Die US-Regierung nutzt ihre Marktmacht gnadenlos, Donald Trump holt zum Rundumschlag gegen Handelspartner aus. Doch die erratische Zollpolitik des Präsidenten lässt viele Unternehmen ratlos zurück. Vor allem jene an der Nord- und Südgrenze der Vereinigten Staaten.
Zölle gegen Kanada und Mexiko – auf alles oder nur auf Milchprodukte? Ausnahmen für Autoteile oder doch nicht? Sofort oder später? Die erratische Handelspolitik der US-Regierung sorgt für Verunsicherung. Nicht nur wegen ihrer Unberechenbarkeit, sondern auch wegen ihrer Rückwärtsgewandtheit.
Volumen von 700 Milliarden US-Dollar

Die ersten Zollmaßnahmen trafen Kanada und Mexiko, die nach der EU größten Handelspartner der USA. Täglich pendeln Waren, Zulieferteile und Dienstleistungen zwischen den Nachbarländern. Während im Handel mit Kanada häufig Autoteile im Fokus stehen, sind es bei Mexiko Nahrungsmittel und Fahrzeugkomponenten. Am 4. März verhängte die US-Regierung 25 Prozent Zölle auf mexikanische Waren. Laut German Trade & Invest könnte dies die mexikanische Wirtschaft um vier Prozent schrumpfen lassen. Dabei existiert seit 1994 das Freihandelsabkommen Nafta, das den Warenverkehr zwischen den Ländern auf etwa 700 Milliarden US-Dollar anwachsen ließ – weltweit ein Rekordwert. Trump ließ das Abkommen in seiner ersten Amtszeit bereits neu verhandeln, zum größeren Vorteil der USA. Doch die nun eingeführten Zölle drohen die fein abgestimmten Lieferketten, insbesondere in der Automobilindustrie, nachhaltig zu zerstören.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten weitreichend sein. Eine mexikanische Rezession würde nicht nur Arbeitsplätze kosten, sondern könnte auch die Migration in die USA verstärken – genau das, was Trump vorgeblich verhindern will. Die ständigen Kehrtwenden der Regierung verstärken die Unsicherheit für Unternehmen. Zwar wurden die für den 4. März angekündigten Zölle auf kanadische Waren kurzfristig ausgesetzt und auf April verschoben, doch das Chaos bleibt. Planungssicherheit? Fehlanzeige. Gewinner sind jene Unternehmen, die rasch reagieren können.
Die Reaktion Kanadas: Seit dem 6. März gelten Gegenzölle auf Fleisch, US-Elektrofahrzeuge, Lkw und Elektronik. Supermärkte verbannen US-Whiskey aus den Regalen.
„Die Situation ist sehr volatil“, erklärt Yvonne Denz, Präsidentin der Deutsch-Kanadischen Industrie- und Handelskammer in Toronto. Nach ersten US-Drohungen reagierte Kanada mit Gegenzöllen, dann folgte die Aufhebung, danach die Einführung, eine erneute Unterbrechung und neue Maßnahmen zu Stromlieferungen. Weitere Zölle auf Aluminium und Stahl stehen im Raum. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen: Laut Royal Bank of Canada droht eine Rezession mit einem BIP-Rückgang von 2,6 Prozent. Besonders betroffen: das verarbeitende Gewerbe und die Automobilindustrie.
Unternehmen überdenken Lieferketten
Für deutsche Unternehmen in Kanada bedeutet die Zollpolitik massive Umstellungen. „Wer in Kanada produziert und in die USA exportiert, steht vor anderen Herausforderungen als Unternehmen, die aus den USA Waren beziehen“, sagt Denz. Viele Firmen überdenken ihre Lieferketten. „Das kostet Geld, schafft Unsicherheit, bindet Ressourcen.“ Manche erweitern Produktionskapazitäten in den USA, andere setzen verstärkt auf kanadische Logistik. Wieder andere könnten US-Produkte künftig durch Importe aus Deutschland oder Europa ersetzen. Eines ist klar: Solange die Lage unsicher bleibt, liegen Investitionen auf Eis.
Kanada hat zudem strategische Druckmittel. Als größter Öllieferant der USA könnte es den Energiesektor als Verhandlungsmasse nutzen. Auch die Abhängigkeit der US-Landwirtschaft von kanadischem Kaliumkarbonat – einem essenziellen Düngemittel – bietet Potenzial für wirtschaftlichen Gegendruck.

