Beim 2:2 gegen Neuling Ulm offenbart Hertha BSC bekannte Schwächen. Nun setzt man perspektivisch auf die Rückkehrer aus dem Lazarett.
Die „Alte Dame“ gibt sich weiter selbst Rätsel auf: Im wichtigen Heimspiel gegen den Aufsteiger und Tabellenvorletzten SSV Ulm 1846 war ein Sieg quasi ein Muss – um den Anschluss nach vorne zu halten oder im besseren Fall zu verkürzen, seine schlechte Bilanz im Olympiastadion aufzubessern und die für die Ansprüche zwingend notwendige Heimmacht zu werden. Doch letztlich reichte es nur zu einem 2:2, obwohl Hertha BSC zweimal – zum psychologisch günstigen Zeitpunkt, wie es im Fußballjargon gern heißt – jeweils zu Beginn jeder Halbzeit in Führung gegangen war. So zog Ibrahim Maza nach sechs Minuten aus gut und gern 25 Metern wuchtig ab und erwischte SSV-Keeper Thiede mit der unruhigen Flugbahn seines Schusses kalt. „Was mich umtreibt: Wir schaffen es dann nicht, auf dem Gas zu bleiben, geben das Spiel aus der Hand und werden passiv“, musste Trainer Cristian Fiél nach Abpfiff mit Unverständnis monieren. Trotz 70 Prozent Ballbesitz in der Anfangsphase sprangen keine weiteren Torchancen heraus – so ging das Spiel der Mannschaft immer weiter in den Verwaltungsmodus über. „Man hat leider nicht das Gefühl, dass uns eine frühe Führung beflügelt“, beschrieb Torwart Tjark Ernst das wiederkehrende Phänomen, „für die Ambitionen, die wir haben, ist das zu wenig.“ Dazu kam nach einer halben Stunde bereits das verletzungsbedingte Ausscheiden von Marten Winkler, der bei seinem ersten Startelfeinsatz nach zwei Monaten durch Palko Dardai ersetzt wurde. Dann gelang den Gästen vor der Pause auch noch der Ausgleich, als Telalovic nach einer von der Hertha-Defensive nicht konsequent bereinigten Situation aus kurzer Distanz zum 1:1 traf. So mussten die Hauptstädter vor knapp 42.000 Zuschauern im zweiten Durchgang einen neuen Anlauf auf die drei angestrebten Punkte starten, und auch hier sollte es nicht lange dauern bis zum erneuten Torerfolg. Wieder beteiligt: Ibrahim Maza, dessen Schuss zwar diesmal noch von Thiede abgewehrt werden konnte, doch Derry Scherhant war zur Stelle und staubte zum 2:1 ab. Nur wenige Minuten darauf allerdings konnte Ulms Krattenmacher ohne weitere Gegenwehr der Hertha-Defensive in Richtung des gegnerischen Tores streben, um von der Strafraumgrenze platziert einzuschießen. „Das sind Sachen, die einfach nicht passieren dürfen“, kritisierte Ernst so deutlich wie ratlos.
