Das erste persönliche Aufeinandertreffen zwischen Kamala Harris und Donald Trump war in den USA mit Spannung erwartet worden. Am Ende verbuchte die Demokratin den Abend für sich – auch wegen ihrer Kenntnisse als Staatsanwältin.
Es war eine bemerkenswerte Debatte zwischen der amtierenden Vizepräsidentin und dem mehrfach verurteilten Ex-Präsidenten: Kamala Harris und Donald Trump haben sich den lang erwarteten Schlagabtausch geliefert. Bemerkenswert deshalb, weil Trump im Vergleich zur Debatte gegen Präsident Joe Biden gegen eine bestens vorbereitete Gegenkandidatin deutlich schlechter abgeschnitten hat. Harris‘ Ex-Job als Staatsanwältin tat ihr große Gefallen: Immer wieder piesackte sie Trumps narzisstisches Ego, sei es mit der Größe der Wahlkampfveranstaltungen oder damit, dass „Putin ihn zum Mittagessen verspeisen würde“. Und der so provozierte Ex-Präsident sprang natürlich darauf an, er habe die größten Veranstaltungen, niemand würde dabei einschlafen und er würde den Ukraine-Krieg natürlich in 24 Stunden klären.
Harris, zu Anfang etwas nervös, fing sich aber schnell und schwenkte ein in die Rolle, die sie in diesem Wahlkampf einnimmt: die der Visionärin mit Ideen, politischen Plänen vor allem für Familien und die Mittelklasse, für mehr Wohnungsbau, kleine und mittlere Unternehmen.
Tote Hunde und Strafzölle
Harris’ Plan ist klar: die Linie Bidens weiterführen, die Ukraine weiter unterstützen und ihre Souveränität erhalten. Diese Linie ist nur eine von vielen, die sie jedoch in den kommenden Wochen definieren muss – und zwar abseits der Politik der Biden-Administration, deren Teil sie ja noch immer ist. Das wird ein schwieriger Balanceakt. Denn die Administration ist wirtschaftlich erfolgreich, jedoch unbeliebt beim Wähler. Das hing nicht zuletzt an der Person Bidens, der als zu alt für die erneute Kandidatur angesehen wurde. Dieses Argument aber ist nun hinfällig. Als wichtige Themen bleiben Sicherheit, Migration und wie immer im US-amerikanischen Wahlkampf, die wirtschaftliche Stabilität. Dafür wird Harris eigene Antworten finden müssen, einige hat sie in Form ihres Mittelstandsprogrammes für Hauskäufer, Familien und klein- und mittelständische Unternehmen schon festgelegt.
Trump dagegen bleibt bei der bewährten Strategie seiner vorherigen Amtsperiode und dem altbekannten „Trickle-down“-Effekt: Wenn man nur genügend die Steuern für Unternehmen senkt, kommt am Ende schon etwas bei den Angestellten an. Mit diesem uramerikanischen Grundsatz von Steuerpolitik brach die Biden-Regierung und war mit ihrer eher interventionistischen Politik in einer krisengeschüttelten Zeit tatsächlich sehr erfolgreich. Hinzukommen sollen laut Trump aber nun neue und härtere Zölle auf ausländische Waren. Da Zölle diese aber verteuern und Unternehmen Teuerungen üblicherweise an die Kunden weiterreichen, würde dies jene Waren für Verbraucher teurer machen – Ökonomen sind sich nicht einig, wie hoch diese Preissprünge ausfallen, es werden unterschiedliche, jedoch vierstellige Summen pro Jahr genannt. Die amerikanische Non-Profit-Stiftung Tax Foundation hat errechnet, dass die Zölle, die Trump bereits in seiner vorherigen Amtszeit einführte, einer Steuererhöhung von 80 Milliarden Dollar für die Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2018 und 2019 glichen. Beendet hat aber auch die nachfolgende Biden-Administration diese Zölle nicht, sie laufen weiter, wurden jedoch durch ein Quotensystem ersetzt: ab einer bestimmten Menge eingeführter Materialien fielen seither Zölle an.
