Viele freuen sich auf ein Wiedersehen im Stade Roland Garros, der Sandplatz-Kultstätte des Spitzentennis, ab dem 20. Mai. Für den spanischen Sandplatzkönig Nadal ist es das letzte Mal. Emotionen lassen grüßen.
Rafael Nadal Junior strahlte und winkte dem Papa: Die 37-jährige Legende aus Mallorca verabschiedete sich in der „Caja Magica“ von seinem Publikum und begrüßte erstmals seinen Nachwuchs im Madrider Publikum. Nadal Senior fegte eingangs den 16-jährigen Darwin Blanch mit 6:1 und 6:0 vom Platz. Tennisfans, wie Fußball-Star Raúl, ließen „Rafa“ hochleben. Den Mann, der vierzehn Mal das wichtigste Sandplatzturnier der Welt, die French Open, gewann.
Kann Nadal noch einmal auftrumpfen?
Der Mallorquiner fühlt sich wieder wohl auf den Courts. Doch kaum aufgewacht, gibt ihm sein Körper klare Anweisungen, was geht. Und was nicht: „Wenn Roland Garros morgen wäre, würde ich nicht spielen“, sagte Nadal beim Masters-Turnier in Madrid und hielt doch bis zum Achtelfinale durch. In alter Manier arbeitete er sich über Barcelona, Madrid und Rom vor. Um ein letztes Mal auf seinem ruhmvollen Sandspielplatz in der französischen Hauptstadt einzuziehen: Fiesta para Nadal? Ein einziges Mal, 2023, stand Sandplatzkönig „Rafa“ während seiner Karriere in Paris nicht auf dem Platz, positionierte nicht seine Flaschen. Eine Routine, die ihm Glück brachte.
Heuer soll sein Abschiedsjahr sein. Last Call. Noch einmal seinen Bewunderern unterm Eiffelturm zunicken, zum 19. Mal. Dort, wo der Mann mit den 22 Grand-Slam-Titeln mit einer Statue verewigt wurde. Vielleicht klappt es, vielleicht auch nicht. Rafa wirkt abgeklärt. Zu seinen Nachfolgern zählt Jannik Sinner. Der Superstar des Jahres aus Südtirol hat seit seinem Australian-Open-Sieg die Tennisszene der Herren aktiv im Griff. Hinter Novak Djokovic, der auf Platz eins seinen Ruhesitz genommen zu haben scheint.
Sinner ist besonnen. Stichwort: Hüftprobleme. Nach Rom reiste der 22-Jährige, der in Italien einen neuen Tennis-Boom entfesselt hat, trotzdem. Wenn auch nur fürs MRT. „Solange es nicht zu 100 Prozent geheilt ist, werde ich pausieren. Denn ich werde nicht drei Jahre meiner Karriere wegwerfen.“ Er habe keine Eile, „auch wenn es weh tut.“ Sinners Pech könnte Novaks Freilos zu einem weiteren Titel auf der roten Asche der French Open sein. Das bedeutet, vorerst Vorteil für Djokovic, den Sinner im Halbfinale von Melbourne besiegt hatte: Der knapp 37-jährige Vorjahressieger bereitete sich ausgeruht beim Masters in Rom vor, während Sinner das heimische Publikum enttäuschen musste. Sinner ist kampfbereit: „Die Vorbereitung auf Paris wird nicht optimal sein, weil es knapp wird. Ich und mein Team werden alles dafür geben, um bestmöglich dort anzutreten“.
Struff stürzte in der Rangliste ab
Die French Open. So wichtig, auch für Jan-Lennard Struff, dem sein Finaleinzug 2023 in Madrid heuer zum Verhängnis werden könnte. „Ins Finale zu gehen als Lucky Looser vergangenes Jahr, das war unglaublich“, sagte er kürzlich. Patzt der 34-Jährige nun in Paris, ist es vorbei für ihn mit dem Traum von den Olympischen Spielen am selben Ort. Schuld an der Ungewissheit ist ein winziger Punkt im Tiebreak eines dritten Satzes gegen Carlos Alcaraz. Im Achtelfinale von Madrid hatte „Struffi“ heuer nicht die besseren Nerven. So kam es, dass der zweifache Familienvater von Platz 17 auf Position 41 der Weltrangliste abstürzte. - Ziehen Dominik Koepfer, Yannick Hanfmann oder Daniel Altmaier an ihm vorbei?