Die Heimbilanz aufbessern
Immerhin schwang sich Hertha BSC in der letzten halben Stunde noch mal offensiv auf – auch begünstigt dadurch, dass die Schwaben ihrerseits die Chance auf den Dreier nutzen wollten. Die hatten in ihren fünf Partien zuvor nur einen einzigen Torerfolg erreicht und fühlten sich offenbar nach den zwei Treffern ermutigt, ihr Glück zu versuchen. Kurz vor Schluss kam Michael Cuisance dann nach einer gelungenen Kombination tatsächlich sogar noch mal für die Hertha zum Torerfolg – der Franzose hatte sich in der Entstehung aber so robust Platz verschafft, dass der Unparteiische nach Konsultierung des VAR das mögliche 3:2 aberkannte. Die restlichen Bestrebungen, doch noch (regulär) zum Sieg zu kommen, blieben dann zu unpräzise, um die Ulmer noch mal in Gefahr zu bringen. „Wir machen zu viele Fehler, verteidigen einige Sachen katastrophal – deshalb haben wir nicht mehr verdient“, erklärte Trainer Cristian Fiél daher einmal mehr frustriert. So war die Enttäuschung auch deutlich spürbar bei den Zuschauern, unter denen zum Anlass des denkwürdigen Champions-League-Spiels vor 25 Jahren gegen den FC Barcelona (0:0 bei dichtem Nebel) auch die ehemaligen Spieler saßen. Lange her, jene glanzvollen Tage: Eine ausgeglichene Spiel- und Torbilanz spiegelt hingegen die harte Realität und das aktuelle, graue Mittelmaß in der Zweiten Liga wider – und schon am Freitagabend steht als nächste Aufgabe das Gastspiel beim 1. FC Magdeburg an. Die Elbestädter haben dabei zuletzt mit dem 1:0-Sieg in Regensburg gezeigt, wie man aus dem Niemandsland der Tabelle immerhin auf Platz sechs vorstoßen kann. Unvergessen das erste Gastspiel der Berliner dort überhaupt, als man im September 2023 viermal in Führung gegangen und trotzdem am Ende mit 4:6 unterlegen war.
Besserung frühestens zur Rückrunde?
Liest man dabei die Kommentare in den Onlineforen und manchen Bericht in den Hauptstadtmedien, so wurde dort zuletzt öfter immer noch die These vertreten, dass die Besserung frühestens zur Rückrunde eintreten könne – dann, wenn alle verletzten Spieler wieder an Bord sind. In der Tat ist der Rückstand zu Platz eins mit sechs Punkten (vier bis zum Relegationsrang) überschaubar, auf der anderen Seite aber ist Hertha BSC in der Warteschlange der Aufstiegsaspiranten eben nur die Nummer zwölf – und hat nicht nur in positiveren Zeiten die Konstanz vermissen lassen, sondern erfährt gerade erstmals 2024/25 eine Durststrecke von drei Spielen ohne Sieg bei nur einem erzielten Punkt. Immerhin hatte sich dabei in der länderspielbedingten Ligapause die kritische Personallage ein gutes Stück in die gewünschte Richtung entwickelt. Linus Gechter war so nicht nur ins Mannschaftstraining zurückgekehrt, sondern konnte gegen Ulm gut zwei Monate nach seiner Schulterverletzung inklusive Operation sogar bereits die letzte halbe Stunde mitwirken. Damit sorgt der 20-Jährige für weitere Entlastung hinsichtlich der zuletzt gerade in der Abwehrzentrale besonders akuten Not – wegen der Rückkehr von Marton Dardai nach seiner Gelbsperre konnte Hertha-Trainer Fiél gegen die „Spatzen“ defensiv auch schon wieder auf die bevorzugte Viererkette umstellen. Auch Fabian Reese (nach Sprunggelenksverletzung, noch ohne Saisoneinsatz) trainiert inzwischen ebenso mit dem Team wie Mittelfeldspieler Diego Demme (zuletzt Unwohlsein bei Belastung, seit Ende September ohne Einsatz). Bei diesen beiden ist ein Comeback langsam in Sicht – allerdings fehlen aktuell immer noch Neuzugang John Anthony Brooks (Abwehr, noch kein Einsatz), Jeremy Dudziak (nur zwei Einsätze 2024/25), Kapitän Toni Leistner, Ersatztorwart Marius Gersbeck und der erneut am Sprunggelenk verletzte Michal Karbownik (alle seit zwei Spielen ausgefallen). Auch beim früh ausgewechselten Winkler könnte es nun erneut eine längere Zwangspause geben – Cristian Fiél sagte in einer ersten Einschätzung jedenfalls: „Das sieht nicht gut aus.“ Eine Formulierung übrigens, die angesichts von nur sechs Punkten vor den Abstiegsrängen auch bald für den „Blick in den Rückspiegel“ gelten könnte.