Trump sprach in der Debatte vor allem über sich, lobte seine Präsidentschaft, verbreitete alte und neue Lügen und Verschwörungstheorien. Seine eklatantesten Lügen: Demokraten würden Abtreibungen nach der Geburt befürworten. Der Ex-Gouverneur des Staates West-Virginia habe gesagt, „das Baby wird geboren und dann entscheiden wir, was wir mit ihm machen“. Dabei ging es um den Demokraten Ralph Northam, ein Arzt, bei besagten Babys um den seltenen Fall eines nicht lebensfähigen Fötus. Auch das Zitat ist falsch. Northam konstruierte in einem Interview 2019 einen hypothetischen Fall, in dem Ärzte das Kind zur Welt bringen, es, falls von den Eltern gewünscht, wiederbeleben und dann ein Gespräch mit den Eltern führen würden. Moderatorin Linsey Davis warf daraufhin richtigerweise ein: „Es gibt keinen Staat in den USA, in dem es legal ist, Babys nach der Geburt zu töten.“
Dann die derzeitige Lieblingslüge des republikanischen Lagers, die auch Trump mit großer Vehemenz ins Mikrofon rief: dass haitianische Einwanderer in Ohio Haustiere entführen, braten und verspeisen würden. Offenbar hatte dies ein Einwohner von Springfield in einem Facebook-Post behauptet – doch weder die Stadt noch die örtliche Polizei konnten dies auf Nachfrage lokaler Medien bestätigen. Trotzdem fand diese Behauptung millionenfache Verbreitung, unter anderem durch X-Inhaber und Trump-Unterstützer Elon Musk.
Steuergeschenke für Familien
In Sachen Außenpolitik und dem Krieg in der Ukraine erhielt Trump mehrere Chancen, sich zur Unterstützung der Ukraine zu bekennen und zu einer Niederlage Russlands. Er nutzte sie nicht, stattdessen betonte er ein ums andere Mal, den Krieg mit einer Verhandlung zu beenden. „Das ist ein Krieg, der unbedingt beigelegt werden muss“, sagte er, ein Krieg, den „die USA hinter sich bringen muss“. Wie üblich bleibt es damit Interpretationssache, wie eine mögliche zweite Trump-Regierung mit der Ukraine umgehen würde. Die Äußerung deutet jedoch darauf hin, dass sie der Kreml-Linie nachgeben könnte, die den aktuellen Status quo, die besetzten Gebiete weltweit als neues russisches Territorium faktisch anerkannt sehen will. Mike Pompeo, Ex-Außenminister der ersten Trump-Regierung, hatte im Juli einen „Trump-Friedensplan“ veröffentlicht: darin geht es um die Schaffung eines 500 Milliarden Dollar schweren Leih- und Pachtprogramms für die Ukraine zum Waffenkauf, „Aufrüstung der amerikanischen Rüstungsindustrie“ und „rasche Aufnahme der Ukraine (in die Europäische Union, Anm. d. Red.) sowie Hilfe bei der Modernisierung und Entwicklung ihrer Wirtschaft“. Ein Geschenk für die US-amerikanische Rüstungsindustrie, einerseits. Andererseits aber ist unklar, ob Trump überhaupt etwas mit dem Plan zu tun hat. Geäußert hat er sich dazu nicht.
Selbst konservative Medien wie Fox News waren sich einig, dass die Debatte ein Punktsieg für Kamala Harris war: Sie sei besser vorbereitet gewesen, ihre Antworten waren kohärent und plausibel, während Trump oftmals wie ein verbitterter alter Mann wirkte, unzusammenhängende Phrasen polterte und während seiner Antworten oft abschweifte, meist zu seinem Lieblingsthema Migration.
Was bedeutet dies nun für den Wahlkampf? Der Enthusiasmus, der Kamala Harris in den Umfragen mehr und mehr in Führung brachte, verebbt langsam. Dennoch sahen sie Blitzumfragen nach der Debatte deutlich vorne, auch dies könnte in den kommenden Wochen weiterhelfen. Noch aber ist es ein Kampf bergauf, der vor allem in den Swing States gewonnen werden muss. In den meisten liegt Harris knapp in Führung, doch deutlich innerhalb der Fehlertoleranz von zwei bis drei Prozentpunkten. Nach wie vor ist das Rennen also alles andere als entschieden.