Es wird deutlich wärmer – vor allem in den Städten. Diese versuchen sich so gut es geht vorzubereiten. Dafür muss Beton aufgerissen werden, der Asphalt muss weichen. Wie, macht Frankfurt vor. Dort gibt es bereits seit Langem einen Hitzeschutzplan.
Wenn das Thermometer deutlich über 30 Grad klettert, stöhnt ganz Deutschland unter der sommerlichen Hitze – und das mittlerweile mit schöner Regelmäßigkeit. Doch Hitze ist nicht nur unangenehm. Sie tötet auch. Um wie viele Menschen es sich handelt, wird derzeit nur anhand der Übersterblichkeit geschätzt: Nach einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts mit dem Deutschen Wetterdienst waren es alleine in den Jahren von 2018 bis 2020 rund 19.800 Deutsche. Zeit, dass Städte und Gemeinden sich Gedanken darüber machen, wie sie diesem Phänomen begegnen. Noch gibt es nicht viele Hitzeschutzpläne in Deutschland, aber Vorreiter. Einer davon: das Bundesland Hessen und die mit glänzenden Hochhausfassaden gespickte Metropole Frankfurt.
Ende Juni fand dort der vierte Stadtgesundheitskongress statt. Im Mittelpunkt diesmal: Frankfurter Lösungen für heiße Tage. Das Gesundheitsamt hat auf seiner Website zum Beispiel unter „Kühle Orte“ eine Karte veröffentlicht, auf der rund 150 öffentliche kühle Orte der Stadt vermerkt sind – vom Wald über den Friedhof, von der Kirche übers Museum bis zum Einkaufszentrum. Auch Trinkwasserbrunnen sind in der Karte zu finden, schließlich ist es an heißen Tagen besonders wichtig ausreichend zu trinken. „Es wird in Zukunft mehr heiße Tage mit Temperaturen über 30 Grad und starker Wärmebelastung geben. Gerade für ältere und kranke Menschen sowie kleine Kinder bedeutet Hitze oftmals eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Wärmebelastung heißt, die gefühlten Temperaturen steigen auf über 32 Grad. Insbesondere in den heißesten Stunden des Tages sollten Aufenthalte im Freien möglichst vermieden werden“, sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer.
2022: 45 Tage über 30 Grad
Wenn aber draußen 38 Grad herrschen und die eigenen vier Wände keine Abkühlung mehr bieten, zum Beispiel in einer Dachgeschosswohnung, ist es ratsam, einen öffentlichen Ort zu besuchen, an dem die Temperaturen niedriger sind. An sehr heißen Tagen machen bereits ein paar Grad weniger, wie sie etwa in einem Park mit altem Baumbestand herrschen, einen beträchtlichen Unterschied fürs eigene Wohlbefinden.
Das Gesundheitsamt Frankfurts hat Daten zur Hitzebelastung der Großstadt gesammelt: Die fünftgrößte Stadt Deutschlands liegt geschützt im Rhein-Main-Tal, der Wind weht im Mittel eher schwach, es gibt vergleichsweise wenig Niederschlag pro Jahr. Die hohe, eng bebaute und versiegelte Stadtsilhouette begünstigt hochsommerliche Strahlungswetterlagen – mit anderen Worten: viel Asphalt, Beton, Stahl und Glas in der Innenstadt heizen die Frankfurter City auf.
Die Anzahl der heißen Tage mit Temperaturen über 30 Grad nimmt seit Jahrzehnten zu, das belegen Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes. Waren es in den 90er-Jahren noch bis zu 20 Tage pro Jahr, stieg die Zahl bis 2015 auf 30 Tage und 2022 auf 45 Tage pro Jahr, in denen das Thermometer in Frankfurt teils Rekordtemperaturen meldet – 2019 etwa kletterte es auf 40,2 Grad. 15 der 18 wärmsten Jahre gab es nach der Jahrtausendwende, belegen die Wetteraufzeichnungen in Frankfurt.
Die Hitze allein ist aber nicht der Grund dafür, dass Hessen und Frankfurt mittlerweile Hitzeschutzpläne entwickelt haben: Forschungen belegen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Hitze und der Sterblichkeit von Menschen, die Zahl von Rettungswagen-Einsätzen nimmt zu.
