Als kleinstes Flächenland muss man auf der Berliner Bühne viel strampeln, um Beachtung zu finden. Die Landesvertretung des Saarlandes ist Schaltstelle und selbst für den Bundeskanzler eine Adresse.
Freitagmorgen kurz vor 9 Uhr, Foyer des Bundesrates. Wie immer vor einer regulären Sitzung der Länderkammer, haben sich in der zugigen, zehn Meter hohen Halle des ehemaligen preußischen Herrenhauses aus Wilhelminischer Zeit am Haupteingang die Kamerateams der wichtigsten deutschen Fernsehsender aufgebaut und warten auf „O-Ton-Häppchen“ der anreisenden Ministerpräsidenten. Ein seit bald 25 Jahren eingespieltes Ritual in Berlin, bei dem auch mal weniger bekannte Ministerpräsidenten die Chance haben, einen medial bundesweit beachteten Auftritt zu bekommen. Schließlich ist mindestens ein Sender immer live drauf.
Einfluss über Bundesrat
Es ist der 11. März vergangenen Jahres und in zwei Wochen ist im Saarland Landtagswahl. Da will auch die SPD-Spitzenkandidatin und damalige Wirtschafts- und Verkehrsministerin Anke Rehlinger ihre Chance nutzen. Der damalige Leiter der Landesvertretung des Saarlandes, Thorsten Bischoff (SPD), fädelt das dann ein. Die Kamerateams warten an diesem Morgen bislang vergebens, kein prominenter Politiker hat sich blicken lassen, da stellt sich einfach Bischoff vor die aufgestellten Mikrofone und kündigt den Wartenden die Wirtschaftsministerin des Saarlandes mit einer wichtigen Botschaft an. Plötzlich Hektik bei den Journalisten, endlich Neuigkeiten. Keine Minute später steht Rehlinger im bundesweiten Rampenlicht dieses bis dahin nachrichtenarmen Morgens. Einige der Journalisten fragen anschließend sicherheitshalber noch mal nach dem Namen. Anke Rehlinger schafft es an diesem Freitag bis in die Hauptausgabe der Tagesschau – und das zwei Wochen vor der Wahl in ihrer saarländischen Heimat.
Seit ihrem furiosen Wahlsieg vor einem Jahr fragt sie heute im Bundesrat kein Reporter mehr nach ihrem Namen. Anke Rehlinger ist endgültig angekommen auf der bundespolitischen Bühne. Innerhalb des Kreises der Ministerpräsidenten ist sie mit vielen auf Du und Du, und das selbstverständlich parteiübergreifend.
Rehlinger pflegt auch in Berlin einen etwas anderen Politikstil. Ihr Auftreten im Bundesrat immer freundlich, aber zum Beispiel überschwängliche Begrüßungsrituale, wie sie gern von einigen ihrer Amtskollegen, vor allem aber ihrer Kolleginnen gepflegt werden, sind nicht so ihr Ding. Trotzdem genießt die saarländische Ministerpräsidentin hohen Respekt im Kollegenkreis, immerhin ist sie die einzige Ministerpräsidentin, die derzeit allein regiert und nicht auf Koalitionspartner Rücksicht im eigenen Land nehmen muss.
Das Saarland hat auf Grund seiner Einwohnerzahl in der Länderkammer drei Stimmen von insgesamt 69. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel verfügt über sechs Stimmen. Doch die Alleinregierung Rehlinger von der Saar ist flexibler bei der politischen Gestaltung, wie sie in der Sitzung Anfang März dieses Jahres bewiesen hat. In Eigenregie stellte das Saarland einen Antrag zur schnellen und einfachen Umsetzung der Kindergrundsicherung. Dass die kommen wird, scheint ausgemachte Sache, doch bislang ist auf Ebene der Bundesregierung unklar, in welcher Höhe und vor allem in welcher Form. Doch nicht nur innerhalb der Ampelregierung ist die Ausgestaltung der Kindergrundsicherung umstritten, sondern auch in den Ländern selbst. In den Koalitionsregierungen von beispielsweise Niedersachsen, Brandenburg oder Hessen wird noch über die genaue Ausgestaltung gestritten. Es geht natürlich wieder um die Finanzen, wer zahlt beim Kampf gegen die Kinderarmut was, wie sollen die Verwaltungswege bei der Antragsstellung sein. „Das sind alles strittige Punkte, doch wir als Saarland sagen, die Kinderarmut muss jetzt schnell bekämpft werden. Es kann nicht sein, dass wir bei den letzten Krisen, berechtigter Weise, sehr viel Geld in die Hand genommen haben und beim Kampf gegen die zunehmende Kinderarmut jetzt lange diskutieren“, so Rehlinger gegenüber FORUM. Ihre Amtskollegin aus dem benachbarten Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, ist froh, dass Rehlinger bei solch einem wichtigen Thema ohne Rücksicht auf eigene Koalitionspartner im Land Druck machen kann. „Natürlich pflegen wir immer eine ganz enge Beziehung mit dem Saarland. Doch klar ist, mit Anke als meiner politischen Parteifreundin ist der Draht beider Länder noch ein ganz erhebliches Stück kürzer geworden. Wenn was ist, dann rufen wir uns einfach gegenseitig an.“ Das Prinzip Rehlinger auch auf Bundesebene: Kurze Wege, direkte Gespräche und ohne Attitüde Sachpolitik für die Menschen machen.
Saarländische Initiative
Dabei erfreut sie sich auch des Rückhalts von Bundeskanzler Olaf Scholz. Es ist allein schon aufgrund der engen Termintaktung für einen Bundeskanzler nicht selbstverständlich, Feste der Landesvertretungen vor den parlamentarischen Sommerferien zu besuchen. Doch der Einladung des Saarlandes ist er gefolgt. Auch im Umgang mit dem Kanzler bleibt Rehlinger sich treu: selbstverständlich herzliche Nähe, aber nicht anbiedernd. Für sie scheint es pure Selbstverständlichkeit zu sein, dass an so einem Abend auch der Kanzler mal vorbeischaut.