Die Temperaturen sinken tief, die Tage sind kurz. Und doch ist das touristische Angebot um die Stadt Kuusamo in Finnland in der kalten Jahreszeit groß. Und oft ziemlich entspannend.
Shamaani, Kiela, Joiku, Kaapo und Elmeri sind startklar. Das Fünfergespann bellt laut um die Wette, die Schlittenhunde wollen nur eines: rennen. Doch sie dürfen noch nicht, denn hinten auf dem Schlitten mit den zwei schmalen Holzbrettern muss ich mich noch einrichten.
Und dann geht es los: Der Motorschlitten ganz vorn in der Kolonne setzt sich in Bewegung, die Leinen der Hunde werden gelöst. Und dann gibt es kein Halten mehr. Die Huskys haben so viel Kraft, dass es mich erst mal rückwärts in den Schnee befördert. Physik vom Feinsten. Nach diesem ersten kühlen Schreck geht alles geschmeidig. Die Hunde folgen der Spur, aber auch ohne sie würden sie den Weg durch die tief verschneite Landschaft unweit von Ruka im Nordosten Finnlands kennen. Und als das Fünfergespann mit seiner Vorhut wieder in Lammintupa einläuft, sind die Hunde deutlich ruhiger als noch zu Beginn der Fahrt durch die Kälte.
Bei den Rentieren auf Juha Kujalas Farm in Kuusamo ist nicht zu erkennen, wie sehr sie sich bei der Fahrt mit dem hölzernen Schlitten durch den Wald verausgaben. Zutraulich jedenfalls sind die etwa kuhhohen Tiere, wenn sie gleichmäßigen Schrittes auf ihren besonderen Hufen durch den Wald spazieren – die nämlich spreizen sich bei tiefem Schnee auseinander, sodass die Tiere nicht versinken, sagt Juha.
Besucher dürfen die Rentiere füttern
Juha führt die Farm in der fünften Generation, doch nicht nur das Hüten der Tiere und der Verkauf des Fleisches und der Felle sichern sein Einkommen. Zusammen mit seiner Frau Jenni hat er ein Erlebnis- und Infozentrum aus dem Anwesen gemacht. Morgens früh dürfen Besucher der Fütterung der Tiere beiwohnen, die sehr genau das Geräusch des Motorschlittens kennen, dessen Fahrer ihnen ihr Futter bringt.
Danach verteilt Juha Flechten an die Besucher, die die Rentiere ihnen aus der Hand fressen. Ein Leckerbissen sei das für die Tiere, vor allem im Winter, wenn die Gewächse in der vereisten Natur nicht zu finden sind. Und dann geht es hinauf auf den Schlitten und nach der Tour in eine hölzerne Hütte zum Aufwärmen.
Sich von einem Schlitten ziehen zu lassen oder die motorisierte Version davon selbst durch die dichten Wälder zu fahren, ist allerdings nicht die einzige Art der Fortbewegung in diesem Landstrich, der etwa 60 Kilometer südlich des Polarkreises liegt und politisch nicht zu Lappland, sondern der Region Nordösterbotten gehört. Für Besucher aber fühlt es sich ähnlich an. Es ist kalt, dunkel. Und ein Aufenthalt oft ziemlich entspannt.
Dauerhaft umgesiedelt ist Mikko Santasalo aus der Hauptstadt Helsinki. Er kannte die Region von vielen Besuchen mit seiner Familie, hauptsächlich im Winter ins Skigebiet Ruka – ein Berg, viele Flutlichter, 19 Pistenkilometer und Lifte, die bis 23 Uhr abends fahren.
„Wir gehen nach draußen, egal, wie kalt oder dunkel es ist“, sagt Mikko. Und im tiefsten Winter ist es lange dunkel, bis zu 20 Stunden am Tag. Zum Frühjahr hin wird es besser, und Ende März geht der Umschwung zu den langen, hellen Nächten schnell. Trotzdem bleibt noch genug Zeit und Dunkelheit, um bei klarem Wetter Nordlichter am Nachthimmel zu sehen – die sich auf diesem Trip auch zeigen.
Neben den Abfahrtskilometern ist in der Gegend deutlich mehr Platz für die wohl nordischste aller Sportarten: das Langlaufen. Bis zu 500 Kilometer Loipen sind gespurt, auch in den fünf Nationalparks Hossa, Syöte, Riisitunturi, Salla und Oulanka. Ende März findet in Letzterem ein Skirennen statt – für alle die, die sich mit anderen im klassischen Stil messen wollen. Wer das nicht will, sieht das Rennen als Exkursion und steigt ohne Eile in die Loipe – finnisch tiefenentspannt.
