Ein Hollywoodstar wie kein anderer: Im Gespräch gibt Nicolas Cage zu, dass es ihm schwer zugesetzt hat, als er wegen eines Youtube-Videos zum Internet-Gag geworden ist. Der Fantasyfilm „Dream Scenario“ hilft ihm darüber hinweg. Trotzdem sei die Kinokarriere vorbei, sagt er.
Nicolas Cage ist zu Hause. Wollte man es romantisch formulieren, könnte man sagen, dass er in der Mojave-Wüste wohne, sagt der amerikanische Schauspieler. „Oder etwas vulgärer ausgedrückt: Ich bin in Las Vegas.“ Nicolas Cage präsentiert sich, wie sich Nicolas Cage präsentieren muss: Im Zoom-Interview trägt der Oscar-Preisträger einen roten Wildlederblouson, hinter ihm ein Regal, auf dem lauter interessante Gegenstände stehen. Das sei sein Büro, sagt er. „Danke, dass es Ihnen aufgefallen ist.“ Er hat etwa Modelle eines X-15-Hyperschallflugzeugs und eines Miniaturpanzerschiffs aus der Schlacht von Hampton Roads im Amerikanischen Bürgerkrieg aufgestellt. Cage, Star aus Filmen wie „Leaving Las Vegas“, „The Rock“ und „Wild at Heart“, besitzt die verrücktesten Dinge. Für 150.000 Dollar soll er einst den ersten Superman-Comic gekauft haben (dann wurde er ihm gestohlen, später tauchte das Heft wieder auf und der überschuldete Cage verkaufte es für über zwei Millionen Dollar). Eine Sammlung von Schrumpfköpfen soll sich weiterhin in seinem Besitz befinden. Auch einen lebenden Haifisch hat er angeblich. Das muss man natürlich alles genauer wissen. Und Cage, so wird man feststellen, ist bemerkenswert ernsthaft und reflektiert, selbst wenn es um Absurditäten geht. Phänomenal absurd ist auch sein neuer Film „Dream Scenario“, in dem er einen Professor spielt, der plötzlich in den Träumen von Millionen Menschen auftaucht.
Herr Cage, schlafen Sie gut?
Nicht mehr, nein. Früher habe ich gut geschlafen. Ich habe den Rhythmus eines Farmers. Ich gehe früh ins Bett und stehe um vier Uhr auf. Ich bin kein „Dinner-Typ“, ich bin ein „Supper-Typ“. Also leichtes Abendessen.
Und danach bin ich sofort im Bett, wenn es gut läuft. So war das zumindest früher: Um 9 Uhr habe ich geschlafen. Jetzt schlafe ich um 7.
Im Ernst?
Ja. Der Grund ist, dass ich Vater eines Mädchens bin. Meine Tochter ist 15 Monate alt. Da ändert sich der Schlafrhythmus dramatisch. Nun funktioniere ich mit drei Stunden Schlaf insgesamt.
Träumen Sie?
Vergangene Nacht habe ich geträumt. Sehr seltsam: Ich war am Strand, zusammen mit Bob Dylan. Wir haben über Johnny Cash gesprochen. Es ging darum, was Cash als Künstler auszeichnet. Bob Dylan war richtig glücklich, darüber zu sprechen. Er war begeistert, dass ich mich für Johnny Cash interessierte.
Wo kam das wohl her?
Es hat sicher damit zu tun, dass ich mir gerade eines der Duette von Dylan und Cash angehört habe. Jeder kennt die Stimme, mit der Dylan seine beschwingten Folksongs gesungen hat. (Cage imitiert Dylans nasalen Gesang.) Ich mag diese Stimme sehr. Im Duett „Girl From the North Country“ ist es aber Johnny Cashs Stimme, die mich packt. Man weiß, dass ich Elvis Presley liebe, ja? Aber Cash, wie er diese Folk-Geschichten erzählt, mit dieser tiefen Stimme: Es ist wahrscheinlich die stärkste Stimme in der zeitgenössischen amerikanischen Musik. Und Bob Dylan sah das auch so, in meinem Traum.
Kennen Sie sich persönlich?
Bob Dylan kenne ich nicht, aber ich kannte seinen Cousin. Er war mein Zahnarzt. Ich schweife ab. Lassen Sie uns auf Kurs kommen.
Wie Sie mögen.
Träume sind so amorph und surreal. Wenn man da erst reingeht, gibt es kein Auftauchen mehr.
Haben Sie wiederkehrende Träume, wollte ich noch fragen. Vielleicht überspringen wir das?
