Nachhaltigkeit ist in der Mode ein großes Thema. Das gilt insbesondere für die Stoffe. Statt tierischen Ledererzeugnissen oder chemisch verarbeitetem Kunstleder setzen viele Label jetzt auf Kaktusleder. Das ist umweltfreundlich, vegan und kostet nicht mal mehr.
Leder galt in der Modeindustrie lange Zeit als großes Problem. Es war robust, schick und praktisch zur Fertigung von Taschen, Mänteln, Jacken und vielem mehr. Wer dabei das Tierwohl im Hinterkopf hatte, der verlor schnell die Lust am Material. Kunstleder kam auf den Markt, das verbraucht in der Herstellung allerdings viele Ressourcen und lässt sich schlecht recyceln. Höchste Zeit für etwas Neues: Pflanzenleder! Neben Stoffen aus Apfelzesten und Ananas kam eine neue Idee aus Mexiko: Kaktusleder, erfunden von Marte Cázarez und Adrián López Velarde. Ganze zwei Jahre forschten sie und gründeten schließlich ihr Start-up Desserto. Die Idee der Gründer war es, ein Produkt zu schaffen, welches die gleichen positiven Eigenschaften wie echtes Leder hat, dafür aber umweltfreundlich und nachhaltig ist. Seit 2019 ist das Resultat ihrer Bemühungen auf dem Markt erhältlich. Große Konzerne wie Mercedes-Benz, Adidas oder H&M sehen darin großes Potenzial und investieren eifrig in die Weiterentwicklung und Forschung in das neuartige Produkt.
Zweijährige Forschung
Doch wie wird es eigentlich hergestellt? Die Grundlage bilden Kakteen, vorzugsweise der Feigen- beziehungsweise Nopal-Kaktus. Beide Arten stammen aus Mexiko und werden dort auf großen Flächen angebaut. Dabei brauchen sie vor allem viel Wärme und typisch Kaktus, sehr wenig Wasser. Das schont wertvolle Ressourcen. Sind die Pflanzen ausgewachsen, geht es an die Ernte. Zunächst pflücken Landarbeiter die Kaktusscheiben ab. Diese bilden die Grundsubstanz für das Leder. Die Scheiben werden zermatscht und die Masse dann in der Sonne getrocknet. Danach mischen die Produzenten Polyurethan (kurz PU) unter. Hierbei handelt es sich um einen Kunststoff, der später für die Festigkeit sorgt. Die Mischung wird dann auf einen dünnen Polyester- oder Baumwollstoff aufgebracht. Erst dadurch erreicht das Material seine Flexibilität und weiche Haptik. Die soll sich sehr ähnlich anfühlen wie echtes Leder. Die Haltbarkeit beziffern die Erfinder auf bis zu 10 Jahre. Da die ersten Materialien aber erst 2019 am Markt erhältlich waren, lässt sich das (noch) nicht bestätigen. Zum Haltbarmachen kommen weder schädliche Schwermetalle wie Chrom noch giftige Chemikalien zum Einsatz.
Einziger großer Wermutstropfen ist laut Bundesinstitut für Risikobewertung (kurz BfR) die Beimischung von PU. Dieser ist zwar für Menschen unbedenklich, das gilt allerdings nicht für die Umwelt. Kunststoff ist durch die Vermischung unterschiedlicher Stoffe schwer recycelbar und deshalb nicht ganz so umweltfreundlich wie der Kaktus selbst. Dieser legt weite Wege von Mexiko bis nach Europa zurück. Schlechte Emissionswerte und damit eine negative Klimabilanz sind die Folgen. Außerdem kommt bei der Produktion Erdöl als Rohstoff zum Einsatz, ohne geht es noch nicht. Zudem können bei der Herstellung von PU laut Institut für Baubiologie und Ökologie (kurz IBN) in den Zwischenprodukten „hochgradig giftige“ Substanzen entstehen. Deshalb rät man hier zur Vorsicht.
Nachfrage wird immer größer
Für die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland e. V. ist Kaktusleder trotzdem eine gute Alternative zu tierischen Produkten. Schließlich kommen hier keine Tiere zu Schaden. Außerdem sind Kakteen eine gute Basis für die Produktion, denn sie sind ein nachwachsender Rohstoff, der wenig Wasser benötigt und damit wertvolle Ressourcen schont. Anders als die Lederindustrie, die als wasserintensivste Branche weltweit gilt. In ihrem Ursprungsland Mexiko sind Kakteen ein natürlicher Kohlenstoffspeicher, der zur Erhaltung gesunder Böden beiträgt. Ganz nebenbei ernähren sie den Menschen sowohl direkt als auch indirekt über den Export in viele andere Länder rund um den Globus. Deshalb hat Peta Deutschland Unternehmen, die diese Lederalternative nutzen, mit einem veganen Siegel zertifiziert. Entsprechende Informationen dazu sowie eine Liste aller Hersteller finden sich auf der Webseite des Vereins.
Verwendung findet das Kaktusleder dabei nicht nur in der Produktion von Mode und Accessoires wie Taschen und Geldbörsen, sondern auch in der Beautyindustrie, als Bezug für Autositze, Möbel und vieles mehr. Kein Wunder, dass die Nachfrage ständig steigt.