Hertha BSC holt nur ein 1:1 zu Hause gegen Mainz. Auch die Vereinbarung mit dem neuen Investor hebt den Verein finanziell nicht zurück auf ein höheres Level.
Wer noch Anschauungsunterricht benötigte, wie eng die Teams im Tabellenkeller der Bundesliga beieinander liegen, der wurde bereits am vergangenen Freitagabend belehrt. Da gewann das bisherige Schlusslicht VfL Bochum beim 1. FC Köln und gab dadurch nicht nur die rote Laterne ab, sondern machte gleich einen Sprung auf Rang 14. Somit blieb der Revierclub nach Abschluss des 24. Spieltags in der Tabelle sogar vor Hertha BSC, denn die Berliner kamen tags darauf im Heimspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 nicht über ein 1:1 hinaus. Die Siegesserie der Rheinhessen ging also zu Ende – aber auch die Aussicht in Reihen der Berliner, erstmals seit der Spielzeit 2018/19 drei Heimspiele hintereinander zu gewinnen. Da die „Alte Dame“ auswärts dazu lange nichts mehr mitnehmen konnte, musste das Remis insgesamt als Punkteverlust im Abstiegskampf gewertet werden. Auch der Spielverlauf gab mehr als den einen Zähler her, denn das Team des Ex-Mainzers Sandro Schwarz gestaltete die erste Halbzeit hoch überlegen – erspielte sich daraus aber zu wenige Chancen und konnte dabei sogar nur durch einen diskutablen Handelfmeter in Führung gehen. Die im Nachhinein als irregulär eingestufte Berührung des 05ers Leandro Barreiro hatte schließlich niemand im Stadion wahrgenommen – erst der Einsatz des VAR leitete also das 1:0 ein. Erfreulich: Jessic Ngankam, der gegenüber dem etatmäßigen Elfmeterschützen Dodi Lukebakio den Vorzug in der Startelf erhalten hatte, blieb vom Punkt ebenso nervenstark und konnte sein Selbstvertrauen durch den zweiten Saisontreffer weiter aufbauen. Die Halbzeitführung erwies sich jedoch im weiteren Verlauf als zu knapp – ausgerechnet Ludovic Ajorque nutzte einen lichten Moment der Gäste zum Ausgleich. Der französische Stürmer, an dem der frühere Hertha-Sportvorstand Fredi Bobic vor der Saison sehr interessiert war, traf sehenswert von der Strafraumgrenze. Ein Gegentor, das bei Hertha BSC erst mal Wirkung zeigte und so schnell beinahe ein zweites nach sich gezogen hätte. Immerhin aber sorgte dann ein Kopfball des Berliners Marc Kempf, der nur am Querbalken landete, wieder für mehr Konzentration bei den Gastgebern – für mehr als ein Unentschieden reichte das am Ende aber dennoch nicht.
So fiel die Punkteteilung unter dem Strich in die Kategorie „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“ – ähnlich wie auch der finanzielle Rahmen, den der Einstieg des neuen Investors 777 Partners für Hertha BSC mit sich bringt. Extrem wichtig war aber schon die Vollzugsmeldung, die Stunden vor dem Mainz-Spiel von blau-weißer Seite öffentlich gemacht wurde. Denn damit verbunden war eine erste Tranche von bis zu maximal 35 Millionen Euro, die der Berliner Bundesligist dringend für seine Bilanzen benötigte – schließlich waren am Mittwoch dieser Woche die Lizenzunterlagen bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) einzureichen. Darin enthalten sind auch einige katastrophal anmutende Zahlen: knapp 45 Millionen Euro Verlust im ersten Halbjahr 2022/23 (am Ende wird mit 64 Millionen gerechnet), dazu Ende 2022 Verbindlichkeiten von 90,8 Millionen sowie ein negatives Eigenkapital von 15 Millionen Euro. Der letzte Faktor soll mit der erwähnten Sofortzahlung dafür deutlich verbessert werden. Die mit dem Einstieg des US-amerikanischen Private Equity Unternehmens verbundene, gesamte Finanzspritze beläuft sich demnach auf 100 Millionen Euro, die über die kommenden zwei Jahre in mehreren Teilen ausgezahlt werden soll.
Partie gegen TSG Hoffenheim von hoher Wichtigkeit
Große Sprünge sind damit nach derzeitigem Stand der Bilanzen bei Hertha BSC weiterhin nicht mehr drin – dazu hat der Verein sich selbst in den Jahren zuvor in eine schlechte Verhandlungsposition gebracht. Das ist auch daran zu erkennen, dass die bisherige Halterin der 64,7-Prozent-Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA, die Peil Investment B.V. von Lars Windhorst, aus deren Veräußerung dem Vernehmen nach nur etwa ein Drittel der insgesamt investierten 375 Millionen Euro erlöst. Selbst angesichts einer mit dem Abschluss verbundenen Beteiligung des deutschen Finanzmanagers an 777 Partners also ein herbes Verlustgeschäft. Obendrein haben sich die Amerikaner für das Zustandekommen der Abmachung sogar zehn Prozent zusätzliche Anteile an der Kapitalgesellschaft gesichert – außerdem erhalten sie die bislang Windhorst jeweils zustehenden zwei Plätze in Aufsichtsrat und Beirat der KGaA.
Bleibt dem Hertha BSC e. V. als alleinigem Gesellschafter die Besetzung der Geschäftsführung weiterhin vorbehalten, so sollen dem neuen Investor jedoch laut „Tagesspiegel“ größere Machtbefugnisse etwa bei der Besetzung der sportlichen Führung oder größeren Transfers zugesichert worden sein. Vor dem Hintergrund, dass 777 Partners bereits bei einigen Fußballclubs international engagiert ist und so über gewisses Know-how verfügt jedoch ein nicht grundsätzlich negativ zu sehender Aspekt.
Die anstehende Partie bei der TSG Hoffenheim am Sonnabend (15.30 Uhr) ist nun extrem wichtig für beide Teams. Zwar ist bei der anfangs erwähnten engen Situation in der Abstiegszone der Begriff „Sechs-Punkte-Spiel“ fehl am Platz – für den im Kampf um den Klassenerhalt wichtigen „Kopf“ aber von besonderer Bedeutung. Dabei ist die TSG zwar auch nicht zum ersten Mal seit Erreichen der Bundesliga 2008 in Abstiegsgefahr, aber doch noch nie so akut im Schlamassel gewesen. Den in solch einer Situation letzten Schritt – einen Trainerwechsel (von André Breitenreiter zu Pellegrino Matarazzo) – haben die Kraichgauer dabei bereits vollzogen. Ohne Auswirkungen allerdings auf die zuletzt hingelegte Negativserie: Von den acht Niederlagen in Folge fallen bereits mehr als die Hälfte in die Verantwortung des neuen Übungsleiters. Vergangenen Sonntag in Freiburg blieb den Hoffenheimern dabei in (vor)letzter Minute zumindest ein Punktgewinn verwehrt. In dieser Situation gilt es natürlich, gleich gegen welchen Kontrahenten, diese schwarze Bilanz zu beenden. Da kommt Hertha BSC nun mit der Motivationshilfe, die letzten sieben Partien auf des Gegners Platz durch die Bank verloren zu haben – auch bei der „Alten Dame“ herrscht in diesem Spiel also höchster Erfolgsdruck. Was bei derart extremen Voraussetzungen am Ende oft auf der Anzeigentafel steht, aber nur der Konkurrenz im Keller helfen würde, wäre also: ein Unentschieden.