Diese winzigen Nuancen. Ärgerlich für ihn, denn der Warsteiner ist in der Form seines Lebens. Stechendheiße Sonnentage, gefolgt von Hagel, Sturm, Schneefall, Regenmassen und Eiseskälte bei den BMW Open in München steckte Struff weg. Der sympathische Riese gewann Viertel- und Halbfinale an einem Tag. Bei schaurigem Wetter fertigte er den Zweifach-Sieger der Vorjahre, Holger Rune, Ex-Nummer vier der Welt, in 45 Minuten mit 6:2 und 6:0 ab. Eine Runde zuvor hatte Rune noch gescherzt: „Es war sehr kalt, ich habe meine Finger kaum gespürt. Aber wir Skandinavier sind solches Wetter ja gewöhnt.“ Struffi wärmte sich im Doppel-Halbfinale, mit dem zweifachen French-Open-Doppelsieger Andy Mies, für das Finale gegen Taylor Fritz auf.
Fünf Grad Kälte, heftiger Regen: Struff, als geübter Doppelspieler, geht auch im Einzel öfter vor ans Netz. Struffi, das Mentalitätsmonster. FC-Bayern-Star Thomas Müller sitzt unter einer dicken Pudelmütze in der ersten Reihe, bewundernd. Bis zu Jan-Lennards Sieg. Auch der staunt: „So lange bin ich auf der Tour. Das vierzehnte Mal bin ich hier, und jetzt habe ich den Titel. Ich habe super Spieler geschlagen diese Woche, es ist unglaublich.“
Freundin Madeleine spritzen die Tränen aus den Augen, während weiterhin dicke Schneeregentropfen vom Himmel fallen. „Es bedeutet mir so viel, meinen ersten Titel in Deutschland geholt zu haben“, sagt Struffi. Und mit Blick aufs Wetter: „Danke, dass Ihr trotzdem auf die Anlage gekommen seid“, fügte er hinzu.
Thiem macht am Saisonende Schluss
„In München hat man alles: Schnee, Regen, Eis, Sonne, Wind… Ich liebe es hier“, sagte Alexander Zverev nach seinem gewonnenen Auftaktmatch. Die Nummer fünf der Welt trainierte fleißig. Schließlich sind die Höhenlage sowie das Springen der Bälle am Aumeister ähnlich wie unterm Eiffelturm. Und ihre Schwerkraft, wenn sie sich mit Wasser vollsaugen. Auch in Paris im Mai kann das Wetter Kapriolen aufführen. „Das ist der Zverev“, drängelte sich ein Junge am Rand des Trainingsplatzes nach vorne. „So erfolgreich will ich auch einmal werden.“ Zum zehnten Mal trat der Hamburger in München an. Und verteilte fleißig Autogramme. Wie sein Kumpel Dominic Thiem, der sich direkt nach seinem verlorenen Erstrunden-Match umdrehte und die Bälle der kleinen Fans mit seinem Namen verzierte.
„Ich habe damit abgeschlossen, mich mit meiner früheren Version zu vergleichen“, sagte Thiem schon zuvor. Seine frühere Version: Das war der French-Open-Finalist von 2018 und 2019, der dem Sandplatzkönig Nadal das Siegen schwer machte. Das war der Hartplatz-Champion von 2020, der als erster Österreicher die US Open gewann. Sein erster und wohl auch einziger Grand-Slam-Sieg. Das war der Mann, dem potenziell alles gelang.
Jetzt hat der Dreißigjährige anklingen lassen, dass es genug ist. Er hat lange überlegt, ob es sich für ihn hundertprozentig richtig anfühlt. Was die Rangliste sagt. Wonach ihm schlussendlich ist, wenn das Jahr zu Ende geht und Australien zum nächsten Saisonstart anstünde. Seine Pläne reichen bis zu den French Open: Quali oder Wildcard, egal. Er will, wenn irgend möglich, zum Sandplatz-Grand-Slam. Dorthin, wo er einst ohne „Aus“-Rufe seines Handgelenks brillierte.
