – wie ein Transporter eben, nur kleiner.
20 kW/h pro 100 Kilometer
In unserem 14-tägigen Test schauen wir uns daher zunächst einmal den Kofferraum an – und packen so ziemlich alles rein, was potenzielle Käuferinnen und Käufer interessieren könnte. Kinderwagen: passt! Hund: Nimmt bequem (wenngleich ungern) im Kofferraum Platz. Fahrrad: Mit umgeklappter Rückbank problemlos möglich. Ski und Skistöcke: Check!
Wobei auffällt, dass sich die Rücksitze nicht besonders weit nach unten klappen lassen, sodass die Ladefläche nach oben ansteigt. Bei Skiern ist das nicht weiter schlimm, bei großen Brettern oder sperrigem Transportgut schon eher. Immerhin, auf dem Dach oder per Anhänger kann weiteres Gepäck verstaut werden.
Nun aber auf die Straße: Klappe zu, Motor an! Wie sich schnell zeigt, hat der MG5 durchaus Langstrecken-Qualitäten. Er läuft ruhig, zieht bei Bedarf ordentlich durch und lässt sich auf bis zu 185 km/h beschleunigen. Das sollte man aber tunlichst unterlassen, weil sonst der Stromverbrauch in schwindelerregende Höhe schnellt.
Bei Fahrweise nach Richtgeschwindigkeit verbraucht der MG5 um die 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Unser Testfahrzeug, das mit dem großen Akku ausgestattet ist, bringt es so auf eine Reichweite von 300 Kilometern – nicht übel für eine Autobahn-Fahrt an einem kalten Wintertag mit fünf Grad Außentemperatur. Hier muss sich der MG vor der Konkurrenz nicht verstecken.
Anders sieht es an der Ladesäule aus. An der Raststätte lädt der chinesische Kombi mit maximal 87 Kilowatt. Schon im Idealfall braucht er 40 Minuten, um die Batterie wieder zu 80 Prozent zu füllen. Bei unserer Winterfahrt ist es eher eine Stunde. Wir nehmen es sportlich und gehen an der A61 in Ruhe essen, doch selbst nach Burgern, Pommes und einem kleinen Verdauungsspaziergang rattert die Ladesäule noch immer. Ist das ein Manko? Im Vergleich zur deutlich schnelleren Konkurrenz natürlich schon. Doch irgendwo muss der günstigere Preis schließlich herkommen. Zum Vergleich: Selbst ein elektrischer Kleinwagen wie der Peugeot e-208 kostet mehr als ein MG5.
An anderer Stelle leistet sich der Elektro-Kombi allerdings Schnitzer, die man nicht so leicht verzeihen kann. Beim langsamen Laden auf einem Parkplatz verweigert er mehrfach die Stromannahme. Auch im Schnelllademodus hört er bei 95 Prozent plötzlich auf, obwohl im Bordcomputer 100 Prozent eingestellt waren. Dieser Fauxpas tritt zwar nur einmal auf, hinterlässt aber einen schalen Beigeschmack. Zumal auch der SUV-Bruder des MG5, der MG ZS EV, im Test mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte. Er wollte immer nur dann laden, wenn die Türen abgeschlossen waren.
Probleme bei Schilderkennung
Dafür überzeugt die Qualität des Innenraums: Die Schalthebel am Lenkrad sind mit türkisen Elementen verziert, ebenso die Lüftungsschlitze und die Türen. Auch die Sitze wirken hochwertig und der Rücken tut selbst nach sechs Stunden Autobahn nicht weh.
Die im Testfahrzeug verbaute Kombination aus weißem Stoff und Kunstleder (Aufpreis: 1.000 Euro) kann man sich bei einem Familienauto allerdings getrost sparen. Es würde nur wenige Tage dauern, bis sich die ersten Schokoflecken oder Hundehaare auf dem hellen Polster verteilen.
Ansonsten fühlt sich die Fahrt wenig spektakulär an, und zwar im positiven Sinne. Der Spurhalte-Assistent leistet gute Arbeit, auch die automatische Abstandsregelung funktioniert. Die Trefferquote bei der Verkehrszeichen-Erkennung liegt jedoch eher im unteren Bereich. Vor allem mit leuchtenden Temposchildern hat der MG5 Probleme.
Positiv fällt auf, dass der Elektro-Kombi serienmäßig mit einer Rückfahrkamera und einem Navi ausgestattet ist. Beide sind zwar nicht die besten –
die Kamera ist unscharf, das Navi plant keine Lade-Stopps –, aber auch hier sollte man sich den günstigen Preis in Erinnerung rufen.
Zu viel sollte man von den digitalen Helfern daher nicht erwarten. So lassen sich zwar verschiedene Fahrmodi und Rekuperationsstufen auswählen, wodurch Energie beim Bremsen zurückgewonnen wird. Allerdings merkt sich der MG5 die Einstellung nicht, sodass man beides bei jedem Start neu festlegen muss.
Der Sprachbefehl entpuppt sich während der Testfahrt als Totalausfall: Egal, wie oft man die entsprechende Taste am Lenkrad betätigt – nichts passiert. Sollte der Hersteller seinem Fahrzeug wegen solcher Missgeschicke ein Software-Update gönnen, zeichnet sich ein echtes Hindernis ab: ein weitmaschiges Werkstatt-Netz. Auf der MG-Website sieht man vor allem auf dem Land große Lücken. Nach einer Zählung des ADAC gibt es lediglich 130 Vertriebspartner in Deutschland.
Ladeschnarcher statt fixer Lader
Was die Sicherheit angeht, liegt aktuell noch kein Crashtest-Ergebnis vor. Der renommierte Anbieter EuroNCAP hat aber bereits das Schwestermodell, den Kompaktwagen MG4, getestet. Das Ergebnis: fünf Sterne, also der Höchstwert.
Unterm Strich bleibt der Eindruck durchaus positiv: viel Auto für einen attraktiven Preis. Beim Gepäck – dem wichtigsten Kriterium für einen Kombi –
ist der MG5 ein echter Lade-Meister; beim Stromtanken hingegen ein Lade-Schnarcher. Auch bei der Software muss der Hersteller noch mal nachlegen, um die Zielgruppe nicht zu vergrätzen.
Wer am Ende trotzdem ein deutsches Auto bevorzugt, sollte bis zum Frühjahr warten. Dann bringt Opel seinen neuen Astra auf den Markt – ebenfalls ein Kombi, ebenfalls elektrisch, aber mit Sicherheit deutlich teurer.