Natürlich sind die Strecken auch an jedem anderen Wintertag zu machen, ebenso wie die „Bärenrunde“, die durch den Nationalpark Oulanka mit seinen selbst bei Minusgraden noch reißenden Flüssen Oulankajoki und Kitkajoki führt. Eis und Schnee überwiegen, geben an manchen Stellen aber den Blick auf tiefrote Felswände frei.
Ganz automatisch bleibt das Handy aus
„Hier gibt es alle möglichen Mineralien“, sagt Mikko, mit dem ich durch die Landschaft gleite. Aber weder der Abbau des Gesteins noch die Nutzung der Flüsse etwa für Wasserkraftwerke sei erlaubt – seit den 1950er-Jahren besteht der Nationalpark, die Natur unweit der Grenze zu Russland ist geschützt.
Eine Alternative zum Langlaufen und Winterwandern ist ein Ausflug mit Schneeschuhen, der wieder andere Perspektiven auf die Landschaft ermöglicht. Denn mit den großen Tellern unter den Füßen kommen Ausflügler an Stellen, die anders nur schwer zu erreichen sind. Und die überall vorherrschende Ruhe wirkt oft noch viel intensiver.
Kilometer um Kilometer unterwegs im tiefen Schnee, der eisige Wind bläst, im März sind dann langsam wieder die ersten Vögel zu hören. Die Spuren von Auer- und Birkhuhn, Füchsen und anderen auch winters aktiven Waldbewohnern im Schnee – hier kann man komplett abschalten. Obwohl die Mobilfunkabdeckung gut ist, werden die Reflexe, das Handy zu zücken, seltener. Ganz automatisch.
Auf die Spitze getrieben wird die Entspannung auf dem Fluss Kiveskoski, der die Straße zwischen Ruka und Kemojärvi kreuzt. Floating im dicken, wärmenden Neoprenanzug ist das Stichwort. Derart im absolut wasserdichten Gewand eingepackt, ist der Weg zum Ufer etwas beschwerlich. Doch sobald man auf dem nur zwei Grad warmen Wasser liegt, ist alles gut.
Ich blicke in den Himmel und treibe den Fluss hinunter. Irgendwann allerdings muss ich aufstehen, was gar nicht so einfach ist. An einer flachen Stelle jenseits der Brücke, wo die Fahrt endet, hilft Jonny Heijnen dabei.
Bei so viel Frost und Kälte wird schnell klar, warum das Saunieren der liebste Zeitvertreib der Finnen ist – mehr als drei Millionen Saunen soll es für rund 5,5 Millionen Einwohner geben. „Es gibt bei uns kein Weihnachten, bevor nicht die ganze Familie in der Sauna war“, sagt Tanja Pohjola, die auf dem alten Gut „Pohjolan Pirtti“ zur „Sauna Experience“ lädt.
Eine Rauchsauna hat sie hinter einer umgebauten Scheune, Platz ist darin für bis zu 25 Menschen. Auch zwei elektrische Schwitzkästen und ein Whirlpool stehen auf der Terrasse bereit. Und eine gemütliche Lounge, in der sie erzählt, dass das Saunieren mehr ist als das Durchwärmen des Körpers. Früher wurden sogar Kinder in Saunas geboren, sagt Tanja, weil sie von jeher zu den hygienischsten Orten gehörten.
Sauna gegen die Kälte und für die Gesundheit
Jeweils schon im Frühjahr bindet Tanja Büschel aus Birkenzweigen und legt sie auf Eis. „So halten sich die ätherischen Öle frisch, und das Holz ist noch ganz weich.“ Wenn sie mit den Büscheln in der Sauna unter Sagengesang über den Körper schlägt, ist der Nutzen für die Gesundheit am größten.
Und das sagenumwobene Löyly, ein Begriff, mit dem Saunaexperten um sich werfen? „Das ist schwer zu beschreiben“, sagt Tanja. Einfach übersetzt ist es der Dampf, den ein Aufguss produziert. „Aber der muss genau richtig sein, der Geist muss stimmen.“ Die kalte Gegend um Kuusamo bietet dafür beste Voraussetzungen.