Schon vor fast zehn Jahren beschäftigte man sich in Frankfurt daher mit Klimaanpassungsstrategien. 2022 veröffentlichte die Stadt eine aktualisierte Fassung. Darin sammelt sie ihre Maßnahmen, um besser gegen extremes Wetter gewappnet zu sein. Die Flächenplanung berücksichtigt Windschneisen, die die dicht bebauten Flächen umströmen, den Wetterauwind aus der Region in Frankfurts Nordwesten, mehr Begrünung, mehr Verschattung. Eine wichtige Initiative hierbei: mehr Grün. Zum Beispiel durch „Frankfurt frischt auf“. Mit dieser Initiative will die Stadt Hausbesitzer dazu ermuntern, mehr Grün auf dem Flachdach, an der Fassade oder im Innenhof zu pflanzen. Die Stadt berät und zahlt 50 Prozent der Maßnahme, maximal 50.000 Euro. Bis Anfang Juli 2023 beriet die Stadt 1.318 Mal, zählte 437 Förderanträge, 353 positive Förderbescheide und 217 abgeschlossene Projekte. Rund 1,8 Millionen Euro an Fördergeldern sind bereits ausgezahlt, 2,4 Millionen stehen schon für positive Bescheide bereit. Schottergärten anzulegen hat die Stadt mittlerweile verboten.
Schnell ändert sich dadurch das Stadtbild natürlich nicht. Klares Problem hierbei: Frankfurts versiegelte Plätze. Probleme bereiten oft die direkt unter der Oberfläche liegenden Betonkonstruktionen für Tiefgaragen oder U-Bahn-Schächte – Wurzeln finden dort keinen Halt mehr. Bürgerinitiativen ringen trotzdem um Platzumbauten, einer der ersten war der Paul-Arnsberg-Platz. Dieser wurde zunächst vom Betonplatz zum Betonplatz mit Betonspringbrunnen. In diesem Jahr wurde er nun entsiegelt und begrünt.
Notfallpläne für Altenheime
Initiativen wie die grünen Pläne Frankfurts sind in Deutschland jedoch noch nicht flächendeckend angelaufen. Für den Hitzeschutz sind Städte und Gemeinden zuständig, immer mehr beschäftigen sich bereits damit. Erstmals soll nun ein nationaler Hitzeschutzplan her, das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Juni auf Initiative der Bundesärztekammer, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit und des Deutschen Pflegerates verkündet. Das Vorbild dafür ist Frankreich.
Dort wurde ein entsprechendes Warnsystem schon 2004 implementiert. Im Falle großer Hitze werden Notfallpläne in Alten- und Pflegeheimen aktiviert, isoliert und allein lebende Personen auf kommunaler Ebene kontaktiert. „Hitzeschutz gelingt nur gemeinsam“, sagt auch der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt. Daher muss der gesundheitliche Hitzeschutz als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden, mit klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen. Darüber hinaus sollten Kommunen, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Kitas, Schulen und Unternehmen noch in diesem Sommer erste pragmatische Schutzkonzepte umsetzen, um Hitzerisiken zu reduzieren. Wir stehen mit unserem Fachwissen bereit, um bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen zu helfen.“
Nicht nur national, auch international gehen Städte das Hitzeproblem an. Noch im Mai veröffentlichte das Weltwirtschaftsforum eine Sammlung von Städten weltweit, die unterschiedliche Maßnahmen zur Abkühlung und zum Schutz gegen die erwartete Extremhitze treffen – von Rotterdam über Paris bis Medellin. Die zweitgrößte kolumbianische Stadt hat riesige, 20 Kilometer lange grüne Korridore aus Bäumen und anderen heimischen Gewächsen geschaffen, unter denen Fußgängerzonen und Fahrradwege verlaufen. Die Anlagen kosteten 16 Millionen US-Dollar. Paris plant ebenfalls bis 2026 mehr als 170.000 Bäume im Stadtgebiet neu zu pflanzen. Die Initiative Rotterdam Rooftop Walk begrünte in einer Ausstellung Rotterdams Dächer; so können Temperaturunterschiede von bis zu 15 Grad erzeugt werden. Und Los Angeles experimentiert mit Straßenfarbe: Weiß statt Asphaltschwarz soll die Temperatur in der Stadt senken.