Ich sage Bescheid, wenn ich noch einen weiteren Traum mit Bob Dylan habe. Nein, zu wiederkehrenden Träumen neige ich nicht. Manchmal habe ich sehr intensive Träume. Die sind nicht lustig. Dann denke ich immer: Was war das denn? Habe ich etwas Falsches gegessen? Hätte ich es nicht essen sollen? War es zu scharf?
Können Sie nach einem intensiven Drehtag gut abschalten?
Manchmal gehe ich ins Bett und spiele eine Szene in Gedanken durch. Das sollte man nicht tun. Man sollte nicht arbeiten, während man versucht zu schlafen. Aber ich bin ein Perfektionist und Zweifler. Ich mache das.
Der Professor in „Dream Scenario“ taucht in den Träumen von allen möglichen Menschen auf. Das ist natürlich surreal, aber jemand, der berühmt ist, kann sich das vermutlich gut vorstellen?
Dieser Film ist sogar etwas vom Persönlichsten, was ich je gemacht habe. Natürlich ist die Situation, in der sich Professor Paul Matthews wiederfindet, recht exotisch und für die meisten Menschen nicht direkt anschlussfähig. Aber für mich schon. Denn 2009 habe ich den Fehler gemacht, mich selbst zu googeln. Und ich habe plötzlich gesehen, was gerade mit mir passiert – mit meiner Aura.
Sie meinen das Youtube-Video, in dem die expressivsten Szenen aus Ihren Filmen zusammengeschnitten sind? Gewissermaßen Ihre gesammelten Nervenzusammenbrüche. „Nicolas Cage Losing His Shit“, heißt das Video, ein Internet-Hit.
Mit dem Video fing es an. Dann kamen T-Shirts und Internet-Memes, Fotos, Clips, die sich viral verbreiteten. Es ging immer weiter, es hörte gar nicht mehr auf. Ich verstehe es ja: Dieser Zusammenschnitt ist irgendwie ironisch, und vielleicht hilft er auch, dass sich die Leute die Filme anschauen, aus denen die Clips stammen. Ich will mich also nicht beklagen. Später habe ich damit meinen Frieden gemacht. Aber schauen Sie, als ich einst mit dem Beruf anfing, gab es kein Internet. Ich war 15 Jahre alt, ich wollte Filmschauspieler werden, nichts weiter. „I didn’t sign up for this.“
Sie wollten kein Massenphänomen werden?
Ja, das mit den Memes schaukelte sich dann immer mehr hoch, ich hatte keine Kontrolle, mein Anwalt konnte nichts tun. Es gab keine Möglichkeit, es zu stoppen. Also saß ich nur da. Und dann kam nun „Dream Scenario“, und zum ersten Mal dachte ich: Okay, ich kann dieses Ohnmachtsgefühl konstruktiv aufarbeiten. Ich habe zu Kristoffer Borgli, einem wunderbar fantasievollen Filmemacher, gesagt, dass ich die Rolle spielen könne, ohne schauspielen zu müssen. Denn ich wusste ja, wie sich dieser Professor fühlt.
Es ist auch ein Film über Cancel Culture. Zuerst finden es alle Menschen toll, dass dieser Professor in ihren Träumen auftaucht, irgendwann aber nicht mehr: Seine Studenten fürchten sich vor ihm, und er wird von der Uni gejagt. Beschäftigt Sie die Cancel Culture als Schauspieler?
Als Filmschauspieler besteht das Risiko, dass man nicht mehr willkommen ist, wenn es etwa zu viele Internet-Memes von einem gibt. Plötzlich ist man als ein Freak abgestempelt. Und niemand will sich mehr ein eigenes Bild machen. Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr imstande sind, die unglaublich schnell wachsende Menge an Informationen zu verarbeiten. Man glaubt, alles von vornherein kennzeichnen zu können und immer schon zu wissen, ob etwas gut oder schlecht ist. Deshalb muss ich vorsichtig sein.
Was meinen Sie genau?
Möchte ich einen weiteren verrückten Hund in einem Werner-Herzog-Film spielen? Nein, ich muss etwas anderes finden, um die Dinge zumindest ein bisschen ungewohnt zu gestalten. Das Internet macht das schwierig, weil man viel zu viel Aufmerksamkeit erhält. Ein Schauspieler wie ich muss besonders gut abwägen, wie er damit umgeht.
Ein Schauspieler wie Sie?
Einer, der gerne die Grenzen dessen auslotet, was als gutes Schauspielen angesehen wird. Der auf der Suche nach einem anderen Sound ist, einem anderen Look oder einer anderen Bewegung. Der vielleicht nicht in die Kategorie dessen fällt, was gewöhnlich als gutes Schauspielen angesehen wird.
