Gerade ist „Love Lies Bleeding“ auf physischen Medien wie auch bei Streamingdiensten erschienen. Kristen Stewart und Katy O’Brian machen die Mär aus Sex und Gewalt sehenswert – der Film hat aber noch mehr zu bieten.
Es ist Liebe auf den ersten Blick: Als die Bodybuilderin Jackie das Fitnessstudio von Lou betritt, kann die zurückhaltende Inhaberin kaum mehr den Blick von ihr abwenden. Zu definiert die Muskelberge, zu mächtig das Selbstbewusstsein, dass sie ausstrahlt. Kurz vergisst Lou das Schrubben der Toiletten in ihrem versifften Studio in einer dreckigen Kleinstadt irgendwo in New Mexico. Es folgt eine heiße Nacht in Lous Wohnung – und eine neon-düstere Kriminalgeschichte voller Sex und Gewalt.
Die Gewalt kommt schlagartig
Die Londonerin Rose Glass inszenierte mit „Love Lies Bleeding“ nach ihrem hochgelobten Psychohorror „Saint Maud“ ihren zweiten Langfilm. Der Mix aus Psychothriller, Romanze und knallhartem Krimi ist im Jahr 1989 angesiedelt und wurde produziert von A24. Das Einspielergebnis des 104 Minuten langen Streifens kann sich nicht mit den großen Erfolgen des Independent-Studios wie „Everything Everywhere All at Once“, „Civil War“ oder „Hereditary“ messen, das tut dem Unterhaltungswert aber keinen Abbruch. Das Tempo ist flott, die Gewalt kommt schlagartig und tut weh, der Soundtrack ist voll mit wabernden Synthesizer-Klängen, die Kameraarbeit ist ziemlich großartig und die Frisuren grotesk-anmutig – typisch Achtziger eben.
Und dann ist da noch der Cast: Kristen Stewart glänzt einmal mehr in einer komplexen Rolle, diesmal mit der genau richtigen Mischung aus abgeranzter Perspektivlosigkeit und dem Wunsch, daraus auszubrechen. Diesmal stürzt sich die 34-Jährige als sich Hals über Kopf Verliebende mit unterschwelligem und immer weiter anschwellendem Aggressionspotenzial in ihre Rolle als Lou und überzeugt mit wirrem Vokuhila-Schopf und schlabbernden Jeans. Die Martial-Arts-Expertin Katy O’Brian – bekannt aus „The Mandalorian“ – verkörpert die ebenso enigmatische wie zielstrebige Jackie mit Muskelbergen und Verve. Ed Harris ist mit finsterem Blick, Halbglatze und schmierigem Pferdeschwanz ein schlechter Filmvater, aber toller Bösewicht, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte – was Lou aber dennoch tut.
Denn wie es der Film-Zufall so möchte, heuert die Rumtreiberin Jackie auf ihrem Weg zu einem Bodybuilding-Contest bei Lous Vater Lou Senior an. Der betreibt nicht nur einen Schießstand für Waffennarren und Touristen, sondern schmuggelt im Nebenerwerb noch schwere Waffen über die mexikanisch-amerikanische Grenze. Jackies kurze Zündschnur entzündet sich, als sie mitbekommt, wie sehr Lou darunter leidet, dass ihre Schwester Beth (unterwürfig bis ins Mark: Jena Malone) Opfer häuslicher Gewalt durch deren Gatten J. J. (Dave Franco als Verkörperung stumpfen Machismos) ist. Als das FBI sich noch einschaltet und die von Lou verstoßene Daisy (herrlich obsessiv: Anna Baryshnikov) sich erpresserisch die Liebe zurückkaufen möchte, nehmen die Dinge an Fahrt auf.
Ein überaus überraschendes Ende
„Love lies bleeding“ bedeutet in etwa so viel wie „Liebe ist hoffnungslos“. Regisseurin Rose Glass lässt daher all ihre filmischen Muskeln spielen, um die Grenzen zwischen Liebe und Abhängigkeit, Leidenschaft und Obsession, Aktion und Reaktion, Festgefahrenheit und Aufbruch zu erkunden. Ihrem Cast gab sie mit auf den Weg, grenzüberschreitende Werke wie „Showgirls“ von Paul Verhoeven oder „Crash“ von David Cronenberg zu studieren. In einem Interview mit dem Filmportal „Little White Lies“ erklärte sie: „Die beiden Filme werden beide geradlinig und ernsthaft gespielt, aber alles ist von dieser wissenden Verrücktheit durchdrungen. Allen Charakteren gemeinsam ist das Gefühl, dass sie ständig aufgeregt oder erregt sind – als wären ihre Energien ganz nah an ihrer Oberfläche.“
In spannenden Bildern und mit glaubhaften Charakteren erzählt Rose Glass ihre dreckige Südstaatengeschichte, in der halb gute Menschen sauschlechte Entscheidungen treffen. Immer wieder lässt sie dunklen Humor und surrealistische Sequenzen einfließen, bis es zu einem Ende kommt, das so wohl die Wenigsten vermuten würden. Einige Kritiker verglichen „Love Lies Bleeding“ mit der filmischen Erzählweise der Coen-Brüder oder mit David Lynch – es gibt definitiv Aussagen, die weniger Appetit machen.