Doch zurück zum München-Sieger und Madrid-Pechvogel: Vor zwei Jahren war Struffis Sandplatz-Saison futsch, als er sich in Miami den großen Zeh gebrochen hatte. Seine gute Position im ATP-Ranking auch. Vergangenes Jahr, als wieder alles gut lief, grätschte die Hüfte nach seinem Madrider Höhenflug dazwischen und verwehrte ihm mit einer Verletzung die Grand Slams, Wimbledon und US Open. Derzeit bleibt der Warsteiner optimistisch: „Natürlich ist es schade, dass ich ein paar Plätze verliere, aber ich bin insgesamt sehr positiv gestimmt“, kommentierte er seinen diesjährigen Drei-Stunden-Krimi in Madrid gegen den Weltranglistendritten auf Sky. Fast wäre ihm die Sensation geglückt und er hätte Alcaraz im Achtelfinale aus dessen Heimatturnier geworfen. Ein Ödem im Unterarm des 20-jährigen Carlos erleichterte dem späteren Turniersieger Andrey Rublev im Viertelfinale den Match-Gewinn. Obwohl Rublev seit Tagen schon von Schmerzen im Hals geplagt wurde, sich „ungewöhnlich lange“, wie er sagte, krank fühlte und auf Schmerztabletten und Spritzen zurückgreifen musste. Sollte Rublev in Paris wieder gesund sein, könnte er wie Alcaraz als Favorit auf den Titel bei den French Open gelten. „Ich muss mich ausruhen, damit ich mich erholen und 100 Prozent schmerzfrei spielen kann“, erläuterte der erfolgreiche, junge Spanier indes auf der Plattform X seine Rom-Absage.
Comme ci, comme Ça: Stefanos Tsitsipas, der ein Jahr lang mit der Tennisspielerin Paula Badosa liiert war und von der besonderen Beziehung schwärmte, reist wieder solo nach Paris. Sein Titel von Monte Carlo könnte den Finalisten von Barcelona dennoch motivieren, im Pariser Frühling um den Titel von Roland Garros zu kämpfen. Gegen Tsitsipas‘ Sieg dürfte Casper Ruud etwas haben: Der Norweger stand in den beiden vergangenen Jahren im Finale und strebt in diesem Jahr auf den Thron.
Wie Iga Swiatek bei den Damen. Mit dem Unterschied, dass die Polin 2022 und 2023 bereits ihren zweiten und dritten Titel an der Seine holte. Aryna Sabalenka, Coco Gauff sowie Maria Sakkari haben ebenfalls gute Karten. Mit Außenseiter-Chancen gehen die deutschen Damen Laura Siegemund, Tatjana Maria und Tamara Korpatsch an den Start. Vielleicht auch Angelique Kerber und Jule Niemeier. Bessere Aussichten, es in die zweite Turnierwoche zu schaffen, haben die deutschen Herren. Falls Zverev konstanter spielt als bislang in dieser Saison. Und Jan-Lennard Struff von Blessuren frei bleibt und seine Siegmentalität von München auch in Paris vor sich herträgt. Wenn alles passt.
Deutsche Damen mit Außenseiter-Chancen
Auch an Tagen wie diesen. Wenn den heißen Sonnentagen kühle Regenfluten folgen, bleibt Fans und Spielern nichts anderes als zu warten und zu hoffen. Dass es los- oder weitergeht. Dass der kalte Regen nicht erst mit der Dämmerung stoppt. Dass die Plätze schnell trocknen und rasch wieder bespielbar werden. Fürs Training. Für die Matches. Warmmachen, trocken werden, fit und im Flow bleiben. Nicht so einfach. Aber im Doppel weniger einsam.
Fällt einer aus, fällt das Turnier allerdings für beide flach. So geschehen bei den BMW Open in München, beim Team KraPü: Tim Pütz hatte Probleme mit dem Oberschenkel. Kevin Krawietz, zweifacher French-Open-Sieger im Doppel mit Andreas Mies, in heimatlich-zugewandter Umgebung das Nachsehen. Oder auch nicht, angesichts des Wetters und der Veränderungen bei den Doppel-Wettbewerben. Kürzer, schneller, „brachialer“: So beschreibt Tim Pütz den Wandel in der Disziplin Doppel. In der die Deutschen „KraPü“ bei den French Open zu den Favoriten gehören. Das heißt, schnell einschalten, auf Eurosport. Denn rasant folgt das letzte „Bumm“ in Doppelpartien. Und bei Grand Slams werden sie sogar übertragen. Wir sehen uns später, bei den French Open in Paris. Hasta luego, Nadal.