Ich suche nach etwas anderem. Aber wenn das Internet das nicht versteht und daraus ein Meme, einen Witz macht, nimmt mir das die Kraft.
Wissen Sie auch immer weniger, was Sie noch spielen, mit welchem Regisseur Sie noch zusammenarbeiten dürfen? Kann man etwa als heterosexueller Mann einen schwulen Mann spielen oder noch mit Woody Allen drehen?
Gut, das Problem mit den Regisseuren ist: Wenn du einmal Nein zu ihnen sagst, rufen sie dich nie wieder zurück. Also, Woody ist raus. Aber ich mache das jetzt, seit ich 15 Jahre alt bin. Ich bin 60. Ich habe im Kino so ziemlich alles gesagt, was ich zu sagen hatte.
Mein Mantra war immer: Ich bin ein Student. Ich möchte lernen. Und ich weiß nicht, ob ich vom Kino noch etwas zu lernen habe. Wo ich etwas zu lernen hätte, wäre im Fernsehen. Ins Fernsehen bin ich noch nicht wirklich eingetaucht. Alle in der Generation Z schauen ja nur noch Serien.
Serien sind also die nächste Karrierephase?
Jerry Lewis war mein Nachbar hier in Las Vegas. Er sagte: „Du musst in deinem eigenen Film der Star sein. Du musst der Regisseur sein, du musst den Film selber schreiben, die Musik machen“ und so weiter. Das habe ich nie getan. Bradley Cooper war der einzige Schauspieler in den letzten Jahren, der das tatsächlich gemacht hat. Er hatte fünf Home-Run-Szenen in „Maestro“, fünf triumphale Momente.
Letztlich hat der Film für mich nicht funktioniert, aber es gibt diese Szenen – mit nur zwei Schauspielern –, die absolut magisch sind. Er hat seine Oscar-Nominierung verdient. Wenn ich ähnlich wie Bradley Cooper an die Sache herangehen würde, könnte ich noch lernen. Aber damit ich weiter in Filmen von anderen Regisseuren mitspiele, braucht es schon etwas Zwingendes. Gleichzeitig muss ich natürlich arbeiten. Ich muss immer noch die Rechnungen bezahlen.
Sie sind bekanntermaßen ausgabefreudig. Stimmt es, dass Sie Schrumpfköpfe sammeln? Sie lachen?
Gehen wir einen Lagerraum weiter. Haben Sie noch so eine Geschichte?
Ja, ich wollte wissen: Wie kauft man eigentlich einen Hai?
Wie man ihn kauft?
Genau.
Tropische Aquarien sind ein großes Hobby von mir, ebenso Salzwasseraquarien. Es gibt viele Leute wie mich, die sich für Meereslebewesen interessieren. Die Leute gehen in den Salzwasseraquarium-Laden, um sich ein Seepferdchen zu kaufen oder einen Haifisch. Es gibt Haie in allen möglichen Größen. Manchmal haben sie dort diese winzig kleinen Hornhaie. Momentan, wie wir uns hier unterhalten, besitze ich keine Haie. (Cage sagt das in fast staatstragendem Ton: „Now, as we stand here today, I don’t have any sharks.“)
Sie sind auch bekannt dafür, sich abenteuerlich auf Rollen vorzubereiten. Für die Figur des Alkoholikers in „Leaving Las Vegas“ hatten Sie einen „drinking coach“. Was machte der?
Sie meinen Tony Dingman. Er ist ein Freund der Coppola-Familie. Mit meinem Onkel Francis Ford Coppola ist er eng befreundet. Ein Dichter. Es gab Zeiten, da war er Alkoholiker. Mein Cousin Roman Coppola dachte, es wäre toll für mich, in der Vorbereitung auf „Leaving Las Vegas“ Zeit mit Tony zu verbringen. Viel von der Poesie aus „Leaving Las Vegas“ stammt von Tony. Ich habe ihm einfach zugeschaut, wie er sich betrinkt.
Bestimmt war das nicht alles. Sie haben für die Rolle den Oscar bekommen!
Er gab mir als „drinking coach“ auch Ratschläge wie: „Der Schauspieler John Barrymore hat damals immer eine reife Banane gegessen, wenn er vor einer Szene etwas getrunken hatte. Wenn du eine reife Banane isst, hast du keine Fahne. Iss also eine reife Banane, trink einen Schuss Bourbon, dann erledige die Szene.“ Aber die meiste Zeit spielte ich einfach Bongo und beobachtete ihn, wie er in einer Fötusstellung in meinem Wohnmobil lag. Er hat sich abgeschossen, ich habe ihn kopiert.