Der Psycho-Schocker „Joker“ wurde vor fünf Jahren zu einem weltweiten Phänomen. Was kann man dieser Glanznummer folgen lassen? Regisseur Todd Phillips bricht mit „Joker: Folie à Deux“ fast jede Sequel-Regel und wagt noch einmal etwas ganz Neues. Denn: The show must go on.
Abgemagert – fast bis zum Skelett – tritt Arthur Fleck alias Joker (Joaquin Phoenix) aus seiner Zelle im Arkham-State-Hospital-Gefängnis. Eingeliefert wurde er dort nach dem Aufsehen erregenden Mord an einem Talkshow-Moderator vor laufender Kamera. Arthur Fleck ist psychisch und physisch nur noch ein Schatten seiner selbst: Ein gebrochener Mann, einsam, malträtiert von seinen Wärtern. Der einzige Mensch, der sich noch um ihn kümmert, ist seine Anwältin (Catherine Keener). Sie will Arthur Fleck helfen, damit er aus dem Gefängnis in eine geschlossene Abteilung für psychisch Kranke überstellt werden kann. Ein Gerichtsverfahren soll das zu Arthurs Gunsten klären.
Kennenlernen in der Gesangsgruppe
Doch Arthur verhält sich zunächst wenig kooperativ. Hat er doch im Gefängnis Lee Quinzel (Lady Gaga) entdeckt, die er in einer Gesangsgruppe näher kennenlernt. Die beiden kommen sich näher und Lee entpuppt sich als großer Fan von Arthur – genauer gesagt: von Joker. Für ihn wird sie im Laufe der Geschichte zur berüchtigten Harley Quinn werden. Doch noch ist es nicht so weit. Arthur jedenfalls verliebt sich Hals über Kopf in Lee und wird dadurch auch zugänglicher, ja fröhlicher – auch zugänglicher, ja fröhlicher – und beginnt sogar zu singen. Mal alleine, mal im Duett mit Lee.
Und genau hier wird „Joker: Folie à Deux“ (ab sofort im Kino) zu einem der wunderlichsten Musicals der Filmgeschichte. Denn wie die beiden ihre Dialoge mit Songs von Frank Sinatra, Jacques Brel, den Carpenters und den Bee Gees (um nur einige zu nennen) fortführen, hat etwas Rührendes und Bizarres zugleich. Dabei singen beide wohlgemerkt wie aus der Sicht der Figuren, die sie spielen.
Also Phoenix/Arthur laut, inbrünstig und auch mal mit schiefen Tönen. Auch Lady Gaga/Lee hat sich von ihrer Perfektion als Entertainerin à la „A Star Is Born“ hier ganz bewusst weit entfernt. Nicht nur dadurch werden die Erwartungen der Hardcore-„Joker“-Fans unterminiert. Diese Inszenierung ist kein Jahrmarkt der Eitelkeiten für Superstars – sondern Method-Acting der Extraklasse.
Noch mal eine völlig neue Erzählperspektive
Ein Manko könnte seine, dass dieser „Wahnsinn zu zweit“ eigentlich keinen Plot hat und sich die Handlung auf zwei Spielorte beschränkt: Gefängnis und Gerichtssaal. Die Gesangs- und Tanzeinlagen finden natürlich nur in Arthurs Fantasie statt. Und sind, im Gegensatz zum tristen Alltagsgrau, in leuchtend bunte Farben getaucht.
„Machen Sie aus dem Gerichtssaal keinen Zirkus“, ermahnt der Richter Arthur, als er seine Anwältin feuert und sich selbst verteidigt. „Dafür ist es etwas zu spät“, lautet Arthurs lakonische Antwort. Denn er steht ja schon längst geschminkt in der mythisch rotgrinsenden Joker-Maske vor den Geschworenen. Bei diesem symbolträchtigen Auftritt lässt Joaquin Phoenix – als Joker – endlich die Zügel schießen. Und zieht in seiner Verzweiflung noch einmal mit hypnotischem Kalkül alle Register des vom Wahnsinn beleckten, morbiden Clowns.
Regisseur Todd Phillipps erzählt in „Joker: Folie à Deux“ die Tragödie eines gequälten und persönlichkeitsgespaltenen Mannes noch einmal aus einer völlig neuen Perspektive. Und entromantisiert – mithilfe eines wieder brillant aufspielenden Joaquin Phoenix – den Joker-Mythos ein für alle Mal. Auch deshalb ist der Showdown so schockierend und traurig zugleich.