Doch Trumps Zollgetöse trifft nicht nur Nordamerika. Auch China wurde bereits in seiner ersten Amtszeit zum Ziel eines Handelskriegs. So verhängte der US-Präsident massive Zölle auf chinesische Waren, die von Elektronik bis hin zu Stahlprodukten reichten. Ziel war es, das Handelsdefizit der USA zu verringern und China wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: China konterte mit eigenen Zöllen auf US-Exporte, insbesondere auf Agrarprodukte. Dies traf vor allem US-Farmer hart, die auf den chinesischen Markt angewiesen waren. Sie mussten mithilfe von Milliarden US-Dollar gestützt werden.
Die Auswirkungen gingen über bilaterale Konflikte hinaus. Globale Lieferketten gerieten ins Wanken, Produktionskosten stiegen und multinationale Unternehmen sahen sich gezwungen, ihre Standorte und Strategien neu zu überdenken. Besonders die Hightech-Industrie litt unter den Spannungen. Das Ziel der Zölle: Chinas technologische Vormachtstellung bremsen.
Nun hat Trump erneut Waren aus China mit einem generellen Zoll belegt. Doch die Reaktion Chinas bleibt nicht aus: Das Land setzt verstärkt auf eigene Hightech-Entwicklung, fördert gezielt nationale Unternehmen und weitet seine Handelsbeziehungen mit anderen Partnern aus – insbesondere mit der EU und Ländern im asiatisch-pazifischen Raum.
Für US-Unternehmen und -Verbraucher bedeuten Trumps Entscheidungen höhere Preise und erneut wirtschaftliche Unsicherheit. Viele amerikanische Firmen, die auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind, müssen entweder teurere Alternativen suchen oder Produktionsprozesse kostspielig umstellen. Gleichzeitig setzt China gezielt auf Gegenmaßnahmen, indem es Zölle auf US-Agrarprodukte und Technologieimporte erhebt. Dies könnte besonders die US-Landwirtschaft hart treffen, ähnlich wie in der ersten Runde des Handelskriegs.
Zusätzlich gewinnen geopolitische Faktoren an Bedeutung. Während Trump seine aggressive Handelspolitik weiterführt, versucht China, seine wirtschaftlichen Beziehungen zu diversifizieren und unabhängiger von den USA zu werden. Dies könnte langfristig dazu führen, dass amerikanische Unternehmen Marktanteile in China verlieren, während europäische und asiatische Wettbewerber von der Lücke profitieren. Diese zweite Phase des Handelskriegs könnte sich also noch destruktiver für die US-Wirtschaft auswirken als die erste. Zudem könnte China als größter Gläubiger der USA erneut US-Schulden verkaufen, wie bereits im vergangenen Jahr geschehen. Dies würde die Zinsen in die Höhe treiben und den US-Staatshaushalt weiter belasten, der ohnehin bereits Rekordsummen für Rekordzinsen auf zehnjährige Staatsanleihen bereitstellen muss.
Europäische Staaten blieben ebenfalls nicht verschont: Die EU wurde Ziel von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium. Brüssel reagierte mit eigenen Maßnahmen und erhob unter anderem Zölle auf Harley-Davidson-Motorräder und Bourbon-Whiskey. Laut Yvonne Denz setzt Kanada indessen verstärkt auf alternative Exportmärkte in Asien und Europa. Das könnte deutsche Unternehmen begünstigen: Maschinenbau, Kfz-Teile, Elektronik und Chemieprodukte könnten US-Waren ersetzen. Trumps Politik könnte somit das Gegenteil dessen bewirken, was er beabsichtigt.
Möglichkeiten für deutsche Unternehmen

Unsicherheit als Taktik kennt man aus der Unternehmensführung – dort dient sie der Kontrolle von Mitarbeitern, dort bereits gilt sie als toxische Methode. Doch in der Wirtschaftspolitik führt sie zu Chaos. Schon jetzt bremsen die Zölle die bislang erfolgreiche postpandemische Erholung der US-Wirtschaft. Trumps Ziel: Unternehmen mithilfe der Zollkeule in die USA zwingen und die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz schützen. Er folgt hier dem Vorbild des 17. und 18. Jahrhunderts, als der Merkantilismus mit seinen massiven nationalen Zollschranken die Weltwirtschaft prägte. Sein Idol, US-Präsident William McKinley, versuchte Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls, die USA mit hohen Zöllen wettbewerbsfähiger zu machen. Er hob Einfuhrzölle auf ausländische Produkte drastisch an, um die heimische Industrie zu schützen. Kurzfristig stärkte dies einige US-Branchen, doch die höheren Preise schadeten Verbrauchern und lösten Vergeltungsmaßnahmen aus: Andere Länder reagierten mit Gegenzöllen, wodurch US-Exporte stark einbrachen. Dies schadete insbesondere der US-Landwirtschaft, die auf Auslandsmärkte angewiesen war. McKinley flexibilisierte seine Politik später und gab zu, dass Handelsabkommen die bessere Strategie sind. Denn Zölle verteuern etwa importierte Materialien, was die Produktionskosten erhöht und die Inflation ankurbelt. Binnen kürzester Zeit stiegen die Preise in den USA schon um 0,41 Prozent. Hersteller wälzen die Kosten auf Verbraucher ab, Endprodukte werden teurer, die Kaufkraft sinkt. US-Produkte verlieren durch hohe Kosten an Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur im Inland, sondern auch auf den internationalen Märkten.
„Eine weitere Woche, eine weitere Dosis selbstverschuldeter ‚Zollschmerzen‘ durch die Trump-Regierung“, kommentiert Bernd Lange (S&D), Vorsitzender des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments. Als Reaktion auf die EU-Gegenzölle drohte Trump bereits mit einem 200-Prozent-Zoll auf Weine. Laut Lange entbehren jene Zölle jeglicher wirtschaftlicher Notwendigkeit, anders als Zölle der EU auf Stahlprodukte, die die Umstellung heimischer Industriebetriebe auf grünen Stahl schützen sollen. Trumps Zölle erscheinen dagegen als etwas völlig anderes: Sie dienen alleine der Erpressung.