Besonders von der Hitze in den kommenden Jahrzehnten sind jedoch die Städte Italiens, Südfrankreichs, Griechenlands, Spaniens und Portugals, die Inseln Zypern und Malta betroffen. Schon heute sprechen die Behörden in den Sommermonaten rund um das Mittelmeer regelmäßig Hitzewarnungen aus, so auch kürzlich wieder in Bologna oder Rom. Der italienische Wetterdienst maß am 18, Juli in Rom 43 Grad Celsius. Die bislang am höchsten gemessene Temperatur Italiens wurde 2021 in Syrakus auf Sizilien gemessen. Damals waren es 48,8 Grad Celsius. Auf den Kanaren mussten sich Einwohner in Sicherheit bringen, während Waldbrände um ihre Dörfer wüteten. Griechenland schloss wegen der überwältigenden Hitze seine Top-Touristenattraktion, das Parthenon auf der Akropolis hoch über Athen, Feuerwehren kämpften auf Rhodos gegen riesige Flammenwalzen.
„Grundsätzlich sollten Städte und Regierungen vor allem langfristig städtebauliche Anpassungen vornehmen, klimafreundlich werden und einen Hitzeaktionsplan etablieren“, sagt Dr. Alina Herrmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Klimagerechte Gesundheitssysteme am Institut für Global Health, Universitätsklinikum Heidelberg. „Kurzfristig sollten die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes über kommunale Kommunikationskanäle weitergegeben und mit Verhaltenshinweisen kombiniert werden. Gerade bei starker Hitze ist es auch wichtig, dass es kostenlosen Zugang zu klimatisierten Räumen gibt – sogenannte ‚Cooling Shelters‘ – und diese beworben werden. Dies können zum Beispiel öffentliche Stadtbibliotheken oder Gemeindehäuser, Verwaltungsgebäude oder Ähnliches sein. Denkbar sind auch Kooperationen mit privaten Unternehmen und Einkaufszentren.“
Doch die Städte müssen langfristig planen. Die Hitze verschwindet nicht einfach, vor allem nicht angesichts steigender Temperaturen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Prof. Dr. Jörn Birkmann ist Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart und denkt naturgemäß in anderen Dimensionen als die Medizinerin. „Zur Kühlung von Städten ist zum einen die Freihaltung der zentralen Kaltluftleitbahnen und -entstehungsgebiete in den Städten und dem Umland und die damit verbundene Sicherung ihrer Funktion wichtig. Zum anderen ist die großflächige Implementierung von grüner und blauer Infrastruktur (Grünflächen und Gewässer; Anm. d. Red.) bedeutend.“
Grünflächen kühlen die Stadt
Ein künftig verändertes Mobilitätsverhalten bedeutet aber auch, die neue Begrünung weiter zu denken als bisher. „Fuß- und Radwegverbindungen zu Erholungsorten sollten auch auf ihre Verschattung beziehungsweise den Hitzestress überprüft werden“, fordert Birkmann. Neueste Modellierungsergebnisse der Forschung des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart zeigen unter anderem, dass es selbst bei aktiver Hitzeanpassung hitzebelastete Gebiete geben wird. Das hat das Institut bei einer Untersuchung der Stadt Ludwigsburg erfasst. „Für die Definition von prioritären Räumen für die Hitzeanpassung sind daher neben Planungsgrundlagen, die die klimatische Situation erfassen, auch Informationen zur heutigen und zukünftigen gesellschaftlichen Zusammensetzung wichtig. Beispielsweise benötigen Menschen ohne eigenen Garten definitiv einen guten Zugang zu kühlenden Grünflächen im öffentlichen Raum.“
Denn wollen in Städten lebende Personen künftig nicht ihre Sommer nur im energieintensiv gekühlten Innenraum verbringen, braucht es natürliche Klimaanlagen: Bäume und Sträucher, die der kommenden Hitze trotzen.